Donuts und Büroschlaf: Stimmen die Polizei-Klischees aus dem Krimi?

Wir allem haben Bilder vom Polizeialltag im Kopf, geprägt durch das, was wir im Fernsehen sehen. Doch wie viel davon ist wahr. Die LN haben die berühmtesten Klischees überprüft. Läuft eine Mordermittlung auf Hochtouren arbeitet der Kommissar fast rund um die Uhr und schläft zwischendurch gerne im Büro auf einem durchgelegenen Sofa. Na klar werden bei besonderen Einsätzen wie einer Mordermittlung auch Überstunden gemacht. „Eine Rund-um-die-Uhr Bearbeitung durch ein und dieselbe Person ist physisch jedoch nicht möglich – und auch für die erfolgreiche Einsatzbewältigung nicht hilfreich“, sagt Polizeisprecher Steffen Büntjen. Das heißt aber nicht, dass nicht auch durchgearbeitet werden kann. „Wenn es erforderlich ist, werden Beamte zusammengezogen, um in einem Wechselschichtbetrieb an einer Sache zu arbeiten“, so Büntjen. Allerdings: Was im Krimi fast jeden Sonntag passiert, ist im polizeilichen Alltag der Polizeidirektion Bad Segeberg die Ausnahme. Denn Mordfälle im Kreis Segeberg werden durch die Bezirkskriminalinspektion Kiel bearbeitet. Dort ist das K1, die sogenannte Mordkommission, angegliedert. In dem Büro einer Ermittlungsgruppe gibt es immer eine große Pinnwand mit Karten, Fotos von Verdächtigen und Zeitungsartikeln, vor denen gemeinsam gegrübelt wird. Das sieht vielleicht im Film als Bildhintergrund gut aus, aber die Polizei ist ja nicht von gestern, sondern längst digital. „Pinnwände wie im Krimi sind bei der Polizei eher selten zu finden. Für die Betrachtung von Karten, Fotos und anderem werden bei Besprechungen in der Regel Laptop und Beamer eingesetzt“, sagt Büntjen. Wenn es keinen Durchsuchungsbeschluss gibt, der Beamte aber mal einen Blick in die Wohnung werfen will, fragt er den Verdächtigen gerne: „Darf ich mal ihr WC benutzen?“ Und sieht sich dann heimlich um... „Die Variante ,Darf ich mal Ihr WC benutzen’ gehört einzig in die Trickkiste des Krimis“, sagt Büntjen. Der Gesetzgeber habe klare „Spielregeln“ für die Polizei festgelegt, an die sich auch gehalten werde. Denn nach denen darf die Polizei viel mehr als so mancher Verdächtiger glaubt. Die Aussage „Ohne Durchsuchungsbeschluss dürfen Sie hier nicht rein“ sei nämlich gar nicht zu 100 Prozent richtig. „In Fällen, bei denen Gefahr im Verzuge besteht, kann auch die Polizei eine sofortige Durchsuchung anordnen und durchführen. Die rechtlichen Voraussetzungen sind für jeden Einzelfall neu zu beurteilen“, erklärt Büntjen. Ach so, in Filmen wird häufig das Wort „Durchsuchungsbefehl“ verwendet, doch den gibt es nicht. Der richtige Begriff lautet Durchsuchungsbeschluss. Egal ob Schutzpolizist oder Kommissar, alle Polizisten lieben Currywurst, Lieferpizza und – natürlich – Donuts… Die kulinarischen Vorlieben von Polizeibeamten sind so individuell wie bei jedem anderen Menschen auch. „Wer allerdings im Schichtdienst arbeitet, kennt das Problem, dass zur späten Stunde nur noch wenige Möglichkeiten der Versorgung bestehen, falls man noch nicht einkaufen war“, sagt Büntjen. Lars Brockmann, der auch schon in Wahlstedt auf Streife war, kennt das. „da habe ich mir auch schon mal Pizza, Döner oder Currywurst mit Pommes liefern lassen oder geholt. Aber das war die Ausnahme. Meist habe ich selbst Gekochtes von zu Hause dabei.