Theater, Kinos und Museen bis 20. Dezember geschlossen – was sagen Lübecks Kulturschaffende?

Niedrige Infektionszahlen im Norden sorgen in manchen Branchen für Erleichterung, denn Schleswig-Holstein lockert den Corona-Teillockdown mehr als andere Bundesländer. Dass allerdings im Bereich der Kultur überhaupt keine Öffnungen in Aussicht gestellt wurde, sorgt vor allem bei den privaten Betreibern und Veranstaltern für Unsicherheit und Fragen. Warum etwa dürfen private Galerien öffnen, Museen aber nicht? Oder „körpernahe Dienstleister“ und Zoos, nicht aber Theater und Kinos, die mit ihren Hygienekonzepten bisher als sichere Orte bezeichnet wurden? „Die Landesregierung trägt die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin insgesamt mit“, erklärt Kulturministerin Karin Prien auf LN-Anfrage. „Eine Öffnung von Theatern oder Museen ist darin nicht vorgesehen, weil es im gegenwärtigen Stadium der Pandemie vor allem um Kontaktvermeidung geht und Begegnungen zwischen Menschen reduziert werden müssen – vor allem in geschlossenen Räumen. Es handelt sich beispielsweise bei Nagelstudios um nachvollziehbare 1:1 Begegnungen, Museen haben einen deutlich größeren Publikumsverkehr.“ Theater Lübeck schließt bis zum 6. Januar: Das Weihnachtsstück „Momo“ von Michael Ende sollte morgen am Theater Lübeck Premiere haben. „Mit Blick auf die besorgniserregende Entwicklung der Pandemie und den bevorstehenden Winter-Wochen hat die Theaterleitung entschieden, den Vorstellungsbetrieb auch über die Feiertage ruhen zu lassen“, sagte der Geschäftsführende Theaterdirektor Caspar Sawade gestern. Das heißt, das Theater schließt bis einschließlich 6. Januar. „Wir verstehen, dass es nötig ist, einen Beitrag zu erbringen, dass sich möglichst wenig Menschen im öffentlichen Raum begegnen. Wir wollen für unser Publikum da sein, aber das geht nur unter verlässlichen Rahmenbedingungen und erfordert einen mindestens 14-tägigen Vorlauf. Auch wenn der Theaterbesuch unter hohen Hygienemaßnahmen stattfindet und die geltenden Abstandsregeln strikt umgesetzt werden, so tragen auch Theaterbesuche zu Mobilität von Menschen bei“, heißt es in einer Erklärung. Hoffnung fürs Weihnachtsmärchen: Dennoch gibt es ein Signal aus Kiel, dass zumindest das Weihnachtsmärchen noch im Dezember gespielt werden könnte. Ministerin Prien: „Wir werden ab Anfang Dezember für die Theater die Möglichkeit, für Schulklassen (in Kohorten) zu spielen“, schreibt sie. „Sobald es die im MPK-Beschluss festgelegten Infektions-Werte verlässlich erlauben, werden wir Museen und Theater für ihr gesamtes Publikum unter entsprechenden Hygienebedingungen wiedereröffnen. Sie benötigen in jedem Fall einen gewissen Vorlauf und vor allem eine mittelfristige Verlässlichkeit für einen solchen Schritt. Die Kulturministerinnen und Kulturministern erarbeiten jetzt einen Stufenplan im Auftrag der MPK und der Bundeskanzlerin.“ Für das Theater Lübeck ist das jedoch keine Option – es wäre nicht machbar, den gesamten Theaterbetrieb für einige wenige Aufführungen hochzufahren. „Das Schlimmste ist, dass wir nicht planen können“: Für Michael Knoll, Betreiber des Privattheaters Geisler, ist eine solche Verlässlichkeit das Wichtigste. Die finanziellen Einbußen seien das Eine, denn im November und Dezember sei für die Theater Hauptsaison. Das Schlimmste für ihn sei aber , dass er nicht planen könne. „Wenn ein Nagelstudio öffnen darf, kann es am nächsten Tag losgehen. Wir müssen vorher Werbung machen, proben. Darauf verzichten wir jetzt, weil wir keine Honorare zahlen können.