Theater Lübeck: Wie geht es einer Schauspielerin ohne Bühne, Rachel Behringer?

Nach dem ersten Lockdown im April, der urplötzlich alles auf Null gesetzt hatte, fühlt sich dieser zweite Lockdown nun nicht ganz so sehr nach Stillstand für mich an. Denn auch wenn wir keine Vorstellungen spielen können, so dürfen wir zumindest proben, wir dürfen arbeiten, wir dürfen einander sehen und dafür bin ich sehr dankbar, auch wenn dies unter strengen Auflagen und mit Abstandsregeln stattfindet. Denn trotz dieser absurden Zustände spüre ich, dass wir alle zusammen durch diese ungewöhnlichen neuen Zeiten gehen, dass wir alle oft rat- und hilflos sind, das schafft Zusammenhalt, Umsicht und Verständnis. Ein Aufwand wie sonst auch: Ich durfte gerade für „Momo“ von Michael Ende proben, und wir haben uns voller Spielfreude in diese Arbeit begeben. Wir haben genau so viel Aufwand betrieben, wie wir es unter normalen Umständen getan hätten, und wir haben einen schönen, zauberhaften Abend geschaffen, der den Kindern sicher sehr gefallen wird. Rachel Behringer (Jahrgang 1989) stammt aus Freiburg im Breisgau, hat in München Theaterwissenschaften und in Hannover Schauspiel studiert. Seit 2016 gehört sie zum Ensemble des Theaters Lübeck. 2019 hat sie den Jürgen-Fehling-Förderpreis der Gesellschaft der Theaterfreunde Lübeck erhalten. Die LN haben sie gebeten aufzuschreiben, wie es einer Schauspielerin geht, wenn ihr das Wichtigste fehlt: die Bühne. Natürlich, gerade in Gruppenszenen mussten wir darauf achten, dass wir uns nicht zu nahe kommen, für einige sonst selbstverständliche Gesten mussten wir nach Alternativen suchen. Eine hausinterne Probe vor einigen wenigen Kollegen war nun erst mal der Abschluss dieser Arbeit, die Premiere ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Normalerweise hätten wir nun um die zwanzig Vorstellungen vor einem ausverkauften Haus voller freudiger, tobender Kinder gespielt, stattdessen haben wir in den leeren Saal geguckt und uns vorgestellt, an welchen Stellen die Kinder sicher lauthals reagieren, was sie besonders lieben werden. Nichts vergessen bis zur Premiere: Unsere Kostüme werden nun erst einmal wieder weggehängt, die Bühne abgebaut, das ist schon traurig. Wir versuchen, die Arbeit zu konservieren, ich habe mir alles ganz genau in mein Textbuch geschrieben, damit ich bis zur Premiere nichts vergesse, mein Kalender ist voller durchgestrichener Vorstellungs-Termine. Dass ich vor einem Jahr noch selber zwischen lauter jubelnden und klatschenden Kindern im Weihnachtsmärchen gesessen habe, das fühlt sich noch so nah und heute doch so richtig weit weg an. Nun haben wir mit den Proben für „Der Untertan“ von Heinrich Mann begonnen, die Bühne wird gebaut, Kostüme werden anprobiert, Perücken geknüpft und wir hoffen, dass unsere Premiere wie geplant Anfang Februar stattfinden darf. Für die aktuelle Kampagne „Stille“ des Theater Lübeck haben wir vom Schauspiel- und Musiktheater-Ensemble Zitate ausgewählt, die sich im weit gefassten Sinne mit Kunst, Kultur und Stille befassen, und die zusammen mit unseren Porträtfotos veröffentlicht werden. Ich habe mir dieses Zitat von Dietrich Bonhoeffer ausgesucht: „Wenn schon die Illusionen bei den Menschen eine so große Macht haben, dass sie das Leben in Gang halten können – wie groß ist dann erst die Macht, die eine begründete Hoffnung hat? Deshalb ist es keine Schande, zu hoffen, grenzenlos zu hoffen!“ Die Alina-Monologe Der ganz normale Wahnsinn – Theaterpremiere von „Vor Sonnenaufgang“ Shakespeare im LN-Online-Theater Mir war besonders wichtig, dass mein ausgewähltes Zitat eine Hoffnung transportiert, dass es Mut macht in diesen ungewissen Zeiten. Denn ja, wir wissen nicht, was kommt, und ja, es gibt genug Gründe, voller Sorge und Unbehagen in die Zukunft zu schauen. Es gibt aber auch mehr als genug Gründe, dankbar zu sein und voller Zuversicht zu hoffen. Ein Zitat aus der Bibel: Mir gibt in dieser Zeit besonders mein Glaube Fundament. Und da komme ich zu einem anderen Zitat, aus der Bibel, das ich ebenfalls vorgeschlagen hatte und das mir viel bedeutet: „Der Glaube ist der tragende Grund für das, was man hofft: Im Vertrauen zeigt sich jetzt schon, was man noch nicht sieht.“ Hebräer 11,1 In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund und hören Sie niemals auf zu hoffen, „grenzenlos zu hoffen“. Bis bald! Von Rachel Behringer