Corona: Die Heimwerker-Projekte des Nordens

Was tun mit so viel Zeit in den eigenen vier Wänden? Auch wer nicht auf Anhieb an Frühjahrsputz, Gartenarbeit oder Aufräumen denkt, stößt bei der Suche nach den lange nicht benutzten Gesellschaftsspielen oder Boule-Kugeln oft auf Dinge, die endlich mal aussortiert werden können. Nachbarn griffen bei der Rutsche zu: Im Hause Meiser in Bad Schwartau waren sich die drei Jungs schnell einig: Rutsche und Schaukel im Garten wurden von Mathis (13), Moritz (12) und Ben (9) nicht mehr genutzt, und „dank Corona – sonst schafft man’s ja irgendwie nie“ – war nun Zeit für Konsequenzen. „Das leicht morsche Holzgestell der Schaukel haben wir fürs Osterfeuer genutzt“, erzählt Mutter Christina (49). Die beiden Schaukelsitze samt Seilen kamen an die Straße, dazu ein Zettel: „zu verschenken“. Daneben stand die Rutsche aus Kunststoff, „aber nur kurz“, berichtet Mutter Meiser. „Die hat jemandem hier aus der Nachbarschaft gefallen. Ist doch toll, wenn jetzt nur wenige Meter weiter andere Kinder in der Siedlung damit spielen können.“ Auch von einigen Gesellschaftsspielen hätten sie sich getrennt, so Meiser: „Die haben wir bei Ebay eingestellt.“ Eine Idee, mit der die Meisers dieser Tage nicht allein sind. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Riesiger Anstieg bei Online-Kleinanzeigen: Die Zahl der Angebote auf Ebay war schon in der letzten Märzwoche um 25 Prozent im Vergleich zu den zwei Vorwochen gestiegen, „und der Trend hält an“, bestätigt Unternehmenssprecher Pierre Du Bois. Seit die Bundesregierung die Kontaktsperre verhängt hatte und die meisten Geschäfte schließen mussten, sei es bei Ebay „durch die Decke“ gegangen. Nutzer stellten auch vermehrt in der Kategorie „Verschenken & Tauschen“ ein. Allein aus dem Raum Lübeck gab es dort in der zurückliegenden Woche täglich um die 200 neue Einträge. „Das deutet darauf hin, dass die Menschen ausmisten“, sagt Du Bois. „Viel zu schade, um es wegzuschmeißen“: Was auch die Lübeckerin Michaela Jahnke tat. „Das alles wegzuschmeißen – dafür sind etwa die Barbiepuppen meiner Töchter viel zu schade“, hatte sich die 48-Jährige gedacht, als die Entscheidung gereift war, die Garage an ihrem Haus auf der Dornbreite mal wieder aufzuräumen. „Wohl an die 200 Sachen“, mit denen ihre inzwischen siebenjährige Enkelin einst bei Oma und Opa spielte, hatte sie nach und nach an ihren Gartenzaun gebracht – und die Aktion zuvor bei Ebay mit einer Kleinanzeige angekündigt. Von Holzspielzeug über einen Puppenkleiderschrank bis hin zu Büchern und Schwimmflügeln reichte das Sortiment – von dem am Abend des ersten Tages kaum noch etwas übrig war. Marmelade als kleines Dankeschön: „Etwa 20, 25 Leute waren da, viele mit ihren Kindern“, erzählt Michaela Jahnke beim Blick auf die Reste, die entweder „zurück in die Garage oder zum Sozialkaufhaus“ gehen, wenn sie niemand mehr mitnimmt.. „Einige Leute haben vorgeschlagen, ich sollte doch wenigstens um eine kleine Spende bitten, fast alle haben sich sehr freundlich bedankt, und eine Dame kam extra ein zweites Mal und brachte mir selbstgemachte Marmelade.“ Aber sie habe sich vor allem gefreut, dass sie „anderen eine Freude machen konnte. Und der Anhänger passt jetzt auch endlich wieder in die Garage.