Weihnachten 2020: Warum wir nun mal still sein sollten

Wären wir jetzt nicht im Lockdown, wie hätte die Zeit vor dem Fest ausgesehen? Wir hätten Geschenke besorgt, wären mit Freunden über den Weihnachtsmarkt geschlendert und mit den Kindern Karussell gefahren. Wir hätten mit Kollegen eine Weihnachtsfeier zelebriert und mit der Familie organisiert, wer wen wann an den Feiertagen besucht, hätten Einkaufslisten abgearbeitet, Rotkohl eingekocht, Termine koordiniert und vielleicht noch eines der vielen Konzerte besucht, die gerade zu dieser Zeit erklingen. Wir hätten uns im Arm gelegen, das Jahr Revue passieren lassen und mit Glühwein angestoßen. So ungefähr. Oder auch so: Rolltreppe rauf, Rolltreppe runter. Wir wären an der Parkplatzsuche verzweifelt, hätten aufs Lenkrad gehauen. Uns durchs Gedränge gerempelt und geschoben und am Karussell die Beine in den Bauch gestanden. Beim dritten „Last Christmas“ aus den Kaufhauslautsprechern am liebsten geschrien und bei der Weihnachtsfeier möglicherweise nach dem sechsten Glas Wein dem Chef die Meinung gegeig So ungefähr, oder? Glühwein schmeckt vielen laut Umfrage nicht: Oder auch so: Rolltreppe rauf, Rolltreppe runter. Wir wären an der Parkplatzsuche verzweifelt, hätten aufs Lenkrad gehauen. Uns durchs Gedränge gerempelt und geschoben und am Karussell die Beine in den Bauch gestanden. Beim dritten „Last Christmas“ aus den Kaufhauslautsprechern am liebsten geschrien und bei der Weihnachtsfeier möglicherweise nach dem sechsten Glas Wein dem Chef die Meinung gegeigt. So ungefähr, oder? Und warum all der Stress im Dezember? Damit wir es in der Stillen Nacht richtig schön haben. Nur ist es an diesem Abend eigentlich nie still gewesen. Und in Wahrheit hat der Glühwein den Blick auf das Jahr oft auch nur vernebelt. Advents-Folklore – dabei ist dieses süßliche Getränk nicht mal beliebt. Mehr als 40 Prozent der Erwachsenen mögen Glühwein nicht – das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov Anfang Dezember hervor. Knapp 20 Prozent sagen, sie mögen das Heißgetränk nur so „mittel“. Also hängen wir unseren Unmut bitte nicht am verbotenen Glühweintrinken auf. Das eigentliche Problem ist: Wir können nicht still sein. Stille nicht mit Einsamkeit verwechseln: Dabei ist Stille auch ohne Weihnachten wichtig. Richtig gesund sogar, sagen Wissenschaftler. Schon zwei Minuten absolute Stille senken den Blutdruck und sind wohltuender als Entspannungsmusik. Bei täglicher Stille können neue Zellen in der Gehirnregion des Hippocampus wachsen, fanden US-Forscher 2015 der in einer Studie heraus – das ist der Bereich, der für das Gedächtnis und die Lernfähigkeit zuständig ist. Wer regelmäßige Ruhepausen einlegt, senkt damit das Risiko von Krankheiten wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Und auch bei stressbedingten Beschwerden wie Verdauungsstörungen, Rückenschmerzen und Schlafproblemen können Ruhephasen helfen. Lesen Sie auch Corona in Lübeck: Weihnachten wird still, aber nicht leise Corona in Lübeck: Die Regeln für Treffen in der Öffentlichkeit ab 21.12. Umfrage: Treffen Sie sich Weihnachten mit Ihrer Familie? Planen Sie für Silvester? Aber Achtung: Gemeint ist damit nur die selbst gewählte, bewusst gesuchte Stille – nicht zu verwechseln mit der Einsamkeit, die wiederum krank und depressiv macht. Das muss in diesem Zusammenhang erwähnt sein, gibt es doch gerade in diesem Jahr viele Menschen, die in Pflegeheimen oder zu Hause