“ Da auch nicht klar sei, ob es ab 20. Dezember wirklich weitergehe, könne er weder Flyer drucken oder einen Spielplan erstellen. Als privater Theaterbetreiber hofft er, mit den Hilfen „irgendwie überleben“ zu können. Für Kulturprojekte in Lübeck hat die Possehl-Stiftung 480 000 Euro bereitgestellt – bis zu 80 Künstler und Kulturschaffende können mit bis zu 6000 Euro gefördert werden. Bis zum 28. Dezember können Bewerbungen eingereicht werden. Die Projekte sollen bis zum 31. Mai 2021 umgesetzt werden. Das Antragsformular und alle Infos unter: www.kulturtreibhaus.de. Die Anträge gehen per Mail an: funke@kulturtreibhaus.de Ansprechpartnerin ist Stefanie Reis vom Kulturtreibhaus; post@kulturtreibhaus.de und T. 0157/35310831. „Weihnachten bei Buddenbrooks“ nun digital: Die Lübecker Museen müssen bis zum 20. Dezember geschlossen bleiben, auch Veranstaltungen entfallen. Der Direktor der Lübecker Museen, Hans Wißkirchen, akzeptiert die Maßnahmen, da Museen Orte seien, an denen sich vielleicht nicht so viele Menschen gleichzeitig begegnen, aber dennoch Menschen aus verschiedenen Regionen und Bundesländern aufeinandertreffen. „In den Herbstferien waren die Besucherzahlen hoch und es kamen Menschen aus ganz Europa. Wenn es nun darum geht die Kontakte zu reduzieren, dann sollten die Museen hier ihren Beitrag leisten.“ Er verweist auf die digitalen Angebote der Museen. Als Ersatz für das beliebte Format „Weihnachten bei den Buddenbrooks“ werde am kommenden Sonnabend ein Video mit dem Lübecker Schauspieler André Janssen gedreht, heißt es von den Lübecker Museen. Das kann man sich später auf der Homepage des Museums anschauen. Außerdem werden ab Sonnabend, 28. November, bis Weihnachten jeweils donnerstags und sonnabends zwischen 12 und 17 Uhr weihnachtliche Klavierklänge im Informationscenter und Museumsshop „Buddenbrooks am Markt“, Markt 15, ertönen. Gespielt werden sie von der Südkoreanerin Huijeong Chae, die an der Musikhochschule Münster Klavier studiert und nebenbei im Günter Grass-Haus in Lübeck im Besucherservice arbeitet. Hansemuseum: Jeder zweite Mitarbeiter in Kurzarbeit: Das Europäische Hansemuseum warte, ob die Regelungen für Museen in Schleswig-Holstein anders aussehen, sagte dessen geschäftsführende Direktorin Felicitas Sternfeld. Aber sie rechne nicht damit. Bis zum 20. Dezember werde man auf jeden Fall geschlossen haben. Und dann? „Ich kann es nicht sagen. Wir fahren auf Sicht, wie so viele andere auch.“ Natürlich würden sie gern wieder öffnen. Aber wenn Infektionen nicht nachvollzogen werden könnten, sei das eben auch riskant. Im Sommer seien die Besucherzahlen sehr gut gewesen, nun sei wieder verstärkt Homeoffice angesagt und etwa jeder zweite Mitarbeiter in Kurzarbeit. Dass irreparable Schäden entstehen könnten, sehe sie derzeit nicht. Mit den neuen Impfstoffen aber gebe es Hoffnung. Sie sei jedenfalls zuversichtlich: „Da ist Licht am Ende des Tunnels.