Das ist die Rocker-Äffäre in Schleswig-Holstein

In einem Neumünsteraner „Subway“ gerieten im Frühjahr 2010 zwei Gruppen der verfeindeten Rockerclubs „Bandidos“ und „Red Devils“ aneinander. Bei einer Messerstecherei in dem Schnellrestaurant wurden zwei Männer verletzt. Einem 45-Jährigen wurde in den Oberkörper, das Bein sowie den Oberarm gestochen. Der Mann wurde notoperiert, schwebte in Lebensgefahr. Das zweite, 50-jährige Opfer konnte ambulant behandelt werden. Rund um die Ermittlungen in der Rocker-Szene tauchten allerdings zahlreiche Ungereimtheiten auf. Vorwürfe von LKA-Beamten: Erste Beschuldigungen waren 2017 öffentlich geworden. Es gab Hinweise, dass sich Polizeiführer bei den Rockerermittlungen und den Folgen in das laufende Geschäft eingemischt hatten. Zwei Polizisten der Soko „Rocker“ gaben an, ihr Vorgesetzter habe sie gehindert, entlastende Aussagen eines Informanten aus der Rockerszene vollständig zu protokollieren. Sie seien gemobbt und gegen ihren Willen versetzt worden. Weitere Beamte sollen ebenfalls über Schikanen und Bespitzelung geklagt haben. Polizeiführung muss gehen: Im Mittelpunkt stand dabei immer wieder der damalige LKA-Vize und spätere Landespolizeidirektor Ralf Höhs. Er musste genau wie der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, Jörg Muhlack, nach Bekanntwerden der Affäre gehen. Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) hatte sie im Herbst 2017 abgesetzt. LKA-Chef Thorsten Kramer ging in den Ruhestand. Grote selbst hatte einen Zusammenhang zwischen Personalwechsel und Rocker-Ermittlungen allerdings bestritten. Polizeiführung soll Aufklärung behindert haben: Die geschasste Polizeiführung habe die Aufklärung der Rocker-Affäre der Landespolizei „eher behindert“, war sich der frühere Vize-Landeschef der Polizeigewerkschaft DPolG, Thomas Nommensen, sicher. Der Gewerkschafter gilt als scharfer Kritiker der Landesregierung – und steht inzwischen selbst im Fokus von Ermittlungen. Der Vorwurf: Er soll Polizeiinterna unter anderem über Missstände in der Landespolizei an die Presse weitergegeben haben. Pastor schwärzt Gewerkschafter an: Die Auswertung von beschlagnahmten Handys und Computern hatte laut Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht gegen den Polizeibeamten aus Lübeck erhärtet. Pikant: Ausgerechnet der Polizei-Pastor Volker S. schwärzte Nommensen an. Bei der Feier zur Amtseinführung des Kieler Polizeichefs saß dieser neben ihm und beobachtete, wie sein Nachbar mit einem Journalisten via WhatsApp chattete. Er beobachtete einen gehässigen Kommentar Nommensens über die Personalie – und meldete den Vorfall bei Landespolizeichef Michael Wilksen. Untersuchungsausschuss arbeitet Affäre auf: Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) zur Rocker-Affäre will seit April 2018 unter anderem auch klären, ob die Polizeiführer aus Erfolgsdruck wegen des ,Rockerkrieges’ oder um dem damaligen Innenminister Klaus Schlie (CDU) Erfolge zu melden oder gar auf Anweisung aus dem Ministerbüro gehandelt haben. Innenminister Hans-Joachim Grote wollte den beiden LKA-Beamten für ihre Aussagen zunächst einen Maulkorb verpassen, ruderte später aber zurück. Der Innenminister geriet in dem Ausschuss auch selbst unter Druck, er habe einen Bericht von Ex-Innenminister Klaus Buß zu Vorwürfen gegen die Polizei und führende Beamte „einseitig und parteiisch“ interpretiert, klagte der ehemalige stellvertretende Leiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums. Dubioser Staatsanwalt: Inzwischen wird auch die Rolle der Staatsanwaltschaft Kiel in der Rocker- und LKA-Affäre immer dubioser. Ihr Oberstaatsanwalt Alexander O., der im PUA die Verfälschung einer Ermittlungsakte zugegeben hatte, war schon 2012 wegen seiner Arbeitsweise innerhalb der Ermittlungsbehörde in die Kritik geraten. Weder alte Kollegen, noch die amtierende Staatsanwalts-Chefin Birgit Heß hatten dem PUA allerdings davon berichtet. Der Untersuchungsausschuss arbeitet die Affäre weiter auf. Grote tritt zurück: Am Dienstag nun die Überraschung: Innenminister Grote tritt zurück. „Im Zuge eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen einen Beamten der Landespolizei ist dem Ministerpräsidenten in den vergangenen Tagen auch der Schriftwechsel zwischen mir und einem Journalisten übermittelt worden“, teilte Grote mit. Er wolle nun politischen Schaden abwenden, sagte der frühere Oberbürgermeister von Norderstedt. Von Jan Wulf

Grote-Rücktritt - Das ist die Rocker-Affäre in Schleswig-Holstein