Neues Buch: Zu Hause bei Helmut und Loki Schmidt

Als man sich zur letzten Besichtigungsrunde für das Haus von Helmut und Loki Schmidt anmelden konnte, hatte die Internetseite etwa 7000 Aufrufe. Das ist eine ganze Menge für nur 72 Plätze pro Quartal. Zurzeit sind die Führungen bis Februar eingestellt, ein Virus hat etwas dagegen. Aber es gibt ein Buch über das Haus und das, was sich darin findet. Jetzt wurde es vor Ort vorgestellt. Bar im Erdgeschoss: 1961 sind Helmut und Loki Schmidt am Neubergerweg 80 eingezogen. Ein Neubau der gewerkschaftseigenen Neuen Heimat mit einem Haus für Schmidts Eltern im Anschluss, in Langenhorn gelegen und reichlich unspektakulär. Etwa 50 Jahre haben sie hier zusammen gewohnt und den Klinkerbau, der etwas abseits der Straße liegt, über die Zeit zu einer historischen Stätte werden lassen. Zu einem Denkmal des Sachlichen und Bescheidenen mit offenem Wohnbereich, kleinen Räumen, kleiner Küche und einer Kellerbar, die wider alle Legenden keine Kellerbar ist, sondern sich neben Wohn- und Esszimmer im Erdgeschoss befindet. „Zuhause bei Loki und Helmut Schmidt“ ist im Verlag Edel Books erschienen und wurde von der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung herausgegeben. Es hat 224 Seiten und kostet 22 Euro. Am 4. Oktober wird im Ernst-Barlach-Haus im Hamburger Jenischpark die Ausstellung „Kanzlers Kunst – Die Sammlung Helmut und Loki Schmidt“ eröffnet. Es ist das erste Mal, dass die Bilder und Skulpturen des Paares in einem Museum gezeigt werden. Dazu erscheint im Oktober im Verlag Dölling und Galitz das Buch „Kanzlers Kunst“ (216 Seiten, 34 Euro). Am 10. November, dem fünften Todestag Helmut Schmidts, wird die neue Ausstellung in den Räumen der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung in der Hamburger Innenstadt (Kattrepel 10) eröffnet. 6300 Gegenstände aus dem Haus sind inventarisiert und in einer Datenbank gespeichert worden, sagte Ulfert Kaphengst, Sprecher der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung. Da sind die Bücher noch gar nicht dabei. Und das sind mehr als zehntausend, sagte der Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer der Stiftung, Meik Woyke – von der mehrbändigen „Colliers’s Encyclopedia“ über meterweise Kunstbände bis zum „Bilderbuch vom Tabak und den Freuden des Rauchens“. Beim Bau des Hauses sei schon klar gewesen, dass in Helmut Schmidts kleinem Arbeitszimmer oben im ersten Stock an allen Wänden Regale mit Büchern stehen sollten. Und die wurden nach Kräften mit Anmerkungen versehen und durchgearbeitet. Fotos im Schwimmbad: Der Hamburger Fotograf Michael Zapf hat die Objekte im Haus abgelichtet, vom Karnevalsorden bis zur Barlach-Skulptur und dem Kanzler-Porträt von Bernhard Heisig. Drei Wochen hatte er sein Atelier im ehemaligen Schwimmbad des Hauses aufgeschlagen, mit weißen Baumwollhandschuhen die Dinge aus den Schränken, Regalen und Vitrinen genommen und sie nach der Aufnahme zurück an ihren Platz gestellt. Es sei schon eine ganz besondere Atmosphäre in diesen Räumen, sagte er. Eine Mischung aus Nahbarkeit, Erdung, Intellektualität und Weltpolitik. Am besten habe ihm das Arbeitszimmer des früheren Kanzlers gefallen. Das sei „Helmut Schmidt extrem komprimiert“ und zeige, welch „ungeheuren Bildungsgrad“ der besessen habe. Und manchmal, wenn er etwa Geschirr aus dem Schrank genommen habe, sei ihm gewesen, als habe da jemand hinter ihm gestanden und gesagt: „Dürfen Sie das überhaupt?