LaBrassBanda-Sänger Stefan Dettl im Interview: "Jedes Konzert ist ein Geschenk“

Frühere Platten der bayrischen Weltmusiker heißen „Übersee“, „Europa“ oder zuletzt 2017 „Around The World“. Für ihr neues Album „Danzn“, das wirklich sehr, sehr funky und energietrunken klingt, sind die Oberbayern aus dem Chiemgau zumindest inhaltlich in die Heimat zurückgekehrt. Wir unterhielten uns mit Sänger und Trompeter Stefan Dettl (39). Stefan, LaBrassBanda steht für ausgelassene und mitreißende Livekonzerte. Macht es dich nicht ganz verrückt, seit Monaten nicht auf die Bühne zu dürfen? Ich nehme das hin. Jedes Konzert ist ein Geschenk. Bis wir wieder raus dürfen, üben wir halt die Lieder oder schreiben neue. Ich fühle mich bei unseren Politikern in Deutschland sehr gut aufgehoben. Wenn sie sagen „Jetzt könnt ihr wieder Konzerte spielen“, dann werde ich mich freuen. Aber es dauert eben so lange, wie es dauert. „Danzn“ ist ein passender Name für das neue Album. Was macht ein gutes Tanzlied aus? Der Beat. Wir haben die Tanzmusik aus Bayern in den letzten zehn, zwölf Jahren in die Welt hinausgetragen, und wir haben genauso überall auf der Welt Ideen eingesammelt und aufgegriffen, die wir in unsere Lieder mit hineinnehmen und mit unserem Lebensgefühl vermischen. Ich finde es immer noch cool, dass wir nicht so klingen wie die ganzen anderen Bands im Radio. „Leute, schaut euch die Welt an!“: „Türkisch“ zum Beispiel ist von Balkan-Beats inspiriert. Ja. Ich mag das Land sehr. Ich möchte die Türkei gern noch viel besser kennenlernen, aber nicht als Tourist, sondern so richtig mit der ganzen Kultur und Religion. Ich habe viele türkische Freunde, und es interessiert mich, was sich da noch entdecken lässt. Überhaupt, diese ganze Ecke hat es mir angetan. Als ich anfing, Blechbläserkonzerte zu spielen, meinten einige „Hey, du musst aus Bosnien sein.“ Ich finde es richtig schön, Vorurteile abzubauen und auch selbst durchs Musikmachen seine Vorurteile zu verlieren. Hattest du früher selbst Vorurteile? Ich bin als eher konservativer, etwas zurückhaltender Typ aufgewachsen. In der Schule war ich ziemlich ängstlich. Durch meine Erlebnisse und Abenteuer als Musiker und durch die vielen Begegnungen mit Menschen aus allen erdenklichen Kulturkreisen habe ich eine ganz andere Weltoffenheit gekriegt. Ich denke, viele Leute, die Ängste haben oder gar Ängste schüren, die hatten einfach noch nicht die Möglichkeit, sich mit Menschen aus anderen Kulturen auszutauschen. Deshalb ist mir sehr wichtig zu sagen: Leute, schaut euch die Welt an, erweitert euren Horizont. Aufgeschlossenheit und Neugier sind die besten Mittel gegen Engstirnigkeit. „Außerhalb von Bayern interessiert es keinen, wo wir herkommen“: Ihr habt auf der ganzen Welt gespielt. Wie wichtig ist den Zuhörern im Ausland eure bayrische Herkunft? Außerhalb von Bayern interessiert es tatsächlich keinen Menschen, wo wir herkommen, wie wir ausschauen und warum wir in Lederhosen spielen. Das ist einfach so. Ich finde es schön, sich nicht erklären zu müssen, sondern so zu sein, wie man möchte. Amerikanische Country-Musiker werden ja auch nicht gefragt, warum sie Cowboyhüte aufhaben. Vor einiger Zeit spielten wir auf einem Festival in Australien, dort haben die Leute natürlich auch nichts von unseren Texten verstanden, und einer hat dann gefragt, aus welcher Region Australiens wir denn eigentlich kämen, der Dialekt sei voll krass. Ich will damit sagen: Sprache ist nebensächlich. Das Miteinander beim Konzert und beim Musikhören ist das Entscheidende. Ein simpler Titel als Programm: „Danzn“, also zu Hochdeutsch „Tanzen“, heißt das neue Album der Chiemsee-Band LaBrassBanda, das am Freitag erscheint. Von Seventies-Soul über Discobeats bis zu Ska, Reggae und Hip-Hop-Elemente – wie gewohnt fassen die Musiker aus