Flaute bei den Segelmachern

Ab 4. Mai soll „die Ausübung von Wassersport im Rahmen der häuslichen Gemeinschaft oder mit maximal zwei Personen“ wieder zugelassen werden. So sieht es die Landesverordnung aktuell vor. Unter dem Vorbehalt, dass keine Gründe für ein Zurückrudern entstehen. Aktuell dürfen nur Solosegler mit ihren Jollen unter Einhaltung der Abstandsregel an den Stränden ablegen, Häfen und Vereinsanlagen aber sind gesperrt, das Kranen ist derzeit nur bei Werften erlaubt. Sicherheitsschleuse zur Corona-Abwehr: „Weil die Schiffe nicht im Wasser sind, stehen dort keine Arbeiten an und wir können nach Gusto produzieren und unsere Aufträge aus dem Winter abarbeiten“, berichtet der Travemünder Segelmacher Marco Haase, der seine Kundschaft hauptsächlich im Fahrtenbereich hat. Die Regattasegler bei der Travemünder Woche haben ihn dennoch in der Werkstatt am Gneversdorfer Weg aufgesucht, wenn Reparaturen anstanden. Wer dieser Tage kommt, wird von einer Sicherheitsschleuse empfangen, die er mit seinem Bruder Carlo, dem Persenningmacher in der Familie, konstruiert hat, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. „Wir müssen ja arbeiten“, sagt er und beschreibt die momentane Situation bildhaft: „Derzeit fressen wir unseren Speckrand auf.“ Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Kaum neue Aufträge in der sonst umsatzstärksten Zeit: Normalerweise sichere er sich in den Monaten von März bis Juli die Hälfte seines Jahresumsatzes, in den vergangenen drei Wochen habe er nun „erst einen neuen Auftrag reinbekommen“. Er hofft, dass die Geschäfte anziehen, „wenn die Leute wieder auf ihren Booten sind und sich was gönnen. Segeln ist die Flucht aus dem Alltag. Und die werden viele derzeit wahrscheinlich besonders genießen wollen.“ 70 Prozent seiner Aufträge produziert Haase mit einer Mitarbeiterin (die auf Teilkurzarbeit gesetzt ist, „um die Aufträge zu strecken“) und einer Auszubildenden vor Ort selbst. Bei den 30 Prozent, die aus Slowenien und Italien kommen, hatte er bisher keine Probleme mit den Lieferketten. Andererseits hat er als Anbieter auch hochpreisiger Segel einige Kunden, die mit ihren Schiffen im Mittelmeer liegen. „Persönliche Auslieferungen nach Sardinien, Griechenland und Südfrankreich musste ich verschieben. Weil’s keine Flüge gibt, aber auch, weil’s derzeit ganz einfach keine gute Idee ist, dorthin zu reisen.“ Noch schnell neue Segel vor dem ersten Törn: In Großenbrode hoffen Janik Matschuk (33) und Simon Henzel (27), Chefs von Jan-Segel, dass es „generell für die Wassersportler“ bald wieder los geht. Bei der „TraWo“ und in Kiel waren sie in den vergangenen Jahren nicht als Dienstleister dabei, sondern sind mitgesegelt. Als Mitglieder in der Allianz Deutscher Segelmacher produzieren sie ausschließlich in Deutschland. Lieferprobleme kennen sie daher nicht. Und von einer Flaute in den Auftragsbüchern „ist nichts zu spüren“, sagt Matschuk und berichtet von neuen Aufträgen: „Weil bisher noch nichts ging auf See, ordern die Kunden jetzt noch, wollen sich so die Auftakttour mit alten Segeln ersparen.“ Zum Schutz im Zwei-Schicht-System: Wie’s im nächsten Herbst und Winter aussehen, „wenn sie wenig gesegelt sind und kaum was kaputt gegangenen ist“, müsse man abwarten. Um beim Abarbeiten der Bestellungen aus dem Winter keinen Corona bedingten Totalausfall zu riskieren, verarbeiten die beiden Chefs, der Geselle und die drei Azubis die 1,50 Meter breiten Bahnen von den 70-Meter-Rollen im Zwei-Schicht-System. Weil bei der Werft gegenüber Schiffe gekrant werden dürfen, können Matschuk und sein Team dort sogar schon die Segel anschlagen. Warten auf die Touristen: Auch bei der Oleu-Segel GmbH direkt an der Jachthafen-Promenade in Heiligenhafen hat man von den angedachten Lockerungen im Freiluftsport gehört. Allein: Für die Chefs Oliver Leu (55) und Sascha Schwarck (46) ist das kein Lichtstreif am Horizont. „Das mag toll sein für die kleinen Segelvereine, wo die Mitglieder wieder in ihre Boote können. Aber unsere Kunden kommen nicht aus der Region, sondern aus Hamburg oder Berlin und sie haben teure, alte Jachten, die sie zudem nicht zu zweit segeln können. Solange es die Tourismus-Beschränkungen gibt, ändert sich für uns wenig.“ 200 Charterschiffe brauchen keine Reparaturen: Hinzu kommt, dass bei den 40 Prozent Umsatz, die sie normalerweise in der Region machen, die etwa 200 Charterschiffe in Heiligenhafen eine wichtige Rolle spielen. „Die Touristen wollen jeden Tag segeln, wenn sie ein Boot gechartert haben. Und da geht immer was kaputt.“ Die Reparaturen und der Service dabei spülen sonst das Geld in die Kasse. „Doch in diesem Jahr fällt wohl die komplette Saison von April bis September weg“, fürchtet Leu. Neue Segel in der Warteschleife: Bei den Segelneubauten müssen sie immerhin keine Lieferverzögerungen beklagen. Die Ware aus Sri Lanka, wo zuletzt Ausgangssperren ausgesprochen waren, kam bisher pünktlich. Die Produktion könnte also laufen, der Versand zu anderen Segelmachereien wäre möglich. „Aber auch die anderen Häfen in Deutschland sind ja dicht.“ Alternativgeschäft mit Taxi-Schutzfolien: Dass sie dennoch „mehr als gut zu tun“ haben, neben den 16 Angestellten aktuell auch sechs Familienangehörige zusätzlich mit anpacken, ist derweil auch der Corona-Pandemie zu verdanken: Ein Berliner Taxiunternehmer hatte die Idee, seine Fahrer mit einer Folie zu schützen, mit einem Material, wie es für die Fenster bei Persennings, den Schutzbezügen für Boote, benutzt wird. Um die georderten 5000 Stück schnellstmöglich liefern zu können, kleben, malen und schneiden derzeit auch die Kollegen aus dem Büro im Akkord. „Insofern sind wir mit unserer Auftragslage derzeit doch happy“, betont Leu. „Angst vor der Zukunft“ und Hoffen aufs nächste Jahr: Zugleich hat er aber doch „Angst vor der Zukunft“, davor, dass im Herbst der Schub durch Reparaturaufträge und Segelbestellungen fehlt, wenn im Sommer kaum jemand auf dem Wasser war. Zuversichtlich stimmt ihn hingegen der Blick aufs nächste Jahr, in dem die Branche wieder unter vollen Segeln Fahrt aufnehmen könnte.„Dann werden wohl viele Urlauber das Ausland meiden und zu uns an die Küste kommen.“ Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Hier gibt es in und rund um Lübeck noch Masken So setzen Lübecker Geschäfte die 800-Quadratmeter-Regel um Lübeck: Media Docks werden zum Corona-Testzentrum Am 4. 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