Ältestenrat-Affäre: Ralf Stegner gibt eidesstattliche Versicherung ab

In der Affäre um einen Geheimnisverrat aus dem Ältestenrat des Landtags erhöht SPD-Oppositionsführer Ralf Stegner den Druck auf CDU-Landtagspräsident Klaus Schlie. Stegner will jetzt eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass er das brisante Dokument nicht an einen Radiosender durchgestochen hat – und legt das auch allen anderen durch ein Gutachten in Verdacht geratenen Personen im Landtag nahe. Ein NDR-Bericht trat die Affäre los: Es geht um eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die SPD-Politikerin und Bürger- und Polizeibeauftragte Samiah El Samadoni. Am 7. Mai war sie beim Landtagspräsidenten eingegangen. Am 11. Mai berichtete der NDR darüber. Samadoni schaltete das Landesdatenschutzzentrum ULD ein. Datenschützer untersuchten die Bilder und Dokumente: Die ULD-Experten verglichen die Bilder des Dokuments, die das NDR-Fernsehen gezeigt hatte, mit Originalen. Dabei fanden sie heraus, dass das Exemplar des Senders keinerlei Spuren von Bearbeitungsvermerken trägt, wie sie auf jenen Exemplaren zu finden sind, die die Vizepräsidenten und Fraktionschefs als Mitglieder des Ältestenrats bekamen. Das NDR-Exemplar müsse also früher weitergegeben worden sein, urteilen die Experten. Damit müsse das Papier direkt aus der Landtagsverwaltung, also dem Büro und engsten Umfeld von Landtagspräsident Klaus Schlie an den NDR herausgegeben worden sein, sagt Samadonis Anwalt Gerhard Strate. Dazu zählen laut Organigramm des Landtags fünf Personen, Mitarbeiter und Bürokräfte. Schlie: „Falsche Schlussfolgerungen“: Schlie selber weist die Vorwürfe zurück und spricht von „falschen Schlussfolgerungen“. Er vermutet den Verantwortlichen offenbar weiterhin anderswo im Ältestenrat. Angesichts solcher „pauschalen Vorwürfe des Landtagspräsidenten gegen den Ältestenrat werde ich eine eidesstattliche Erklärung abgeben, das Dokument über die Polizeibeauftragte weder persönlich an einen Radiosender weitergegeben, noch dies veranlasst zu haben“, erklärt Ralf Stegner nun. Stegner will „die Wahrheitsliebe befördern“: Man müsse mit solchen Instrumenten ganz sicher sehr sparsam umgehen, „aber vielleicht ist das in dieser besonderen Situation nach dem Gutachten des ULD erforderlich, um die Wahrheitsliebe zu befördern und den Sachverhalt aufzuklären“, sagt Stegner. Am Ende gehe es schließlich um nicht weniger als das „Vertrauen in unsere Institutionen“. Angesicht der gutachterlichen Feststellung, dass das Dokument höchstwahrscheinlich durchgestochen wurde, bevor es den Ältestenrat erreicht hat, müsse jetzt zudem „jeder selbst beurteilen, wo der eigentliche Erklärungsbedarf liegt“, sagt Stegner. CDU und FDP lehnen eidesstattliche Versicherung ab: Bei der Union hält man das nicht für notwendig – weil „der Umschlag in der CDU-Fraktion erst nach dem fraglichen Wochenende geöffnet“ wurde, wie Fraktionschef Tobias Koch am Freitag versicherte. Bei der FDP, deren Fraktionschef Christopher Vogt schon vor dem fraglichen Wochenende hineinsah, sieht man allerdings auch keinen Handlungsbedarf – weil eine solche Versicherung „keine rechtliche Relevanz hätte“, so Vogt. Die Staatsanwaltschaft Kiel werde „nun hoffentlich für Aufklärung sorgen können“. Grüne fürchten um Bild der Politik in der Öffentlichkeit: Für die Grünen sitzen Fraktionschefin Eka von Kalben und Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré im Ältestenrat. Sie weichen der Frage nach einer eidesstattlichen Versicherung aus. „Das öffentliche Gezanke hilft nicht, die politische Atmosphäre zu befrieden und wirft ein schlechtes Bild auf die Politik und die politischen Institutionen“, sagen sie auf Anfrage nur. Datenschützer empfehlen weitere Untersuchungen: Schlie hatte das Gutachten, dass das ULD ihm am 3. September zuschickte, tatsächlich erst am Mittwochnachmittag an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die Datenschützer empfehlen darin bereits weitere Ermittlungen, zu denen sie allerdings selber nicht befugt seien. So könnten die Kopierer in der Landtagsverwaltung untersucht werden. Sollte darauf für den NDR eine Kopie des Dokuments gemacht worden sein, könnte das auf dem Gerät Datenspuren hinterlassen haben. Damit ließe sich mindestens der Kreis der für den Geheimnisverrat infrage kommenden Personen weiter einschränken, heißt es. Verdächtigt Schlie Ralf Stegner der Durchstecherei? Klaus Schlie selber ging am Freitag auch mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit. Er selbst wäre, „wenn nötig“, ebenfalls zu einer eidesstattlichen Versicherung bereit, „wir sollten aber das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch abwarten“. Allerdings sollte die Versicherung dann für alle Fälle von Durchstechereien aus dem Ältestenrat gelten, für die der Landtagspräsident offenbar Stegner verantwortlich macht. Es sei jedenfalls „schon sehr auffällig, dass Herr Dr. Stegner, wie er heute Vormittag bekannt gab, nur in diesem einen Fall eine eidesstattliche Erklärung abgeben will. Und das, wo doch seit Monaten und Jahren verschiedene Fälle des Durchstechens von Unterlagen und Informationen aus dem Ältestenrat in Rede stehen. Aber vielleicht überlegt er es sich mit Blick darauf ja lieber noch mal anders“, schreibt Schlie. Stegner weist diese Anschuldigungen zurück. Schlie wolle jetzt offenbar auch noch „eine Schlammschlacht“ lostreten, sagt der SPD-Politiker. Womöglich prüfen Kriminaltechniker jetzt den Fall: Die Staatsanwaltschaft Kiel hat derweil ihre Untersuchungen aufgenommen – eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats hatte Schlie in der Sache selber schon im Mai erstattet. „Wir prüfen jetzt das, was das ULD zusammengetragen hat“, sagt Oberstaatsanwalt Henning Hadeler. Gegebenenfalls werde es dann noch eigene Untersuchungen durch Kriminaltechniker geben. Danach werde entschieden, ob es „Nachfragebedarf“ gebe. Das alles werde aber seine Zeit dauern, sagt Hadeler. „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.“ Von Wolfram Hammer