“ US-Präsident hat in Langenhorn übernachtet: Es gibt viel zu sehen auf den 224 Seiten. Neben Plänen vom Haus und erläuternden Texten sind das historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Bilder der Räume, Fotos mit Personen der Weltpolitik wie Leonid Breschnew, Willy Brandt, Giulio Andreotti oder Valery Giscard D’Estaing. Der hat dort übrigens genauso übernachtet wie – zum Entsetzen seiner Sicherheitskräfte – US-Präsident Gerald Ford. Man sieht den überaus talentierten Selbstinszenierer Schmidt beim Rasenmähen, Orgel spielen oder beim Schach mit seiner Frau. Man sieht Erlesenes wie eine Flasche Weinbrand von 1918, ein Geschenk des Freundes Giscard. Man sieht Bewegendes wie ein kleines selbst gebasteltes Schachbrett samt Figuren, ein Überbleibsel aus der Kriegsgefangenschaft, das einen zentralen Platz in der Vitrine hatte. Handkreisel und KiWi: Man sieht aber auch allerhand Kitsch und Krempel wie eine Tafel mit Seemannsknoten, überreicht von den Genossen beim SPD-Parteitag 1977. Oder einen kleinen Handkreisel, bei dem ein Weihnachtsmann auftaucht, wenn der Tannenbaum rotiert. Und man sieht KiWi, ein Stofftier vom Gymnasium Kirchdorf/Wilhelmsburg, das 2002 in Helmut-Schmidt-Gymnasium umgetauft wurde. Die Schüler waren völlig aus dem Häuschen, als sie es beim Besuch im Haus entdeckten. Auch Objekte aus dem Archiv im Gebäude nebenan finden im Buch ihren Platz. Es wurde 2006/07 auf einem angekauften Nachbargrundstück errichtet, gehört zur Helmut-und-Loki-Schmidt-Stiftung und beherbergt die persönlichen Nachlässe der Schmidts sowie von Willi Berkhan, dem SPD-Politiker und engen Freund des Paares. Dort lagert unter anderem ein 87-seitiges Manuskript, das Helmut Schmidt 1974 im Osterurlaub geschrieben hat, per Hand, erst mit grünem Filzstift, dann mit blauem, später mit Kugelschreiber und schließlich mit Rot korrigiert. „Bemerkungen zu Möglichkeiten und Grenzen unserer ökonomischen Politik“ sind die angegilbten Blätter betitelt. „Im Grunde eine Vorwegnahme der G7 von heute“, sagt die Archivarin Karin Ellermann. Wenig später trat Willy Brandt zurück, und Schmidt übernahm die bundesdeutschen Geschäfte. Auch Terminkalender Helmut Schmidts zählen zu den Beständen, schwarz, mit goldenem Wappen und goldenem „Der Bundeskanzler“-Schriftzug. Drei Stück pro Jahr wurden geführt, teils hat er Termine selbst eingetragen. Im Archiv lagern auch etwa 300 Fotoalben mit persönlichen, später immer mehr Presseaufnahmen, ebenso die privaten Korrespondenzen der Schmidts. Und die seien fleißige Briefeschreiber gewesen, sagt die Archivarin. Es gebe für die nächsten Jahre reichlich zu tun. Lesen Sie auch Kanzlers Kunst: Bilder von Helmut und Loki Schmidt sind ab Herbst in Hamburg zu sehen Hamburg: Ein Museum für Altkanzler Helmut Schmidt Seltener Einblick: Haus von Helmut und Loki Schmidt für Besucher geöffnet Von Peter Intelmann

Zuhause bei Loki und Helmut Schmidt - neues Buch über das Kanzlerehepaar