Corona-Tests für Schüler: Eine Posse um Haftung und Gesetz

In Schleswig-Holsteins Schulen wird seit dieser Woche getestet. Einmal pro Woche dürfen die Schüler überprüfen, ob sie das Coronavirus in sich tragen. Einfach so? Nein, das wäre natürlich zu viel verlangt. Die deutsche Bürokratie sorgt dafür, dass die Sache für die Lehrer zu einem riesigen Aufwand wird und die Eltern viel Papierkram zu erledigen haben. Tests gibt’s erst mal nur im 25er-Pack: Es sind Tests der Firma Roche, die das Kieler Bildungsministerium zu Tausenden für die Kinder und Jugendlichen geordert hat. Andere seien auf dem Markt im Moment leider nicht verfügbar, hatte CDU-Bildungsministerin Karin Prien erklärt. In 25er-Packs seien sie erst in ein Zentrallager in Boostedt und dann an die Schulämter ausgeliefert worden. Jetzt bitten die Lehrerinnen und Lehrer also regelmäßig zum Coronatest. Liebe Schüler: Das Paket vorsichtig öffnen. Das Wattestäbchen herausnehmen, in der Nase mehrmals drehen, vorsichtig in eine Kontrollflüssigkeit tunken, 15 Minuten warten... Das alles aber selbst bei den Kleinsten bitte, ohne die Kinder zu berühren, mit Sicherheitsabstand und Maske. „Warum lässt man die Kinder nicht einfach zu Hause von den Eltern testen?“, fragt die Vorsitzende des Landeselternbeirats der Gymnasien, Claudia Pick. Das wäre deutlich einfacher, würde Ressourcen sparen – und wäre am Ende auch für die Kinder besser. „Es kann ja auch mal ein unangenehmes Ergebnis dabei herauskommen“, sagt Claudia Pick. Zu Hause könnten die Eltern das Kind sofort sensibel auffangen. Stattdessen müssten sie jetzt bei einem solchen Alarm ihren Arbeitsplatz verlassen, das Kind abholen – es dürfe ja zum Beispiel auch nicht mehr mit dem Schulbus nach Hause fahren – und schleunigst die Quarantäne und den vorgeschriebenen PCR-Tests organisieren. Verschwurbelte Gesetze, übervorsichtige Beamte: Das alles wäre leichter, wäre das Kind beim Test schon zu Hause, sagt die Elternvertreterin. Leider sei es aber verboten, den Kindern Tests mit nach Hause zu geben, sagt Ministeriumssprecher David Ermes. Weil die Tests in 25er-Paketen geliefert werden, würde sich die Schule, wenn sie das Paket aufbricht und einzelne Tests weiterreicht, rechtlich zu einem Betreiber von Medizinprodukten machen – und müsste bei Schäden durch den Test zu Hause haften. So hätten es die Ministerialbeamten herausgefunden, sagt Ermes. Tatsächlich sind die Regelung der „ Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung -MPBetreibV) umfangreich. Der FDP-Landtagsabgeordnete Jan Marcus Rossa hat dafür kein Verständnis. Man behindere in Deutschland in einer der heftigsten Krisen seit 1945 die Problemlösungen immer wieder selbst durch Überregulierung und Bürokratismus. „Das Testen der Schülerinnen und Schüler ist da nur ein weiteres Beispiel in der Reihe von Pleiten, Pech und Pannen“, sagt Rossa. Lesen Sie auch Corona-Tests an Schulen in Schleswig-Holstein - das ist das Konzept Gratis-Testung von Lehrern und Erziehern in SH starten nächste Woche Corona-Lockdown: SH und Nachbarn scheitern mit Vorstoß für Osterurlaub Schnelle Lösung: Land könnte Haftung übernehmen: Dabei wäre gerade in Sachen Schüler-Tests eine schnelle Lösung ganz einfach gewesen. Das Land hätte dazu nur das – bei einem Schnelltest sehr überschaubare – Haftungsrisiko übernehmen müssen, „zum Wohle der Menschen“, sagt der Liberale. Stattdessen werde die Verantwortung vom Ministerium sofort wieder auf die Schulen abgeschoben. Tatsächlich stellt das Land ohnehin Hunderte von Millionen Euro fürs Abfedern der Coronafolgen bereit, etwa für die Verdienstausfälle von Gastronomen. Die Schulen kämpfen derweil weiter mit den Vorgaben aus Kiel. Erste Schulen auch in Lübeck und Umgebung richten bereits regelrechte Tests-Straßen in Aula, Kantine oder Turnhalle ein. Eine Papierflut für den Datenschutz: Die Eltern wühlen sich derweil durch die Papierflut. Weil die Politik auch mitten in einer Pandemie eine Test-Pflicht nicht will, müssen sie ihr Einverständnis mit der Testung erklären – natürlich auch das nicht ohne Verweis auf Gesetze: „Hiermit erklären wir unser Einverständnis gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BGB, dass sich unsere Tochter/unser Sohn ---, geboren am --- in den auf dem Gelände der Schule für die Durchführung von PoC-Antigen-Test vorgesehenen Bereichen mittels eines PoC-Antigen-Tests auf das Vorliegen eines Verdachtes einer Infektion mit dem Coronavirus-SARS-CoV-19 selbst testen darf“, lautet allein schon der erste Satz des Eltern-Bogens. Juristen-Kauderwelsch und eine Servicenummer: Es folgen noch anderthalb Seiten Juristen-Kauderwelsch. Direkt dahinter dann die „Einwilligung zur Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Selbsttestung mittels PoC-Antigen-Test“. Hier erfolge die Einwilligung gemäß „Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a) sowie Art. 9 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO)“. Es folgen drei Seiten Papier einschließlich der Telefonnummer eines „zentralen Datenschutzbeauftragten des Bildungsministeriums für die öffentlichen Schulen“. Rossa hält das alles für grotesk. Man müsse sich doch wirklich fragen, „ob wir in Deutschland nicht völlig überreguliert sind, sodass wir auf Krisen gar nicht mehr schnell und pragmatisch genug reagieren können“, sagt der Liberale. Für ihn steht fest: Spätestens nach dieser Pandemie „werden wir unser Staatswesen auf den Prüfstand stellen müssen“. Von Wolfram Hammer