“ Kinobetreiber: „Das ist Berufsverbot“: Dass auch die Kinos weiter geschlossen bleiben, sei keine große Überraschung mehr gewesen, sagt Martin Turowski, Chef des Burgtheaters in Ratzeburg. Dabei habe sich Ministerpräsident Daniel Günther noch im Oktober öffentlich hinter sie gestellt und gesagt, er fühle sich sicher im Kino. Da entstehe ein „Flurschaden“, weil Besucher jetzt denken könnten, so sicher sei das vielleicht alles gar nicht. Das gelte auch für den Vergleich mit Geschäften, die öffnen dürften, während die Filmtheater schließen müssten. Das sei ein „Berufsverbot“, und das tue weh. Liquidität geht in den Keller: Viele Kinos in Schleswig-Holstein seien familiengeführt, da würden jetzt Rücklagen und Altersversorgungen angegriffen, sagt Turowski, der bis Ende des Jahres noch dem Vorstand des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater (HDF Kino) angehört. Die ersten Häuser gingen in die Knie. Er rechne nicht damit, das Burgtheater vor März wieder zu öffnen. Dabei bauten die Kinos gerade in den Wintermonaten ein Polster für den Sommer auf. Unterstützung wie die Novemberhilfe seien zwar gut, aber dem Burgtheater mit einem Jahresumsatz von einer Dreiviertelmillion Euro sei mit 10 000 Euro für einen Monat wenig geholfen. Da gehe „die Liquidität in den Keller“. Kino benötige zudem Vorlauf und funktioniere bundesweit, da wäre auch ein schleswig-holsteinischer Alleingang problematisch. „Kinolaustag“ am 6. Dezember: „Wir werden von der Politik gehört – zum Teil“, sagt Martin Turowski. Aber man brauche jetzt vor allem eine Perspektive. Und sie würden weiter mit aller Kraft für Aufmerksamkeit sorgen, um zu zeigen: Wir sind da! Kinos hätten auch geöffnet, um Popcorn, Nachos oder Gutscheine zu kaufen. Am 6. Dezember werde es einen „Kinolaustag“, unter anderem mit einer Stiefelaktion für Kinder. Und für Januar und Februar werde sich der erst im September gegründete schleswig-holsteinische Kinoverbund auch einiges einfallen lassen. Für die Kultur montags auf die Straße gehen: Etwas einfallen lassen hat sich auch die Eventmanagerin Tina Braukmann und bereits im November Demonstrationen organisiert, um auf die Situation von Künstlern und Kulturschaffenden aufmerksam zu machen. Unter dem Slogan „Ohne Kunst und Kultur wird’s stell“ sind montags etwa 200 Menschen dem Aufruf gefolgt. Mit dem weiteren Teil-Lockdown verschärft sich ihrer Meinung nach die Lage und wird dramatischer. „Es gibt zwar die finanziellen Hilfen, jetzt haben wird die Novemberhilfe beantragt. Am Ende des Monats. Aber wir mussten vorher schon Gehälter, Geld für Krankenkassen zahlen. Die warten nicht, bis die Hilfen da sind.“ Sie wisse nicht, wie lange sie das durchhalte – seit zehn Monaten konnte sie keine kostendeckenden Veranstaltungen durchführen. Und kein Ende der Pause in Sicht. Tina Braukmann ist sich sicher: „Wir haben Konzepte, wir können es.“ „Was mich wirklich erschüttert ist die geringe Beachtung von Kunst, Kultur und Veranstaltungsbranche. „Wir möchten darauf hinweisen, dass es Menschen gibt, die seit Monaten nichts verdienen dürfen. Und dass diese lange Durststrecke die Kulturlandschaft verändern wird.“ Deshalb werden Kulturschaffende auch weiterhin auf die Straße gehen – nächsten Montag wieder ab 19.50 Uhr am Holstentor. Von Peter Intelmann und Petra Haase