Dräger: Kapitalerhöhung in der Corona-Krise

Erst am Montagabend war die Kapitalerhöhung angekündigt worden, innerhalb weniger Stunden waren dann die eine Million Vorzugsaktien, die Dräger institutionellen Anlegern angeboten hatte, zum Stückpreis von 76,50 Euro verkauft. Damit fließen dem Unternehmen 76,5 Millionen Euro zu. Sie sollen zum einen „kurzfristig die Liquidität und Eigenkapitalbasis hinsichtlich des hohen Auftragseingangs im Zuge der Covid-19 Pandemie stärken“, zum anderen die Kündigung von Genussscheinen finanzieren, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Produktion wird erweitert: Wegen der sprunghaft gestiegenen weltweiten Nachfrage hatte Dräger bereits angekündigt, die Produktion von Beatmungsgeräten im Laufe des Jahres zu vervierfachen auf etwa 1000 Geräte pro Woche. Dabei geht es vor allem darum, die Kapazitäten zu erweitern, eine dritte Schicht aufzubauen und den Engpass bei den Testräumen zu beseitigen. Dräger will dazu am Stammsitz in Lübeck insgesamt etwa 300 neue Mitarbeiter einstellen. Außerdem hatte das Unternehmen angekündigt, einen Auftrag in den USA zur Fertigung von Atemschutzmasken gewonnen zu haben. Bis September soll an der US-Ostküste die Produktion laufen. Das alles muss finanziert werden. Jahresprognose wird überarbeitet: Bei den vorläufigen Zahlen für das erste Quartal hatte das Unternehmen bereits erläutert, dass es bei Umsatz und Gewinn gute Chancen auf ein besseres Ergebnis gebe als bisher vorhergesagt. Zurzeit werde der Ausblick und die Prognose für das laufende Geschäftsjahr überarbeitet, erklärte ein Sprecher. Die Nachfrage nach Dräger-Produkten übersteige derzeit das Angebot bei weitem. Vorstandschef Stefan Dräger hatte erklärt, dass das Unternehmen derzeit laufend Anfrage nach Beatmungsgeräten bekommen, von denen er viele auch absagen müsse. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Lob von der IG Metall: Die IG Metall lobt die Entscheidung. „Mit der Kapitalerhöhung wird das Eigenkapital, trotz der nachvollziehbaren Kündigung der Genussscheine, von Dräger gestärkt. Das schafft mehr Sicherheit mit dem Blick auf die nächsten Monate“, sagt Daniel Friedrich, Leiter des IG-Metall-Bezirks Küste und Mitglied im Aufsichtsrat. „Wir werden zeitnah mit Dräger die Gespräche über den laufenden Tarifvertrag aufnehmen. Die bessere Lage des Konzern muss auch bei den Beschäftigten ankommen“, erklärte Friedrich. Aktionärsvertreter: Sinnvoller Schritt: „Das ist ein sinnvoller Schritt. Dräger muss investieren, um die vielen Bestellungen abzuwickeln und dafür braucht das Unternehmen Geld“, sagt auch Josef Gemmeke, der für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) das Unternehmen beobachtet. „Genussscheine passen nicht mehr in die heutige Zeit, vor allem für Investoren aus dem Ausland ist dieses Instrument unverständlich.“ Dabei gehe es um Kapital von insgesamt 550 Millionen Euro, Genussscheininhaber bekamen die zehnfache Dividende im Vergleich zu den Vorzugsaktionären. „Das passt nicht mehr. Mit der Kündigung der Genussscheine befreit sich Dräger von diesem Problem“, erklärt Gemmeke. Ära der Genussscheine endet: Genussscheine gelten als ein Finanzierungsinstrument der 80er Jahre, als viele Unternehmen solche Papiere ausgaben. Erst vor wenigen Wochen hatte Dräger bereits angekündigt, Genussscheine der Serie D zu kündigen, jetzt folgt die Kündigung von etwa 195 000 Genussscheinen der Serie A und knapp 70 000 der Serie K zum Jahresende. Der Rückkaufwert dieser beiden Serien belaufe sich pro Genussschein auf etwa 593 Euro, bei der Serie D auf 546,20 Euro. Danach wäre die Ära der Genussscheine bei Dräger beendet. Familie hat sich an Kapitalerhöhung beteiligt: Die neuen Aktien werden ab Mittwoch, 22. April, zum Handel zugelassen. Das Unternehmen teilte mit, die Familie Dräger habe sich an der Kapitalerhöhung beteiligt, ohne die Höhe der Beteiligung anzugeben. Da es sich bei den neuen Anteilsscheinen ausnahmslos um stimmrechtlose Vorzugsaktien handelt, ändert sich nichts an den Mehrheitsverhältnissen im Unternehmen. Die Familie Dräger hält nach wie vor die deutliche Mehrheit der stimmberechtigten Stammaktien. Auftragseingang sprunghaft gestiegen: Der Umsatz sei währungsbereinigt im ersten Quartal um etwa 7,1 Prozent auf rund 640 Millionen gestiegen, hatte das Unternehmen vor knapp zwei Wochen mitgeteilt. Der Auftragseingang habe bei im ersten Quartal bei 1,393 Milliarden Euro gelegen, im ersten Quartal des Vorjahres waren es 648 Millionen Euro. War vor der Corona-Krise die Sicherheitstechnik stärker, sei nun die Nachfrage in der Medizintechnik „aktuell besonders hoch“. 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