Corona: Narkosemittel in Schleswig-Holstein werden knapp

Das weltweit am häufigsten eingesetzte Narkosemittel Propofol wird knapp. Bereits vor der Coronavirus-Pandemie kam es regelmäßig zu Lieferengpässen des Medikaments, doch durch die Intensivbetreuung der schwer am Coronavirus-Erkrankten hat sich das Problem verschärft. Der Grund: In der Regel werden an Covid-19 erkrankte Patienten im Fall einer künstlichen Beatmung mit dem Narkosemittel Propofol in ein künstliches Koma versetzt. „Man braucht mehr von dem Zeug“, sagt Hans-Gerd Strobel, Chefapotheker des Uniklinikums Schleswig-Holstein (UKSH). „Die Schwierigkeit ist, dass der Bedarf immens gestiegen ist. Die Firmen bekommen Bestellungen aus Frankreich, Spanien oder Deutschland, da kommen die mit der Produktion nicht hinterher – wenngleich sie die Produktion auf 120 Prozent angehoben haben.“ Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Großteil der Narkosen weltweit wird mit Propofol eingeleitet: Propofol gilt als Standard-Narkosemittel. Tagtäglich wird es vielfach in jedem deutschen Krankenhaus angewendet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Propofol in die Liste der unentbehrlichen Medikamente aufgenommen: Weil es gut verträglich und dosierbar ist, wenige Nebenwirkungen hat und gut vom Körper abgebaut wird. Propofol ist das weltweit am häufigsten in Krankenhäusern verwendete Narkosemittel. Verglichen mit anderen Narkosemitteln gilt Propofol als besonders gut verträglich, einfach dosierbar und arm an Nebenwirkungen. Das Narkosemittel kommt vor allem bei Operationen und ambulanten Eingriffen wie Magen- oder Darmspiegelungen zum Einsatz. Aufgrund seiner guten Verträglichkeit eignet es sich jedoch auch für langwierige Sedierungen, wie im Fall einer schweren Lungenentzündung bei Covid-19-Erkrankten. Unabhängig davon, wie lange ein Patient ins künstliche Koma versetzt werden muss, wird Propofol maximal sieben Tage verabreicht, da es ansonsten zu Muskelzerfall kommen könnte. „Eigentlich ist Propofol das klassische Narkosemittel für Kurzzeiteingriffe“, erläutert Strobel. „Aber weil es so gut verträglich ist, kann es auch bei längerer Sedierung angewendet werden.“ 20 Tage würden Covid-Intensivpatienten im Schnitt sediert. „Dann hat er es entweder geschafft, oder nicht. Die überwiegende Mehrheit in Schleswig-Holstein schafft es.“ UKSH will Propofol in Eigenproduktion herstellen: Weil die pharmazeutischen Hersteller bei der Produktion von Propofol bereits an den Grenzen ihrer Belastung stehen, werden Unikliniken in ganz Deutschland vermutlich bald in die Eigenherstellung übergehen – wenn die benötigten Rohstoffe ankommen. „Das UKSH ist weitestgehend safe, wir haben noch einen Monatsvorrat an Propofol da“, so Strobel. Zwar sei die Situation schwierig, „aber wir haben sie im Griff. Das Problem gab es auch vorher schon, jetzt müssen wir mit der Eigenherstellung gegensteuern. Das hat ja aber mit dem Desinfektionsmittel auch geklappt.“ „In der aktuellen Situation können wir eine Versorgung mit Propofol sicherstellen“, betont Frank Jaschkowski von der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. „Es ist ja glücklicherweise nicht einmal die Zahl der Intensivbetten voll ausgeschöpft.“ Damit das auch weiterhin so bleibt, berät täglich der Corona-Krisenstab unter Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP). Auch die Verteilung des Narkosemittels Propofol wird jetzt vom Staat geregelt. „Propofol ist ein ziemlich relevantes Medikament. Wenn Sie Atemnot haben, nicht sediert werden und das live miterleben, dann ist das sehr beängstigend“, sagt Jaschkowski. Alternativen für Propofol sichern intensivmedizinische Versorgung: Das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium teilte auf Anfrage der LN mit, die Arzneimittelversorgung kontinuierlich zu überwachen und in ständiger Abstimmung mit Bund und Ländern zu stehen. „Die Länder können bei Versorgungsmängeln Ausnahmen von arzneimittelrechtlichen Bestimmungen gewähren, die zum Beispiel auch die Einfuhr von ausländischen Arzneimitteln, die nicht in Deutschland zugelassen sind, ermöglichen“, sagt Sprecher Christian Kohl. „Ehrlich gesagt verstehe ich diese Panik um Propofol nicht“, sagt Ulf Linstedt, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am Diakonissenkrankenhaus Flensburg sowie Landesvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) in Schleswig-Holstein. Nach siebentägiger Sedierung durch Propofol müsse man ohnehin auf ein anderes Medikament umsteigen. „Im schlimmsten Fall kann es ansonsten zu Muskelzerfall kommen“, so Linstedt. „Das heißt aber nicht, dass der Patient danach schreiend vor Schmerzen auf der Intensivstation liegt, es gibt ja glücklicherweise auch andere Möglichkeiten.“ So eigneten sich auch Isofluran und Sevofluran zur längerfristigen Sedierung. Bei diesen Arzneien bestünde bislang kein Engpass. 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