Ausstellung: Fotos von Helmut Newton im Ernst-Barlach-Haus in Wedel

Eingangs hängt ein Monitor an der Wand. Ein kurzes Video ist darauf zu sehen und Helmut Newton, wie er sagt: „Ich liebe Frauen. Nichts liebe ich mehr.“ Eine weibliche Stimme hält dagegen: „Viele frauenverachtende Männer sagen das“. Und wem an handlichen Formaten gelegen ist, der findet hier die ganze Debatte um den großen Fotografen schon umrissen. Helmut Newton wurde am 31. Oktober 1920 als Helmut Neustädter in Berlin geboren. Der Sohn einer jüdischen Fabrikantenfamilie lernte bei der Fotografin Yva, floh 1938 über Singapur nach Australien, wo er seine Frau June kennenlernte, die als Alice Springs ebenfalls eine bekannte Fotografin wurde. Newton arbeitete als Modefotograf vor allem für die „Vogue“ und hatte 1975 seine erste Ausstellung. Er lebte in Paris, Monaco und Los Angeles, wo er 2004 am Steuer seines Autos tödlich verunglückte. Sein Fotoarchiv hatte er im Jahr zuvor dem Preußischen Casino in Berlin vermacht. In seiner Heimatstadt liegt er auch begraben. Die Ausstellung im Barlach-Haus in Wedel (Mühlenstraße 1) läuft bis Ende November. Geöffnet: Montag bis Sonntag 11 – 18 Uhr. Helmut Newton wäre in diesem Oktober 100 Jahre alt geworden. Das Ernst Barlach Museum in Wedel bei Hamburg widmet ihm zu seinem Geburtstag eine Ausstellung. Auf drei Ebenen sind seine Bilder zu sehen. Akte, Porträts, Modefotografien, alle auch enthalten in seinem monumentalen, fast 35 Kilo schweren Fotoband „SUMO“. Es ist eine Reise in das vergangene Jahrhundert. In eine Welt, in der es Zigaretten gab und Achselhaare und Helmut Newton längst zu einem der herausragenden Fotografen seiner Zeit geworden war. Er arbeitete für die großen internationalen Magazin, vor allem für die „Vogue“, aber auch für den „Stern“. Und er tat das in dem Bewusstsein, dass seine Bilder ihm gefallen mussten. Ob auch andere etwas damit anfangen konnten, sei ihm völlig einerlei, sagte er. Makellos, wie aus Alabaster: Newton war ein Pedant und Virtuose der Inszenierung. Da war nichts Zufälliges in seinen Bildern. Seine Ansagen waren knapp, seine Vorstellungen klar. Und die Fotos meist schwarz-weiß, was die Frauenkörper zu Skulpturen werden ließ, zu Sendboten aus der klassischen Antike. Denn Frauen waren es meist, die Newton fotografierte. Perfekt und makellos, wie aus Alabaster geformt. Die „Big Nudes“ zum Beispiel, seine bekannte Serie aus den Achtziger- und Neunzigerjahren. Wie Monumente stehen die Frauen da, nackt und ungeschützt, und sie nehmen den Betrachter direkt ins Visier. Da ist nichts Verschämtes in diesen Bildern, nichts Geducktes. Vor Newtons Kamera gebe es nur „erwachsene, freie und selbstständige Wesen“, befand Karl Lagerfeld. „Sie kommen“: Natürlich sind es ausgestellte Frauenkörper. Und natürlich ist Nacktheit eine Provokation, nach wie vor. Und natürlich kann man in den Bildern auch eine Leni-Riefenstahl-Ästhetik finden. Aber auf einem Foto hat Newton vier Frauen angezogen fotografiert, darunter hängt das Bild mit den gleichen Frauen und den gleichen Posen, nur nackt, und sie haben nichts von ihrem Selbstbewusstsein verloren, nichts von ihrer Stärke. „Sie kommen“ hat er die Arbeit von 1981 genannt, „sie kommen“, wie der legendäre Ruf eines deutschen Soldaten bei der Landung der Alliierten in der Normandie, wie die „FAZ“ erinnerte. „Er vermittelte mir beim Fotografieren das Gefühl großer Kraft“, sagte die britische Schauspielerin Charlotte Rampling, die von Newton häufiger fotografiert wurde. Unter anderem nackt in einem Hotel in Arles. „Es hat fünf Minuten gedauert: ,Setz dich auf den Tisch, und schau mich an’“, sagte sie in einem Gespräch mit Newtons Kollegen Peter Lindbergh. Natürlich könne man das alles „sexistisch“ nennen, befand Nadja Auermann, die ebenfalls bei Newton vor der Kamera stand. „Aber man kann auch sagen: Er hält der Gesellschaft den Spiegel vor.“ Seine Aufnahmen vulgär oder pornografisch zu finden, wirke „heute schon fast kindlich“, schrieb Karl Lagerfeld 1982. Jürgen Doppelstein, Präsident der Barlach-Gesellschaft und Kurator der Ausstellung, mag ebenfalls nichts Diskriminierendes in den Fotos sehen. „Sexistisch ist da überhaupt nichts“, sagt er. „Im Gegenteil.“ Newton habe auch oft Frauen in Männerkleidung gesteckt und die klassischen Geschlechterrollen brechen wollen. Außerdem sei bei ihm immer Humor im Spiel: „Man darf die Bilder auch nicht allzu ernst nehmen.“ Männer kommen in den Fotos meist nur als Staffage vor. Sie sind Randfiguren, Personal. In der Rotunde des Museums aber sind Dutzende Männerporträts zu sehen. Der junge David Bowie hängt da, der alte Salvador Dali, Newtons Freund und Bruder im Geiste Karl Lagerfeld. Aber auch Rainer Werner Fassbinder und der nackte Helmut Berger, Jean-Marie Le Pen mit Hund, David Hockney in Farbe und John Malkovich mit Hitlergruß. Kamera ins Grab: Nebenan hängen zahlreiche Frauenporträts, von Jeanne Moreau bis Anita Ekberg, von der jungen Isabelle Huppert bis Romy Schneider. Auch Helmut Newtons Frau June ist zu sehen, mit blanken Brüsten und einer Zigarette im Mund am gedeckten Tisch. Wobei es anders vielleicht besser gewesen wäre. „Es ist einfacher, eine Frau angezogen zu fotografieren“, hat Newton gesagt. Als er 2004 starb und in Berlin beigesetzt wurde, legte ihm seine Frau eine Kamera ins Grab. Lesen Sie auch: Karl Lagerfeld in Wedel Hermann Hesse in Wedel Friedensreich Hundertwasser in Wedel Von Peter Intelmann