AKW-Bauschutt nach Lübeck? Viel Gegenwind für Minister

„Wir können die Energiewende nur mit den Menschen schaffen, nicht gegen sie“, sagt Christian Dirschauer, umweltpolitischer Sprecher des SSW im Landtag. Mit seinen Zuweisungsplänen verspiele Albrecht die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Dieser plant die Zwangsdeponierung von freigemessenem, also nicht-radioaktivem Bauschutt aus dem Atomkraftwerk Brunsbüttel auf Deponien in Schleswig-Holstein. 250 Tonnen Schutt sollen offenbar auf die Deponie Lübeck-Niemark gebracht werden – obwohl die Lübecker Bürgerschaft die Aufnahme von Abrissschutt aus Atomkraftwerken abgelehnt hatte. SSW kritisiert „grüne Regulierungswut“: Dabei gibt es aus Sicht des SSW gar keinen Bedarf für die „grüne Regulierungswut“. Der Bauschutt müsse dort entsorgt werden, wo er anfalle, meint Dirschauer. Entsorgungspflichtig sei nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz der Kraftwerksbetreiber. Und annahmepflichtig sei der Entsorgungsträger im entsprechenden Landkreis. „Und das macht auch Sinn. Die Standortkommunen haben schließlich jahrzehntelang gutes Geld mit den AKW verdient.“ Wenn die Deponien vor Ort nicht für die Annahme geeignet seien, müssten sie entsprechend umgerüstet werden, fordert er. Lesen Sie auch: Was Lübecker Politiker dazu sagen „Es ist eigentlich nicht Aufgabe des Landes, eine spezielle Deponie dafür festzulegen, sondern Aufgabe des Unternehmens und der kommunalen Ebene“, betont Bernd Voß für die Landtags-Grünen. Er verweist auf einen Landtagsbeschluss vom März 2020. Danach werden auch einzelne Zuweisungen als „das erforderliche und angemessene Instrument“ gesehen, um „unter Wahrung der Schutzinteressen der betroffenen Menschen den Atomausstieg und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen in Schleswig-Holstein verantwortungsbewusst umzusetzen“. Die CDU-Fraktion sieht in dem Vorstoß von Minister Albrecht „verantwortliche Politik, den anfallenden Abfall sachgerecht aufzuarbeiten oder zu deponieren“. „Dieser Schritt macht deutlich, dass wir Ernst machen mit Atom-Ausstieg und Rückbau“, betont der Umwelt-Sprecher Heiner Rickers. SPD rechnet mit Protesten in Lübeck: Auch von der FDP kommt Kritik. „Gerade bei einem so sensiblen Thema ist es wichtig, dass die Menschen vor Ort in Entscheidungen mit einbezogen werden“, erklärt Oliver Kumbartzky, Vorsitzender des Umweltausschusses. Die Bedenken der Menschen könne man nur durch transparente Aufklärung zerstreuen – nicht indem man sie vor den Kopf stoße. Aus Sicht der SPD hat der Umweltminister versagt. „Wer droht, befindet sich am Ende der konstruktiven Diskussion“, kritisiert der Landtagsabgeordnete Stefan Weber. Jetzt seien örtliche Proteste zu erwarten. Die Stadt Lübeck äußerte sich vorsichtig. „Es ist nachvollziehbar, dass das Land Schleswig-Holstein das Problem, einen Standort für die Lagerung der freizumessenden Abfälle im Land zu finden, lösen muss“, sagt Stadtsprecher Hansjörg Wittern. „Aber keinesfalls nur auf dem Boden der Hansestadt Lübeck.“ Man warte auf einen offiziellen Bescheid des Ministeriums. Dieser solle dann rechtlich bewertet werden, insbesondere die zu regelnden Sicherheitsvorkehrungen. Auch Wiershop nimmt AKW-Abfall: Das Umweltministerium beteuerte am Mittwoch, es gebe keine Vorfestlegung auf den Standort Lübeck. „Gleichwohl ist die Deponie Niemark grundsätzlich geeignet, um zumindest einen Teil der Abfälle aufzunehmen“, erklärte der Minister. Die notwendigen Prüfungen für eine rechtssichere Zuweisung seien noch nicht abgeschlossen, sie würden sich aber grundsätzlich auch auf die anderen geeigneten Standorte beziehen. Das sind neben Lübeck-Niemark noch Wiershop bei Geesthacht (Herzogtum Lauenburg), Johannistal nördlich von Oldenburg (Ostholstein) und Harrislee (Schleswig-Flensburg). Mit Blick auf zukünftige Abfallchargen sei davon auszugehen, dass mehrere Standorte Abfälle nehmen, so Albrecht. Die Gemeinde Wiershop hatte sich bereit erklärt, 700 Tonnen Mineralwolle-Abfälle aus dem Rückbau des Kernkraftwerkes anzunehmen. 50 000 Tonnen Bauschutt fallen an: 2022 geht das letzte AKW im Land vom Netz. Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel stehen in Landkreisen ohne eigene Deponie. Beim Rückbau der drei schleswig-holsteinischen Meiler fallen rund 50 000 Tonnen Bauschutt an. Es geht um nicht zusätzlich belastete Abfälle wie etwa Türen, Mauern, Treppen oder Lampen. Nach Einschätzung Albrechts besteht kein gesundheitliches Risiko für Anwohner oder Deponie, weil die AKW-Abfälle (bis zu zehn Mikrosievert) deutlich geringer strahlen als die natürliche Umwelt (mehr als 2000 Mikrosievert). Lesen Sie auch Von innen nach außen: So soll das AKW Brunsbüttel abgerissen werden Kernkraftwerk Brokdorf wird stillgelegt und abgerissen Roboter zerlegt Reaktorteile im stillgelegten AKW Brunsbütte Von Julia Paulat