Deutschland benimmt sich daneben: Ist Corona-Rücksicht uncool geworden

Erinnern Sie sich noch? Junge Menschen gingen für ältere Nachbarn, deren Namen sie Wochen zuvor nicht wussten, zum Einkaufen. Bewohner von Wohnsiedlungen gründeten Whatsapp-Gruppen, um Absprachen über Quarantäne, Hausaufgaben oder darüber zu treffen, wer mit Joghurt oder Klopapier aushelfen kann. Abends öffneten alle ihre Fenster und applaudierten für die Tausenden, die in Krankenhäusern oder Pflegeheimen Sonderschichten einlegen mussten. Das Coronavirus hat Leid und Angst verbreitet, aber auch Zusammenhalt bewirkt: Deutschland, das viele für ein Land der Individualisten gehalten hat, in dem jeder vor allem auf seinen eigenen Vorteil schielt, verwandelte sich in eine echte Gemeinschaft. Fünf Monate ist das jetzt her. Das Coronavirus, das viel Leid und Angst verbreitet, hatte auch Gutes bewirkt: Zusammenhalt. Wer sich heute umschaut, kann den Eindruck gewinnen, dass es mit dieser Solidarität nicht mehr weit her ist. Da reißt Ostseebesuchern der Geduldsfaden, wenn sie länger als erwünscht darauf warten, zum erwünschten Scharbeutzer Strandabschnitt durchgelassen zu werden. Prompt entdecken sie eine vermeintliche Abkürzung und marschieren direkt durch die Dünen. Zuerst ich! Diese Sichtweise scheint wieder auf dem Vormarsch zu sein. Was schert mich der geschützte Strandhafer, was scheren mich Corona-Regeln im Sommer-Hotspot, was scheren mich die anderen, die sich an diese Regeln halten? Zuerst ich! – diese Sichtweise scheint wieder auf dem Vormarsch zu sein. Strandkorbvermieter werden dafür bepöbelt, dass sie auf Abstände achten und darauf, dass sich ihr Bereich nicht überfüllt. In Travemünde blieben nach dem ersten heißen Augustwochenende 50 Kubikmeter Müll am Strand zurück. Mit dieser Menge ließen sich 15 Müllwagen füllen. Vernebelt Sehnsucht so die Sinne, dass einem die anderen wurscht sind? Geht‘s noch, Deutschland? Ist unsere Solidarität schon aufgebraucht? Ist Rücksicht wieder uncool geworden? Klar, nach Wochen und Monaten ohne Reisen, unter Verzicht auf vieles Liebgewonne, haben sich Sehnsüchte aufgestaut. Danach, wieder zu feiern. Danach, Menschen wieder in den Arm zu nehmen. Und danach, endlich wieder ins Meer zu springen. Aber kann diese Sehnsucht die Sinne so sehr vernebeln, dass es einem wurscht ist, andere zuzuparken, sie anzupöbeln oder ihnen den eigenen Müll zur Entsorgung zu hinterlassen? Das Vertrauen, dass wir aufeinander achtgeben, beginnt zu bröckeln: Ein Vertrauen hat sich im Frühjahr breit gemacht in unserem Land, ein Vertrauen, dass wir aufeinander achtgeben. Dass jeder etwas dazu beisteuert, die Pandemie zu bremsen, auch wenn wir nicht immer wissen wie, auch wenn Fehler gemacht werden beim Kampf gegen das Virus. Dieses Vertrauen beginnt zu bröckeln. Es wird aufs Spiel gesetzt von all jenen, die meinen, sie selbst legen für sich alle Regeln fest – auch auf Kosten anderer und der Allgemeinheit. „Das gehört sich nicht!“, pflegt meine Mutter bei solchem Benehmen zu sagen. Recht hat sie. Zeigen wir Pöblern, Tramplern und Ignoranten durch unser Verhalten, dass sie im Unrecht sind. Und in der Minderheit. Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Familienfeier, Grillabend, Mund-Nasen-Schutz: Diese Corona-Regeln gelten aktuell in SH Abstand, Hygiene, Gästezahl: Das sind die Vorschriften für private Feiern Corona-Knigge: So geht Urlaub im Norden während der Pandemie Volle Strände in Schleswig-Holstein: Hier finden Tagestouristen Alternativen So bereiten sich Schulen auf eine mögliche zweite Welle vor Corona-Tests an Schulen: Die neue Strategie der Landesregierung Corona-Kurve stark abgeflacht – UKSH-Experte warnt vor Leichtsinn Lockerungen: Diese Dinge sind seit dem 20. Juli in Schleswig-Holstein erlaubt Abstands- und Hygieneregeln in Schleswig-Holstein: So teuer sind Verstöße Das sind jetzt die Regeln für Restaurants und Gaststätten in Schleswig-Holstein Zum Nachfahren: Schöne Fahrradtouren rund um Lübeck Schutzmasken richtig tragen: So geht’s! Diese Maskentypen gibt es – und so werden sie richtig genutzt Maskenpflicht in Schleswig-Holstein – das müssen Sie wissen #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Diese Veranstaltungen in Schleswig-Holstein fallen aus Von Lars Fetköter