Corona und der Arbeitsmarkt 2021: SH kommt glimpflich davon

2020 habe es in der Spitze bis zu 20 000 Arbeitslose mehr gegeben als zuvor, sagte Margit Haupt-Koopmann, die BA-Chefin im Norden, am Freitag in Kiel. Im Jahresdurchschnitt 2020 waren 92 100 Menschen arbeitslos gemeldet, 12 500 oder 15,6 Prozent mehr als 2019. „Dieser Zuwachs geht vollständig auf das Konto der Corona-Pandemie. Vor allem dank der Kurzarbeit hat der schleswig-holsteinische Arbeitsmarkt die Corona-Krise bisher vergleichsweise glimpflich überstanden“, sagte sie. Das Kurzarbeitergeld habe sich als das wichtigste Instrument in der Krise bewährt und habe entscheidend zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes beigetragen. „Im April befand sich jeder vierte Betrieb und jeder sechste sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Kurzarbeit. Das waren 20 900 Betriebe mit 154 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, sagte Haupt-Koopmann. Kurzarbeit sei ein „Rettungsanker“ in der Corona-Pandemie. Haupt-Koopmann: „Corona-Jahrgang“ verhindern: Der Ausblick aufs neue Jahr sei schwierig. Aber auch, wenn der Lockdown andauern sollte, blicke sie „verhalten optimistisch“ aufs neue Jahr und rechne im Schnitt mit keinem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Arbeitsagenturen und Jobcenter hätten drei Schwerpunkte für 2021. Neben Kurzarbeit und Weiterbildung und der Qualifizierung von Arbeitslosen gelte ihr Augenmerk vor allem dem Ausbildungsmarkt. „Der Start ins neue Ausbildungsjahr wird für alle Beteiligten ein großer Kraftakt werden. Die Arbeitsagenturen werden, auch in digitaler Form, wieder ihren Beitrag im Rahmen der Berufsorientierung und der Beratung von Jugendlichen leisten“, sagte Haupt-Koopmann „Denn wir müssen auch 2021 im engen Schulterschluss mit dem Land und unseren Partnern einen Corona-Jahrgang auf dem Ausbildungsmarkt verhindern.“ Ausbildung sei der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit. Buchholz: Enorm wichtig, dass weiter ausgebildet wird: Der Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein sei noch „relativ stabil im Vergleich zu vielen anderen Ländern“, sagte Wirtschafts- und Arbeitsminister Bernd Buchholz (FDP). Die Unternehmen versuchten, ihre Fachkräfte zu halten, und die Kurzarbeit helfe dabei. Neben Qualifizierungen und Fortbildungen von Beschäftigten sei auch die duale Ausbildung wichtig für die Sicherung von Fachkräften. „Die Unsicherheit bei allen ist groß, aber gerade in diesem Jahr ist es enorm wichtig, dass weiterhin ausgebildet wird, um keine Jugendlichen dauerhaft zu verlieren“, sagte Buchholz. Das Land unterstütze daher den Übergang von der Schule in die Ausbildung mit Coaching und Potenzialanalysen von Schülerinnen und Schülern. Darüber hinaus seien viele gute Formate entwickelt worden, um Berufsorientierung und Lehrstellenvermittlung in digitaler Form umzusetzen wie digitale Berufsmessen und Ausbildungsbotschafter. Buchholz appellierte an die Betriebe und Jugendlichen, diese neuen Wege auch zu beschreiten. Neue Angebote annehmen: „Die Corona-Pandemie lehrt uns, dass agile, digitale Geschäftsmodelle, Arbeitsorte und Arbeitszeitmodelle, wo immer möglich, richtig und wichtig sind“, sagte Buchholz. Auch dadurch könne man für künftige Beschäftigte und Auszubildende attraktiver werden. „Um unsere Unternehmen in dem Transformationsprozess weiter zu unterstützen, starten