15-Kilometer-Radius: Diese 12 Ausnahmen sind in Schleswig-Holstein erlaubt

Kaum eine Maßnahme aus dem Katalog der Corona-Beschränkungen wird so viel diskutiert wie die 15-Kilometer-Regel: Kreise oder kreisfreie Städte mit hohen Infektionszahlen sollen mit der Begrenzung des Bewegungsradius die Inzidenzwerte wieder unter 200 drücken. In Schleswig-Holstein nähert sich der Kreis Pinneberg der kritischen 200er-Marke. Erlass für Hotspots mit Inzidenzwerten über 200: Mit einem Erlass hat die Landesregierung von Schleswig-Holstein festgelegt, wie bei Hotspots mit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen zu verfahren ist. Erst wenn der Inzidenzwert mehrere Tage über 200 liegt und weiter zu steigen droht, soll die 15-Kilometer-Beschränkung eingeführt werden – immer in Absprache mit dem Gesundheitsministerium. Das Land hat zwölf triftige Gründe festgelegt, die in einem solchen Fall eine weitere Entfernung vom Wohnort erlauben. Die zwölf Ausnahmen von der 15-Kilometer-Regel: Die Gründe, die eine weitere Entfernung erforderlich machen können, sind laut dem Erlass vom 8. Januar: 1. die Ausübung beruflicher, geschäftlicher oder dienstlicher Tätigkeiten, 2. der Besuch von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sowie Angeboten zur Teilhabe am Arbeitsleben, die Teilnahme an Prüfungen und nicht aufschiebbare Behördengänge, 3. die Inanspruchnahme medizinischer, pflegerischer und veterinärmedizinischer Versorgungsleistungen, der Besuch bei Angehörigen therapeutischer Berufe sowie Blutspenden, Auch der Besuch engster Angehöriger ist eine Ausnahme: 4. der Besuch bei Mitgliedern des engsten Familienkreises, 5. die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts, 6. die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen, 7. die Begleitung Sterbender sowie die Teilnahme an Beerdigungen im engsten Familien- und Freundeskreis, Die Versorgung von Tieren soll nicht gefährdet werden: 8. die Versorgung von Tieren, die außerhalb dieses Radius stehen oder eine Bewegung außerhalb dieses Radius zwingend benötigen, 9. die Teilnahme an rituellen Veranstaltungen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie an Versammlungen, 10. die Teilnahme an Veranstaltungen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Rechtspflege, der Beratung von Organen öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder der Besuch von Anstalten und Stiftungen oder der Daseinsfür- und -vorsorge zu dienen bestimmt sind; dies betrifft insbesondere Veranstaltungen und Sitzungen der Organe, Organteile und sonstigen Gremien der gesetzgebenden, vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt sowie Einrichtungen des Selbstorganisationsrechtes des Volkes wie Gemeindewahlausschüsse, 11. die Teilnahme an unaufschiebbaren Veranstaltungen von Parteien und Wählergruppen zur Aufstellung ihrer Bewerberinnen und Bewerber nach den jeweiligen Wahlgesetzen für unmittelbar bevorstehende Wahlen, 12. aus ähnlich gewichtigen und unabweisbaren Gründen. Die 15 Kilometer werden von der Gemeindegrenze gemessen: Klargestellt hat das Gesundheitsministerium auch, wo welchem Punkt an die 15 Kilometer gemessen werden sollen: Es geht um ein Entfernen von der Grenze der Wohnsitzgemeinde. Es ist also nicht ein 15-Kilometer-Radius rund um das eigene Haus zu ziehen, sondern eine Umrahmung der Ortsumrisse um 15 Kilometer. So ist klargestellt, dass Einwohner der Lübecker Altstadt in den weiter entfernten Stadtteil Travemünde dürften und umgekehrt. Auch eine Fahrt nach Scharbeutz wäre bei Einführung der 15-Kilometer-Regel für alle Lübecker erlaubt, obwohl das Ostseebad 19 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt – aber eben nur 12 Kilometer von Travemünde entfernt. Inzidenz von 260 in Eckernförde, trotzdem keine 15-km-Regel: Hotspot Eckernförde: In der Hafenstadt an der Ostsee liegt der Inzidenzwert seit mehreren Tagen deutlich über 200, zum Teil sogar bei 260. Dennoch kommt es dort nicht zu einer Einführung der 15-Kilometer-Regel, und das aus zwei Gründen: Zum einen sind für diese Schwellenwerte die Inzidenzen des gesamten Kreises maßgeblich. Diese liegt beim Kreis Rendsburg-Eckernförde deutlich niedriger, das Robert-Koch-Institut gibt am Donnerstag einen Wert von 56,2 an. Zum anderen ist die Einschränkung des Bewegungsradius nur dann vorgesehen, wenn das Coronavirus in einem Gebiet in der ganzen Bevölkerung zirkuliert. In Eckernförde ist aber der Ausbruch der letzten Tage auf Ansteckungen in „wenigen großen Familienverbände begrenzt und unter guter Beobachtung“, sagt Bürgermeister Jörg Sibbel. Die Infektionen seien nicht übers Stadtgebiet verteilt. Pinneberg bei Inzidenz 177: Austausch mit Ministerium in Kiel: Die Landesregierung beobachte das Infektionsgeschehen aufmerksam und ist mit Kreisen und kreisfreien Städten im Austausch. Derzeit gebe es keine konkreten Gespräche über die Einführung des 15-Kilometer-Radius, sagt Ministeriumssprecher Marius Livschütz. Im Kreis Pinneberg ist der Inzidenzwert am Donnerstag auf 177 gesprungen, nähert sich also der Schwelle von 200 Neuansteckungen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Doch weder dort noch in einer anderen Region Schleswig-Holsteins steht diese erhebliche Grundrechtseinschränkung in den nächsten Tagen bevor. „Das ist im Moment nicht der Fall“, sagt Livschütz. Lesen Sie auch Schleswig-Holstein: Senioren bekommen Impf-Einladung jetzt per Post Corona-Fälle in Schleswig-Holstein: 484 Neuinfektionen am Dienstag gemeldet SH: Friseure im Lockdown - zum illegalen Haareschneiden gezwungen? 15-Kilometer-Regel würde zwei Grundrechte einschränken: Die Anordnung, sich nicht mehr als 15 Kilometer vom eigenen Wohnort zu entfernen, würde das Grundrecht auf Freizügigkeit erheblich einschränken: „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet“ (Grundgesetz Artikel 11). In Absatz 2 ist allerdings schon der Hinweis auf die Ausnahme enthalten, dass es „zur Bekämpfung von Seuchengefahr (...) notwendig ist“. Auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit (GG Artikel 2) kann durch die 15-Kilometer-Regel beschränkt werden. Die Kontrolle dürfte schwierig sein, sagt Uwe Volkmann, Verfassungsrechtler und Professor an der Frankfurter Goethe-Universität, in einem Interview mit der Hessenschau: Man könnte wohl „kaum Straßensperren oder allgemeine Kontrollstellen einrichten“. Von Lars Fetköter