Corona in SH: Justizminister gegen Ausgangssperren

Es sind manchmal die leisen Töne, die Aufmerksamkeit verdienen. Claus Christian Claussen hat so einen Einwurf gewagt. Viel hatte man von Schleswig-Holsteins Justizminister seit dessen Amtsantritt nicht gehört. Was Claussen aber jetzt zur Strategie im Kampf gegen die Corona-Infektionen im Norden beiträgt, sollte seinen Kolleginnen und Kollegen zu denken geben. Justizminister lehnt Ausgangssperren ab: Claussen schwadroniert nicht etwa über Eingriffe in Grundrechte, wie es seit Monaten immer wieder zu hören ist. Der Stormarner CDU-Politiker, der erst seit April das Justizressort der Landesregierung verantwortet, fordert zum Nachdenken über die Verhältnismäßigkeit von Verboten auf. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit lehnt Claussen derzeit genau so ab wie nächtliche Ausgangssperren. Das nüchterne Urteil des Juristen: Die Maßnahmen sind weder geeignet, noch angemessen. Und derzeit auch nicht erforderlich. Solche Zwischentöne braucht es in einer Zeit, in der so mancher Entscheidungsträger angesichts der bedrohlichen Corona-Daten in einen wahren Rausch von Verbots-Verordnungen abzudriften droht. Wenn es bei der weitgehenden Akzeptanz der harten Corona-Regeln bleiben soll, müssen die Entscheidungen aber mindestens nachvollziehbar und noch besser wirksam sein. Corona: Die zweite Welle hat uns kalt erwischt: Lautstark melden sich andere zu Wort. So wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, der vor dem Bund-Länder-Impfgipfel einen „Fahrplan“ bis Ostern fordert. Als sei das Infektionsgeschehen eine feste Größe, auf die man dann schematisch reagieren könnte. Tatsächlich aber trauen sich nicht einmal ausgewiesene Experten Prognosen, die über mehrere Wochen hinausgehen. Die Ereignisse im Herbst haben gezeigt, wie unberechenbar die Lage ist. Das Virus kam zurück und hat uns kalt erwischt. Auf die zweite Welle war Deutschland nicht vorbereitet. Das gilt für Schulen ebenso wie für den Schutz der besonders gefährdeten Menschen in Pflegeheimen. Was bei der Impfstrategie alles schlief gelaufen ist, wird den Impfgipfel beschäftigen. Im besten Fall geht es dabei um den Blick nach vorn. Und nicht nur um die Suche nach den Schuldigen. Lockdown: Schleswig-Holstein legt Strategie zur Öffnung vor: Die PR-Experten der Politik tun also gut daran, kleinere Brötchen zu backen. Eine Öffnungsstrategie, wie sie die Kieler Koalition in dieser Woche vorgelegt hat, geht sicher in die richtige Richtung. Auch, weil sie unter Vorbehalt veröffentlicht wurde. Dass Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion dennoch vom großen Wurf sprachen, der ihnen da gelungen sei, klingt mehr als befremdlich. Eigenlob stinkt bekanntlich. Die Komplimente haben in dieser Phase die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins verdient, die in einer beispiellosen Krise Haltung und Ruhe bewahren. Wer in die Geschichtsbücher eingeht, wird sich früh genug herausstellen. Von Gerald Goetsch