“ Flohmarkt-Portale verzeichnen deutliche Zuwächse: Platz für Neues erhoffen sich auch die Nutzer des „Kleiderkreisel“, einer Plattform für Secondhand-Mode. Dort hätten sich seit Mitte März deutlich mehr neue Nutzerinnen und Nutzer angemeldet, sagt Sprecherin Natacha Blanchard-Astier. Sie stellten zudem viel mehr Artikel online als üblich. Ähnliche Auskünfte gibt es etwa von der Flohmarkt-Seite „Shpock“ oder dem Online-Marktplatz „Momox“. Und auch bei Facebook ist der Trend erkennbar. Bei „Flohmarkt Lübeck & Umgebung“ und entsprechenden Gruppen für „Kreis Segeberg“ und „Ostholstein“ etwa wurden in den letzten 30 Tagen zusammen fast 2000 neue Einträge registriert, die Mitgliederzahl stieg in den drei Gruppen, die alle seit mindestens fünf Jahren bestehen, binnen eines Monats in Summe um fast 600 auf zusammen nun knapp 30 000 Mitglieder. Die Zuwächse seien im Frühjahr stets größer als in den anderen Jahreszeiten, heißt es dazu von den Admins, diesmal aber sei es „schon deutlich mehr“. Die Leute hätten viel Zeit, ihre Schränke aufzuräumen oder Keller auszumisten. Nicht alle wollten dabei Geld verdienen, viele auch einfach nur verhindern, dass wenig getragene oder genutzte Sachen auf den Müll wanderten – und ein gutes Werk tun. Mal geben, mal nehmen am Gartenzaun: Bei Daniela Mundt (42) kommt das häufiger vor. Und sie ist schon routiniert im kostenlosen Geben und Nehmen bei sich an der Grundstücksgrenze. „Schon als ich vor vielen Jahren in diesen Teil von St. Jürgen gezogen bin, war es gang und gäbe, dass die Leute auf dem Bürgersteig Dinge zum Mitnehmen angeboten haben.“ Vielleicht auch deshalb braucht es scheinbar keine zusätzlichen Schilder mehr, wenn auf einer nicht weit entfernten Bank ein eingerollter Teppich und ein beigefarbener Koffer auf Mitnahme warten, auf der nächsten, ein paar Ecken weiter, gar Hosen und Mäntel über eine Rückenlehne drapiert sind. Nach den Dinos nun die Pferdebücher: Im vergangenen Jahr hatten Daniela Mundts Söhne ihre Dino-Sammlung aufgelöst, nun trennte sich die 16-jährige Tochter Leonie von Kinder- und Pferdebüchern. Ein „zu verschenken“-Zettel an den zwei Kartons half, dass schon am zweiten Tag nur noch drei Bücher übrig waren. Die Kindheits-Lektüre zu verkaufen, noch ein paar Euro dafür zu verlangen, sei ihrer Tochter nicht in den Sinn gekommen, versichert die Mama. „Schließlich hat sie vor gar nicht allzu langer Zeit mal ein paar schöne Kerzen mitgebracht, die eine Nachbarin vor ihrem Haus verschenkt hatte.“ Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Endlich geht’s wieder los: Handel hofft auf gute Geschäfte im Norden Diese Regeln gelten ab Montag für die Geschäfte im Norden Krankschreibung nicht mehr am Telefon – von Notz: Unverantwortlich! Home-Office und Kinderbetreuung: Steigt jetzt die Burnout-Gefahr? Zum Schutz vor Corona: Altenpfleger aus Lübeck und ihre Familien gehen freiwillig in Quarantäne In Lübeck wird die Atemschutzmaske zum Accessoire Kirchen haben Verständnis für Gottesdienst-Verbot Weitere Lockerungen: Schleswig-Holstein öffnet Tierparks und Einkaufscenter Diese Großveranstaltungen fallen im Norden aus So fährt Schleswig-Holstein ab 4. Mai die Schulen wieder hoch Die Regeln für Schleswig-Holsteins Abi-Prüfungen Hier bekommen Betriebe im Norden Hilfe LN-Umfrage zur Corona-Krise: Mehrheit für längeres Kontaktverbot Infektiologe: „Wir haben keine Sicherheit, auf der wir uns ausruhen können“ Auch Mittelständler können jetzt Zuschuss beantragen Coronavirus: So kooperieren die Lübecker Forscher Lübecks Bürgermeister beantwortet die Fragen der Bürger Von 150 bis 4000 Euro: Alle Bußgelder für Schleswig-Holstein im Überblick Was passiert, wenn ich als Infizierter in die Klinik muss? Quarantäne – was bedeutet das für mich? Von Christian Schlichting

Corona - Der Norden mistet aus: Die Heimwerker-Projekte der Leser