Biografie: Jan Fedder, nicht unsterblich, aber unvergessen

„Ich habe es sechzig Jahre krachen lassen“, sagt Jan Fedder. Als er dem Autor und Biografen Tim Pröse in vielen Gesprächen sein prallvolles Leben aufblättert, sitzt Fedder schon im Rollstuhl. 2013, mit 58 Jahren, war der Schauspieler an Krebs erkrankt. Sechs Jahre später hat er die Bühne verlassen, die letzte Szene als Kiez-Bulle für das „Großstadtrevier“ ist da schon abgedreht. Jan Fedder wusste, wann es Zeit war, an seine Memoiren zu denken. Ein Jahr vor seinem Tod rief er bei Jan Pröse an und fragte, ob es nicht Zeit sei für eine Biografie. „Ein Denkmal aus Zeilen“: Jetzt liegt sie vor, das Buch sei „ein Denkmal aus Zeilen für Jan Fedder“, schreibt der Autor – eine Hommage an den „letzten Volksschauspieler“. Fedders Memoiren sind vor allem ein Vermächtnis für sein Publikum, der Nachlass eines Mannes, der als Schauspieler auf der Bühne und vor der Kamera alles gab, sich im Privaten aber aufsparte und zurückzog in seine Wohnung auf St. Pauli oder auf seinen geliebten Bauernhof in Schleswig-Holstein. Hier traf ihn Pröse wohl ein gutes Dutzend Mal. Die beiden kannten sich von einem Treffen, das der Journalist Tim Pröse 2004 mit den Schauspielern des Kriegsfilms „Das Boot“ arrangiert hatte. Fedder spielte darin den Maat Pilgrim, die Rolle machte ihn zwar bekannt, zum eigentlichen Karrierebooster wurde aber erst zehn Jahre später sein Einstieg als Dirk Matthies ins „Großstadtrevier“. Der Kiez ist sein Revier: Dabei hatte sich Jan Fedder selbst immer eher in der Rolle des Rockers als der des Bullen gesehen – er kannte den Kiez aus der Perspektive der Flagellanten von St. Pauli. Aufgewachsen an der Hafenkante, sozialisiert im Kneipenmilieu, der Kiez ist sein Revier. Und eine beherzt geführte Verbalattacke manches Mal die beste Verteidigung, lernt der Junge, der lieber zur Ballettstunde als auf den Bolzplatz geht und im Knabenchor des Hamburger Michels singt. O-Ton Fedder: „Der Straßenköter kommt bei mir gerne mal als Erstes raus. Danach ist der besinnliche Jan dran . . ..“ Sensibles Großmaul: Sein Autor Tim Pröse charakterisiert ihn als „das vielleicht sensibelste Großmaul, das man in dieser Branche noch richtig rumblaffen hören kann“, ein Mann mit großer Schnauze und großem Herz, der sein Innerstes nur wenigen vertrauten Freunden offenbarte. Und seiner Ehefrau Marion, mit der er in den 19 Jahren ihrer Ehe in getrennten Wohnungen lebte. Die beiden teilten ihre gemeinsame Zeit auf Verabredung – eine Ehe als fortlaufende Rendezvous’, nach denen jeder wieder in sein eigenes Reich zurückkehrte. Was jede Frau, die Tim Pröses Schilderungen von den Fedderschen Heimstätten in der Stadt und auf dem Land liest, sofort nachvollziehen kann. „Jan Fedder. Unsterblich“von Tim Pröse hat es sofort nach Erscheinen ganz nach vorn an die Spitze der „Spiegel“-Bestsellerliste Sachbuch geschafft und sich dort gehalten. Vor allem im Norden griffen die Käufer zur Biografie des Volksschauspielers. In Fedders Heimat Hamburg ist die Lesernachfrage besonders groß.„Unsterblich“, Heyne Verlag, 256 Seiten, 22 Euro Einer, der sich nicht anpasste: Jan Fedder pflegte einen ausgeprägten Sammelwahn. Der Bauernhof ist ein Museum der Dinge, an denen Fedders Erinnerungen hängen – hier breitet der in Gefühlsdingen so typisch maulfaule Norddeutsche sein Herz aus: altes Spielzeug, Rollschuhe, Kinderski, die Schreibmaschine aus seiner Lehre, ein Turm aus Transistorradios, Schiffsmodelle aus dem Hamburger Ratskeller, ein drei Meter langes Modell des U-Bootes aus „Das Boot“, Marions Brautstrauß, eine Original-Schiebermütze, die Fedder dem von ihm verehrten Altkanzler Helmut Schmidt abgeschwatzt hat, ungezählte rostende Karosserien alter Autos, die Haifisch-Bar als Nachbau im Partykeller . . . Ein Jan-Fedder-Museum, angefüllt mit einem riesigen Sammelsurium von Herzensdingen, an denen der „Hamburger Jung“ sein Leben nacherzählen konnte. Jan Fedder war Hamburg und der Hafen“, sagt sein Biograf. „Er war das, was viele sein wollen und was so wenige wirklich sind: ein freier Mensch. Einer, der sich nicht anpasste. Ein Original.“ Nicht unsterblich. Aber unvergessen. Von Regine Ley

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