Oberbayern auf dem Album alles an, was ihnen an Rhythmus unterkommt. Gerne täuschen ein oder zwei Bläser zu Beginn der Lieder Gemütlichkeit vor, bevor die schnellen Rhythmen übernehmen. Auch vor Techno machen die Jungs, die am liebsten in Lederhosen und barfuß auf die Bühne gehen, nicht Halt. Live sind LaBrassBanda am 10. Dezember in der Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg zu erleben. Das Mikro in die Landschaft halten: Die Songtexte auf „Danzn“ sind vielfach in der Heimat und insbesondere in der Natur angesiedelt. In „Bach“ sitzt du auf einer Wiese und bestaunst die Blumen, insgesamt ist die Grundstimmung der Lieder, bei allem musikalischem Dampf, eine eher beschauliche und entspannte. Woran liegt das? Beruflich genieße ich andere Länder und Kulturen, aber privat verreise ich gar nicht. Ich lebe auf einem alten, etwas heruntergekommenen Hof fern von der Großstadt, zusammen mit sechs Schafen und Kater Beppo. Jedes Mal, wenn ich wieder heimkomme, sehe ich die Heimat in einem anderen Licht und schätze sie umso mehr. Ich möchte sowieso mit der Natur noch mehr im Einklang leben, und manche Sachen, die unsinnig sind und ihr schaden, einfach nicht mehr machen. Ich will der Natur die Führung überlassen und als Mensch ein Teil von ihr sein. Und nicht der Natur noch mehr meinen Stempel aufdrücken. Das etwas vom Hip-Hop inspirierte „Bach“ klingt, als hättet ihr eure Mikros einfach in die Landschaft gehalten? Das haben wir auch. Die Geräusche in „Bach“ sind zum Teil synthetisch und zum Teil echt. Wir haben einen Specht aufgenommen, Grillen und natürlich einen Bach als solchen. Wir probieren immer gerne viel aus, sogar Landmaschinen hört man auf dem Album. Was ist das Besondere an deinem Hof? Dass er so alt ist und so unordentlich und so kaputt, aber auch so charmant. Es gibt Menschen, die sagen „Ich ziehe jetzt da ein und renoviere dann mein Leben lang.“ Für dieses Lebensgefühl bin ich genau der Typ. Alte Höfe herrichten ist auch ein bisschen in Mode gekommen, oder? Ja, wenn man so will, lebe ich in Einklang mit dem Zeitgeist. Als studierter Musiker habe ich ja nicht so schrecklich viel Ahnung vom Leben auf dem Hof, oft geht mir hier auch irgendwas kaputt, und wenn ich einen Baum fälle, dann fällt er nie in die Richtung, in die er soll. Egal, manchmal funktioniert aber auch was. Zuletzt habe ich für meine Schafe einen kleinen Stall gebaut, und der steht immer noch. So klingt der BrassBanda-Beat frisch vom Hof: Was ist das Besondere an deinem Hof? Dass er so alt ist und so unordentlich und so kaputt, aber auch so charmant. Es gibt Menschen, die sagen „Ich ziehe jetzt da ein und renoviere dann mein Leben lang.“ Für dieses Lebensgefühl bin ich genau der Typ. Alte Höfe herrichten ist auch ein bisschen in Mode gekommen, oder? Ja, wenn man so will, lebe ich in Einklang mit dem Zeitgeist. Als studierter Musiker habe ich ja nicht so schrecklich viel Ahnung vom Leben auf dem Hof, oft geht mir hier auch irgendwas kaputt, und wenn ich einen Baum fälle, dann fällt er nie in die Richtung, in die er soll. Egal, manchmal funktioniert aber auch was. Zuletzt habe ich für meine Schafe einen kleinen Stall gebaut, und der steht immer noch. Und der Wolf? Haben wir Gott sei Dank hier nicht. Sind die Helden eurer Lieder wie der „Discobauer“ oder „DaOideMo“ (hochdeutsch: Der alte Mann) Figuren aus deinem Umfeld? „DaOideMo“ ist der skurrile, knorrige Typ, den es in jedem Dorf gibt. Genau diese Typen machen oft gute Sachen und kümmern sich. Sie sind Außenseiter, aber prägen trotzdem die Gemeinschaft. Und Discobauern kenne ich viele. Das sind Bauern, oder auch Bäuerinnen, die die Natur wertschätzen, leidenschaftlich ihr Ding machen, lässig sind, auch weltoffen und so ein bisschen anarchische Züge haben. Halt so wie wir. Von Steffen Rüth