“ Aber eines weiß er ganz sicher: „Der amerikanische Donut ist nicht so verbreitet.“ Haben nicht alle einen Prof. Boerne wie im Münsteraner Tatort? Der Rechtsmediziner steht den Ermittlern gerne mit Rat und Tat zur Seite und taucht auch schon mal am Tatort auf, um eine Leiche in Augenschein zu nehmen. „Ob ein Rechtsmediziner bereits vor Ort an einem Tatort zum Einsatz kommt oder erst im weiteren Verlauf die Obduktion vornimmt, ist an jedem Einzelfall festzumachen. Die Entscheidung liegt bei der Kripo und der Staatsanwaltschaft“, erklärt Büntjen. Allerdings werde es in der realen Polizeiarbeit Schleswig-Holsteins nicht vorkommen, dass der Rechtsmediziner vor der Kripo am Tatort sei, denn die würden ihn immer erst anfordern. Apropos Tatort, im Film müssen die Spurensicherer immer im weißen Schutzanzug den Tatort untersuchen, während der Kommissar sich höchstens ein paar Gummihandschuhe überstreift und ansonsten in Schlabberjacke und Jeans durch die Szene läuft. Alle oder keiner ist die Devise. „Wann und ob Schutzanzüge getragen werden, lässt sich pauschal nicht beantworten. Grundsätzlich ist die Erforderlichkeit dieser Anzüge vom Spurenbild im Einzelfall abhängig. Das muss nicht immer das Tötungsdelikt sein, das kann auch bei anderen Delikten wie einem Raubüberfall vorkommen“, sagt Büntjen. Wenn es aber erforderlich ist, zieht jeder Mitarbeiter am Tatort diesen Schutzanzug an. Wenn Herr oder Frau Kommissar kommt, hält der Streifenpolizist nur noch gehorsam das Flatterband hoch. Es kann zwar sein, dass ein Polizist dem anderen aus Freundlichkeit das Flatterband hochhält, mit einer Rangordnung hat dies jedoch nicht unbedingt etwas zu tun. Kriminalpolizei und Schutzpolizei haben klar geteilte Aufgaben. Dazu kann es auch gehören, dass die Schutzpolizei die Absperrmaßnahmen vornimmt. Die Kripo ist gegenüber der Schutzpolizei jedoch nicht weisungsbefugt. In beiden so genannten Laufbahnen gibt es die gleichen Dienstgrade. Was bei der Kripo der Kriminalkommissar ist, ist bei der Schutzpolizei der Polizeikommissar. Beiden haben den gleichen Dienstgrad, verdienen gleich viel und arbeiten gleichberechtigt zusammen. TV-Kommissare wie Klaus Borowski (uralter brauner VW Passat Kombi) oder Thorsten Lannert (Porsche Targa von 1973, natürlich auch in braun) machen es vor: Kripobeamte fahren gern im Privatwagen vor, am liebsten im Oldtimer. Das ist gleich doppelt falsch. „Die Kolleginnen und Kollegen der Kripo, aber auch Zivilkräfte der Schutzpolizei sind während der Arbeit grundsätzlich mit Dienstfahrzeugen unterwegs“, sagt Büntjen. Und das sind auch keine Oldtimer. „Die Polizei verfügt über moderne Zivilstreifenwagen Es handelt sich um unterschiedliche Fahrzeugtypen“, sagt Büntjen. Welche das sind, wird öffentlich nicht bekanntgegeben, denn anders als bei Borowski und Co. sollen die Ganoven ja nicht schon auf 200 Meter Entfernung sehen, wer da kommt... Von Sven Wehde

Tatort - Donuts und Büroschlaf: Stimmen die Polizei-Klischees aus dem Krimi?