Bundestag beschließt nehr Tempo beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie

Mehr Tempo und weniger Hindernisse beim Ausbau von Windenergie und Solaranlagen peilt die am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) an. Am Freitag befasst sich auch die Länderkammer mit der weiteren Förderung von Ökostrom. Im Norden ist die Reaktion gespalten. Es gebe „Licht und Schatten“, hieß es aus der Landesregierung. Energiewende-Minister Jan Philipp Albrecht (Grüne) kritisierte: „Dieses EEG-Reförmchen bleibt nach drei Jahren Anlaufzeit klar hinter den Klimazielen zurück. Wir brauchen ambitionierte Ausbaupfade und mehr Anreize für die Verwendung und Vermarktung von Ökostrom über alle Sektoren.“ Die Verbände für Windenergie und Solarwirtschaft halten die Reform ebenfalls für unzureichend. Unsicherheit für ältere Anlage beseitigt: Zumindest jedoch werden Unsicherheiten für die Betreiber von älteren Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) beseitigt. Auch für sogenannte Ü20-Anlagen, die nach 20 Jahren aus der Förderung herausfallen würden, wird es weiterhin Zuschüsse geben. Für den Weiterbetrieb dieser älteren Anlagen, die andernfalls ab dem kommenden Jahr unwirtschaftlich geworden wären, sei eine „dringend benötigte Lösung gefunden worden“ zeigte sich die schleswig-holsteinische SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer mit diesem Punkt der Novelle zufrieden. Keine Installation teurer Messgeräte: Betreiber von älteren „Windmühlen“ bekämen nun die Möglichkeit über eine erhöhte Marktwertprämie (pro Kilowattstunde den Marktwert des Stroms plus ein Cent), Ausschreibungen oder Direktvermarktung ihres Windstroms länger am Netz zu bleiben. Bei älteren PV-Anlagen entfalle zudem die noch im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Pflicht zur Installation teurer Messgeräte (Smart Meter), erklärte die Energiepolitikerin aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg. Neubau von Solaranlagen beschleunigt: Auf Antrag der Kieler Landesregierung wird zudem der Strom-Eigenverbrauch von 30 Megawattstunden für Betreiber kleinerer PV-Anlagen (bis zu 30 Kilowatt Leistung) von der EEG-Umlage befreit. Damit soll der Zubau von Solaranlagen beschleunigt werden, hofft man in Kiel wie in Berlin. In Schleswig-Holstein wurden, noch im Rahmen des alten EEG, von Januar bis November dieses Jahres 3845 Solar-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 125,9 Megawatt Leistung zumeist auf Dächern installiert. Beim Bundesverband Solarwirtschaft fällt der Jubel freilich wenig euphorisch aus. Zwar würden einzelne Marktbremsen beseitigt, zugleich würden jedoch neue Marktbarrieren geschaffen. Scheer kritisierte, dass Solaranlagen mit einer Leistung von 300 bis 750 Kilowatt nur die Hälfte ihres Strom gefördert bekommen, sofern sie nicht freiwillig an Ausschreibungen teilnehmen. Lesen Sie auch SH: Werden viele Solar- und Windkraftanlagen abgeschaltet? Nord-Länder gegen Stillstand bei der Energiewende Schleswig-Holstein überarbeitet Windkraft-Pläne Windenergie-Branche sieht Nachteile: Auch die Windenergie-Branche sieht einige Haare in der Suppe des neuen EEG. Im Norden sind zwar von Januar bis September diesen Jahres 102 neue Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 421 Megawatt genehmigt worden – 2019 waren es nur 59 Anlagen mit 231 Megawatt – , doch klimapolitisch notwendig sei ein Ausbau von jährlich 640 Megawatt Windenergie an Land. Wegen eines Gerichtsurteils muss Schleswig-Holstein zudem neue Planungsgrundlagen für den Ausbau von Windkraft schaffen. Um die Akzeptanz der Windmühlen in den betroffenen Gemeinden (Umkreis von 2,5 Kilometern) zu fördern, können diese Kommunen künftig 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die eingespeiste Strommenge erhalten. „Zentrale Fragen noch nicht geregelt“: Zusätzlich werde die sogenannte Gewerbesteuerzerlegung angepasst, damit die Kommune, in der der Windpark steht, auch tatsächlich von dieser Steuer profitiert und nicht der Standort, an dem die Windpark-Projektgesellschaft ihren Sitz hat, lobte Scheer. Zugleich machte sie darauf aufmerksam, dass einige „zentrale Fragen“, etwa der weitere Ausbaupfad für erneuerbare Energien oder die Erneuerung bestehender Windkraftanlagen (Repowering) in der jetzigen EEG-Novelle noch nicht geregelt werden. Und Minister Albrecht kündigte an, Kiel werde sich weiterhin zügig für eine „Reform der Reform“ beim EEG einsetzen. Von Reinhard Zweigler