aus Angst vor Ansteckung vereinsamt sind, weil sie zum Beispiel nicht besucht werden durften, und die sich in ihrer persönlichen Stille wie in einem Gefängnis fühlen. Diese Corona-bedingte Stille kann krank machen, Ärzte sprechen von einer Zunahme depressiver Störungen. Aber wann und vor allem wo erfahren wir eigentlich noch bewusste Stille? Lautlos und ohne einen einzigen Mucks. Ohne Straßenlärm, Musik, Geplapper und was sonst noch in unsere Ohren dringt. Und selbst wenn es einmal mucksmäuschenstill ist, wie man so schön sagt . . . wie lange halten wir das aus, ohne den Fernseher anzuschalten oder zum Smartphone zu greifen? Bewusst runterfahren: Natürlich sind Pandemie, Maßnahmen und Lockdowns anstrengend, wenn sie seit Monaten unser Leben bestimmen. Was aber, wenn man der Stille, gerade in dieser Zeit, doch etwas abgewinnen kann? Weihnachten im ganz klassischen Sinne genießen, sich Ruhe gönnen und die Stille nicht erst dann wahrnehmen, wenn wir am Heilig Abend „Stille Nacht“ anstimmen. In einem sind Wissenschaftlicher sich einig: Wer sich regelmäßig und ganz bewusst eine Portion echte Stille gönnt, tut Körper und Geist etwas richtig Gutes. Und auch im Lockdown gibt es noch Möglichkeiten, die Akkus mal komplett runterzufahren. Hier einige Beispiele: Stille in der Kirche: Offizielle Gottesdienste sind in diesem Jahr zwar abgesagt oder stark reglementiert, aber die Gotteshäuser sind geöffnet. Man kann also auch abseits der bekannten Andachten in die Kirche, Abstand zu anderen Besuchern halten und den Moment der Stille ganz für sich allein genießen. Stille im Wald: Schon wie im ersten Lockdown im Frühjahr, bleibt der Wald auch im Winter ein schöner Zufluchtsort zum Abschalten und Luftholen. Wer dort die Stille genießt, kann sich vor allem den Naturgeräuschen hingeben, die man sonst kaum wahrnimmt. Blätterrascheln und Windgeflüster zum Beispiel. Stille am Meer: Der Weg zum Wasser ist nicht weit – und wer sich an die geltenden Abstandsregeln hält, macht nichts falsch, sich einen Moment ans Ufer zu setzen und den Wellen zuzuschauen. Stille am Baum: Die Ruhe, die so ein funkelnd schöner Weihnachtsbaum ausstrahlt, ist beinah magisch. Nehmen Sie sich bewusst Zeit, sich mal davor zu setzen und die Besinnlichkeit zu genießen, bevor die Geschenkeschlacht losgeht. Stille bei sich: Sie selbst kennen sich und ihren Rhythmus am besten und wissen, wann ein geeigneter Moment ist, um mal komplett auf Durchzug zu schalten. Alle Geräte aus, Augen zu und mal für ein paar Minuten das Nichts auf sich wirken lassen. Können wir diesem so schwierigen Jahr voll explodierender RKI-Statistiken und daraus ergriffenen Einschränkungen doch etwas Gutes anrechnen? Die Ruhe nämlich, die sich aus den Maßnahmen ergibt? Ja. Jetzt mal Ruhe bitte! Das ist nicht nur dringend erforderlich, um die Infektionen zu stoppen – das ist auch einen Versuch wert, sich mal wirklich zu besinnen in dieser Zeit. In Friedrich Nietzsches Werk „Also sprach Zarathustra“ heißt es beispielsweise: „Die größten Ereignisse – das sind nicht unsre lautesten, sondern unsre stillsten Stunden.“ In diesem Sinne: Probieren Sie es mal mit bewusster Stille und genießen Sie sie in vollen Zügen. Für Ihre Gesundheit – und durch den Rückzug – auch für die Gesundheit der anderen. Denn wenn wir etwas in diesem Jahr gelernt haben, dann nun wirklich, dass Gesundheit das Allerwichtigste im Leben ist. Glühwein hin oder her. Von Schabnam Tafazoli