Tatort Hohwacht: Im neuen Küsten-Krimi steckt viel Lokalkolorit

Oke Oltmanns heißt der neue Kriminale, aus dem vielleicht schon bald so etwas wie ein Kultkommissar aus dem Raum Lübeck werden könnte. Genau genommen ist es das beschauliche Hohwacht. Über den idyllischen Ort erfährt der Leser: „Es gab dort kilometerlange Sandstrände, unverfälschte Naturschutzgebiete und eine atemberaubende Steilküste. Wusstet ihr, dass in Hohwacht kein Haus höher sein darf als ein Baum?“ Der Kommissar als Tierpräparator: Patricia Brandt hat Oltmanns liebevoll als etwas schräge Figur mit humoresken Zügen gezeichnet. Gleich zu Beginn erlebt man ihn wie eine Art skurrilen Tatortreiniger: „Götz lag vor ihm auf dem Tisch und rührte sich nicht. Wie auch? Er war ja tot.Gut gelaunt setzte Oltmanns das Messer an Götz’ Brustbein und zog einen geraden, tiefen Schnitt“. Götz ist – oder war – ein Rauhaardackel, Oltmanns bessert sein Gehalt nämlich als Tierpräparator auf. Patricia Brandt, Jahrgang 1971, hat bereits für verschiedene Medien wie den Focus, dpa und das NDR Fernsehen gearbeitet. Seit fast zwei Jahrzehnten ist sie Redakteurin beim Weserkurier in Bremen und hat dort unter anderem eine erfolgreiche Serie über Flüchtlinge und über ihr Leben als Hobby-Imkerin ( „Die Bienenmutter“) geschrieben. Die einzelnen Kapitel des Romans hat die Autorin mit Kapiteln versehen, die jeweils mit den Namen verschiedener Protagonisten versehen sind. Eine Fortsetzung ist geplant. Patricia Brandt, „Krabben Connection“, Gmeiner Verlag, 12 Euro Hotelanlage soll im Naturschutzgebiet entstehen: Doch dann wird er zum Tatort gerufen. Als der Münchner Geschäftsmann Xaver Kohlgruber aus seinem Hotelzimmer verschwindet, geht der bärbeißige Kommissar von Mord aus. Schnell geraten die Mitglieder der Bürgerinitiative „Rettet die Stranddistel“ unter Verdacht. Kohlgruber ist nämlich Geschäftsführer von B-Projekt. Ausgerechnet im Hohwachter Naturschutzgebiet plant er jetzt den Bau einer Hotelanlage. Doch die couragierten Bewohner laufen Sturm gegen die „urbane, schnörkellose B-Projekt-Architektur mit klaren Linien“. Kohlgrubers Chef aber schickt ihn ausgerechnet dorthin, wo man ihn am liebsten lynchen würde. „Rettet die Stranddistel“: Eine der Hauptfiguren ist die von ihrem Job frustrierte Werbetexterin Carmen Bachmann. Nach dem Kauf von 25 Müslipaketen „gewinnt“ sie einen Urlaub in Hohwacht, für den sie jedoch 1725 Euro zuzahlen darf. Brandt lässt ihre Figur immer wieder in kleine amüsante Katastrophen schlittern. Auch die rustikale, gern nackt wandernde Anführerin der Bürger-Initiative „Rettet die Stranddistel“ kann da gut mithalten. So etwa, als sie Oltmanns einen Smoothie unterjubeln will, weil der so krank aussieht. Von wahren Begebenheiten inspiriert: Tatsächlich gab es in Hohwacht 2017 eine Petition gegen einen geplanten Gebäudekomplex. Auf dem Areal befand sich die auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen stehende Stranddistel. Die Petition wurde später eingestellt. Einen Verein ‚Stranddistel’ gibt es in Hohwacht ebenso. Einst hatten Unbekannte die geschützte Pflanze irgendwo abgeschnitten und auf eine Fläche am Dünenweg in den Boden gesteckt. Es sollte der Eindruck erweckt werden, die geschützte Pflanze sei zurückgekehrt und die Bauvorhaben sollten verhindert werden. Viel Lokalkolorit: Auch die berühmten illegalen Badehütten kennt der Insider. „Der Verlust von Küsten durch Bauprojekte ist natürlich ein ernstes Thema, aber ich möchte mit „Krabben-Connection“ vor allem unterhalten“, sagt die Autorin. Ein Vorbild habe der Kommissar Oltmanns allerdings nicht: „Er ist ja Tierpräparator, und das war für mich gewöhnungsbedürftig, da ich seit meiner Jugend Vegetarier bin. Ich mag ihn aber trotzdem, er ist der Typ raue Schale, weicher Kern“. Kritik an Massentourismus – aktuell in Corona-Zeit: Die „Krabben Connection“ setzt sich mit Themen wie Massentourismus und dem Raubbau an der Natur auseinander. Bremens Umweltsenatorin Maike Schaefer hat das Vorwort geschrieben. Sie mahnt an, dass die kleinen Fischerstuben verdrängt werden von großen Hotels, die aber nicht Einheimischen gehören, sondern Fremden mit Profitmaximierung im Hinterkopf. Die ‚Eryngium Maritimum’ alias Stranddistel spielt eine große Rolle in der „Krabben Connection“. Sie steht stellvertretend für die überfüllten Städte, die immer mehr Platz einnehmen und in der Natur großen Schaden anrichten – in Corona-Zeiten mit knallvollen Standen gewinnt der Roman noch an Aktualität. Patricia Brandt ist Fan der Region: Insider der Region erkennen viele Orte wie den Yachthafen Lippe, die Seeplattform Flunder am Hauptbadestrand, das Schwimmbad am Weissenhäuser Strand oder auch den Berliner Platz in Hohwacht wieder. „Und tatsächlich wachsen in Hohwacht noch Stranddisteln. Es gibt dort ein großes Naturschutzgebiet“, erzählt die Autorin. „Als Journalistin fand ich es spannend, meinen Krimi in einen realen Kontext einzubetten und gleichzeitig die Freiheit zu haben, mit Realität und Fiktion zu spielen“ Ein Urlaub in Hohwacht vor einigen Jahren habe sie zum Fan der Region werden lassen. Von Alexander Bösch