Corona-Krise: Kurzarbeit im ganzen Norden

Ein ganz großes Thema ist die Regelung in Hotels und Gaststätten, die alle geschlossen sind. „Ich kenne keinen Betrieb, der keine Kurzarbeit angemeldet hat“, sagt Dirk Himmelmann von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) in Lübeck. „Wir gehen davon aus, dass das flächendeckend ist.“ In Unternehmen mit einem Betriebsrat werde es Betriebsvereinbarungen geben, sagt der NGG-Gewerkschafter, etwa in den Maritim-Hotels in Travemünde und Timmendorfer Strand, im Ferienzentrum Weißenhäuser Strand und auch im Ifa-Ferienhotel auf Fehmarn. Dort würde versucht, das reguläre Kurzarbeitergeld von 60 Prozent des bisherigen Nettolohns – oder 67 Prozent für Arbeitnehmer mit Kindern – aufzustocken. „Wir erwarten, dass auch in kleineren Häusern aufgestockt wird“, sagt Himmelmann. Die Arbeitgeber bekämen die Sozialversicherungsabgaben zu hundert Prozent erstattet, das sollten sie dafür nutzen. „Der Dehoga fordert Millionenhilfen, aber sie sollten auch an die Mitarbeiter denken“, erklärt er. McDonald’s und Burger King würden bei ihren Mitarbeitern auf 90 Prozent aufstocken, weil sie wüssten, dass sie sie brauchen, wenn die Krise vorüber ist. Solidartopf in Betrieben der Metallbranche: Ob Automobilindustrie, Werften oder das Kfz-Gewerbe – auch in der Metall- und Elektroindustrie ist Kurzarbeit in fast allen Bereichen ein Thema. In Lübeck betreffe das bisher unter anderem die Firma Alu Druckguss und Baader Norddeutscher Maschinenbau, in Mecklenburg-Vorpommern die MV-Werften, erklärt Henning Groskreutz von der IG Metall Lübeck-Wismar. „In den meisten Betrieben sind wir mit Kurzarbeit Null konfrontiert, so dass die Einschnitte für die Kollegen schon sehr erheblich sind. Wer im Kfz-Handwerk auf Kurzarbeit Null gesetzt wird, hat ganz schnell 900 Euro netto weniger im Monat“, sagt Heiko Messerschmidt, Sprecher der IG Metall Küste. Die Metallbranche hatte in dem am Montag vereinbarten Tarifvertrag beschlossen, dass zur Verminderung sozialer Härten bei Kurzarbeit in jedem Betrieb ein Solidartopf eingerichtet wird. Der Betrag, der eingezahlt werde, errechne sich aus der Anzahl der Beschäftigten im Betrieb multipliziert mit 350 Euro. Nicht verwendete Mittel würden an die am 1. Dezember 2020 im Betrieb Beschäftigten zu gleichen Teilen ausgezahlt. „Geringverdiener schnell in der Sozialhilfe“: „Das fängt jetzt an, es sind vor allem kleine Einzelhändler mit weniger als zehn Beschäftigten, die Kurzarbeit beantragen“, sagt Andreas Wübben von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Lübeck. „Die große Welle haben wir noch nicht, aber ich gehe davon aus, dass wir die Anfang April bekommen“, sagt er. Die aktuellen gesetzlichen Regelungen zum Kurzarbeitergeld von 60 beziehungsweise 67 Prozent des Nettolohns seien „völlig unzureichend“, sagt Frank Schischefsky, Sprecher von Verdi Nord. „Die laufenden Kosten lassen sich in vielen Branchen damit nicht bestreiten. So führt Kurzarbeit in Bereichen mit geringeren Einkommen schnell in die Sozialhilfe. Das müssen wir verhindern“, sagt er. Verdi fordere 90 Prozent. Unternehmen, deren Umsätze gerade steigen, könnten innerhalb ihres Arbeitgeberverbandes einen Hilfsfonds einrichten, um die branchenweite Aufstockung mitzufinanzieren. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Fragen aus allen Gewerken: Auch das Handwerk nutzt das Instrument Kurzarbeit. „Wir verzeichnen sehr viele Anfragen. Die meisten Betriebsinhaber wollen ihre Mitarbeiter in der jetzigen extrem schwierigen Situation unbedingt halten. Dabei hilft Kurzarbeit: Mit deren Inanspruchnahme können vorzeitige Entlassungen verhindert werden“, sagt Andreas Katschke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Lübeck. Trotzdem treibe viele Betriebsinhaber die Sorge um, dass ihre Beschäftigten durch Kurzarbeit von Gehaltseinbußen betroffen sind. „Zu den ersten Gewerken, die sich bei uns zum Thema Kurzarbeit gemeldet hatten, gehörten die Gebäudereiniger, die sehr zeitig durch Veranstaltungsabsagen betroffen waren. Inzwischen kommen die Fragen aus nahezu allen Gewerken“, erklärt Katschke. Hinzu kämen jetzt viele Nachfragen von Ausbildungsbetrieben, wie es sich mit Kurzarbeit bei den Auszubildenden verhält. Baubetriebe in Not: „Insbesondere nutzten die Betriebe Kurzarbeit, denen der Weiterbetrieb untersagt worden ist und denen damit die Beschäftigungsgrundlage entzogen wurde“, sagt Sebastian Schulze, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes UV Nord. Insbesondere der Einzelhandel und die Hotellerie und Gastronomiebetriebe, aber auch Weiterbildungseinrichtungen und Veranstaltungsdienstleister nutzen das Angebot, erklärt Schulze. Auch die Bauwirtschaft beteiligt sich. „Ohne Unterstützung müssten zahlreiche Betriebe in der Bauwirtschaft jetzt Insolvenz anmelden“, erklärt Thorsten Freiberg, Vorstandsvorsitzender des Baugewerbeverbandes Schleswig-Holstein. „Denn selbst bei Kurzarbeit laufen die Betriebskosten weiter, Planungen für Bauwerke gehen ins Leere und es kommen kaum noch Aufträge über den bisherigen Bestand herein, sodass es spätestens in der zweiten Jahreshälfte absehbar eng werden wird.“ IHK: Verzweiflung nimmt zu: Die Regionaldirektion Nord der Arbeitsagentur will am Dienstag, 31. März, über die Zahl der Anträge zum Kurzarbeitergeld in Schleswig-Holstein informieren – zusammen mit den Arbeitsmarktzahlen für den März.„Die meisten unserer Unternehmen haben mittlerweile schon Kurzarbeitergeld beantragt“, sagt Nils Thoralf Jarck, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck. Jetzt gehe es den Unternehmen vor allem um schnelle Liquiditätshilfen, sagt er. „Die Verzweiflung nimmt zu. Viele sagen schon, sie halten nicht mehr länger durch.“ Die Lage sei deutlich schlimmer als in der Finanzkrise vor zwölf Jahren. Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog Land beendet Lübecker Sonderweg bei Corona-Risikogebieten Abitur: Nun doch Prüfungen in Schleswig-Holstein –Dann starten sie #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So können Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck jetzt helfen LN-Live-Interview: Lübecks Bürgermeister antwortet auf die wichtigsten Fragen zu Corona in Lübeck Was hat noch geöffnet? 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