wir im dritten Quartal dieses Jahres den ,Fachkräfteservice Schleswig-Holstein’ als landesweite zentrale Servicestelle für die Belange der Fachkräftegewinnung und -sicherung von kleinen und mittelständischen Unternehmen“, sagte Buchholz. Der „Fachkräfteservice Schleswig-Holstein“ berät, bündelt wesentliche Informationen und vermittelt an die zuständigen Stellen. „Homeoffice nutzen, wo immer es möglich ist“: „Immer da, wo es möglich ist, soll Homeoffice genutzt werden“, sagte der Minister. Die Unternehmen im Land bemühten sich bereits nach Kräften. Eine Pflicht zum Homeoffice halte er für schwierig, das gehe an der Lebenswirklichkeit vieler vorbei. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Erwartungen schüren, die wir nicht halten können.“ In seinem Ministerium seien bereits 80 bis 90 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice. Das sei nicht überall in der Landesverwaltung so, er sehe noch „Luft nach oben“. Haupt-Koopmann erklärte, dass von den bundesweit 100 000 Beschäftigten der Arbeitsagenturen jetzt 54 000 im Homeoffice sind, vor Corona waren es nur 9000. Wichtig, dass Konjunktur wieder anspringt: Man müsse damit rechnen, dass es eine Welle von Insolvenzen gebe und auch die Zahl der Arbeitslosen vorübergehend deutlich steige, sagte Buchholz. „Entscheidend ist aber, wie gut nach Corona die Konjunktur wieder anspringt.“ Die Zahl der Langzeitarbeitslosen sei auch gestiegen, wenn auch nicht so stark wie die Zahl der Arbeitslosen insgesamt, sagte BA-Regionalchefin Haupt-Koopmann. Die wichtigste Frage sei, wie aufnahmefähig der Arbeitsmarkt nach der Pandemie sei. „Sobald der Arbeitsmarkt wieder anzieht, werden auch Langzeitarbeitslose davon profitieren.“ DGB fordert: Mehr für Mini-Jobber tun: „Der Optimismus des Wirtschaftsministers in allen Ehren, aber nach wie vor sind im Vergleich zum Vorjahr viel zu viele Menschen ohne Arbeit“, sagt Uwe Polkaehn, der Vorsitzende des DGB Nord. Vor allem prekär Beschäftigte, also befristet Beschäftigte, Minijobber und Soloselbstständige, seien von der Pandemie besonders betroffen. „Das zeigt, wir brauchen dringend mehr soziale Sicherheit, zum Beispiel die Einbeziehung der Minijobber in die sozialen Sicherungssysteme“, sagt er. Der Einbruch mache es schwer, Menschen zügig wieder in gute Arbeit zu bringen. Besonders ungünstig sei derzeit die Situation für junge Menschen. Polkaehn: „Wem der Berufseinstieg in Krisenzeiten nicht gelingt, hat dauerhaft schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt.“ Der DGB erwarte eine Kraftanstrengung für mehr Ausbildung sowie Qualifizierung während der Arbeitslosigkeit. Lesen Sie auch Arbeitsmarkt in Lübeck: Corona trifft die Jugend besonders hart Ostholstein: So wirkt sich Corona auf den Arbeitsmarkt aus Ostholstein: Mehr Anträge auf Kurzarbeit Buchholz hofft auf Aufholprozess: Das Land, so der Minister weiter, leiste insgesamt einen erheblichen Beitrag zur Linderung der Folgen der Corona-Pandemie und verliere dabei die Herausforderungen für den Arbeitsmarkt nicht aus dem Blick. „Die weitere Entwicklung kann angesichts der Infektionslage nur schwer vorhergesagt werden, dennoch bin ich vorsichtig optimistisch, dass wir größere Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt vermeiden können und auch die Konjunktur am Ende der Pandemie schnell wieder in einen Aufholprozess zurückfindet“, sagte Buchholz. Von Christian Risch