„This is Not a Love Song“ – ein Band von Oliver Zybok und Rosa Windt über Kunst und Musik

Im Hauptberuf ist Oliver Zybok Direktor der Lübecker Overbeck-Gesellschaft. Daneben ist er in einigen anderen Bereichen aktiv, unter anderem als Gastprofessor an der Kunstakademie Münster und beim Magazin „Kunstforum international“, für das er schon lange arbeitet. Mit seiner Frau Rosa Windt hat er den aktuellen Band 272 herausgegeben, der sich um das Verhältnis von Kunst und Musik dreht. „This is Not a Love Song“ ist er betitelt, benannt nach einem alten Song von PiL. „This ist Not a Love Song“, Kunstforum international, Band 272, hrsg. von Rosa Windt und Oliver Zybok, 336 Seiten, 19.90 Euro In seinen eigenen Beiträgen schlägt der promovierte Kunsthistoriker in drei Essays einen Bogen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Das reicht von den neuen Tönen Arnold Schönbergs bis zu den neuen Tönen des Hip-Hop, und er kommt unter anderem zu der Feststellung, dass es der Kunst und der Musik seit Beginn der Moderne neben dem Einreißen von Genregrenzen gerade auch um den „Abschied vom Zwang zur Virtuosität“ gegangen sei. Dazwischen liegen Wegmarken wie die Befreiung von der Tonalität in der Musik und vom Gegenständlichen in der Malerei sowie allerlei großartige Skandale. Es gab und gibt auch immer wieder Grenzgänger, die sich in beiden Genres bewegen. Der Wuppertaler Jazz-Erneuer Peter Brötzmann etwa, der als Kunststudent begonnen und mit der Malerei nie aufgehört hat. Der gebürtige Wuppertaler Zybok kennt ihn noch aus früheren Tagen und hat ihn auch zu „Machine Gun“ befragt, der legendären Klangdetonation von 1968. Von der sagt Brötzmann aber erstaunlicherweise, es sei „eigentlich ein ganz konservatives Stück“. Es habe einen Anfang, ein Ende, Struktur, sogar eine Art Thematik – „es ist kein riesen Free-Jazz-Stück, es ist ein ganz normales Werk“. Brötzmann erzählt im Gespräch auch vom Einfluss, den der Videokünstler Nam June Paik auf ihn gehabt hat. Er hat ihn als junger Assistent eines Wuppertaler Galeristen kennengelernt und über ihn wiederum Joseph Beuys, der in Düsseldorf an der Akademie lehrte, sich dort aber später wie seine Kollegen Blinky Palermo, Thomas Ruff oder Sigmar Polke auch im Ratinger Hof herumtrieb, einem deutschen Kristallisationspunkt von Punk, Wave und Underground. Betrieben wurde der Ratinger Hof eine Zeit lang von Carmen Knoebel, der Frau des Beuys-Schülers Imi Knoebel. So wie der Maler Martin Kippenberger auch eine Weile Geschäftsführer des SO36 war, dem Pendant des Ratinger Hofs in Berlin. Irgendwie, scheint es, hängt alles mit allem zusammen. Oliver Zybok hat auch Emil Schult interviewt, der bei Kraftwerk gespielt hat und unter anderem für das Cover und den Text von „Autobahn“ verantwortlich zeichnet. Die US-Künstlerin Laurie Andersen ist ebenfalls in der Musik und der bildenden Kunst zu Hause und bekennt sich im Gespräch mit Rosa Windt ausdrücklich zum Scheitern und Fehler machen. „Regeln zu brechen ist in dieser Hinsicht eine der wertvollsten Methoden“, sagt sie. In einem Band über Kunst und Musik darf Richard Wagner nicht fehlen. Christian Schwandt, ehemaliger Direktor des Theaters Lübeck und jetzt kaufmännischer Geschäftsführer des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin, kümmert sich darum und stellt unter anderem klar, dass Wagner mit dem Begriff Gesamtkunstwerk wenig anfangen konnte. Trotzdem waren später große Namen wie Günther Uecker und Neo Rauch für das Bühnenbild in Bayreuth verantwortlich. Zu Jonathan Meese, der beim „Parsifal“ auch noch Regie führen sollte, ist es auf dem Grünen Hügel dann doch nicht gekommen. Dafür hat er dann das Bühnenbild für eine Oper von Wolfgang Rihm bei den Salzburger Festspielen geschaffen. Max Dax, Journalist, Autor und Kurator der „Hyper!“-Ausstellung 2019 in den Hamburger Deichtorhallen, schreibt über das Schreiben über Musik. Der Kieler Journalist und Kunsthistoriker Jens Rönnau hat Manaf Halbouni interviewt, der im vergangenen Jahr in der Lübecker Kunsthalle St. Annen ausgestellt hat. Geplant war da ursprünglich auch, ein Flugzeug mit der Aufschrift „GO HOME“ vor dem Holstentor zu parken. Das hätte man gern gesehen. Was es damit auf sich hatte, kann man neben anderen Gesprächen, Essays und Ausstellungsrezension in dem Band nachlesen. Von Peter Intelmann