Händler in SH warnen: Im Frühjahr gehen bei vielen die Lichter aus

Um die Dramatik der Lage aus erster Hand zu schildern, hat der Handelsverband Nord Einzelhändler aus allen drei Ländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg eingeladen. „Viele kerngesunde Unternehmen stehen am Rand der Klippe. Wenn nicht schnell etwas passiert, hat Deutschland ein riesiges Problem“, sagt Knud Hansen, der Geschäftsführer von Intersport Knudsen mit sechs Standorten in Norddeutschland und insgesamt 100 Mitarbeitern: „Unser größtes Problem ist, dass die umsatzstärkste Zeit komplett wegfällt. Die neue Ware steht vor der Tür und muss bezahlt werden, und die Liquidität ist bei vielen am Ende.“ Wenn die zugesagten Hilfen erst am Ende des Quartals kämen, gehe das Geld gleich an den Insolvenzverwalter. Hansen: „Von den November- und Dezember-Hilfen haben wir nichts bekommen. Wir wissen nicht, wie es weitergeht.“ „Die Krise hat uns mit voller Wucht getroffen“: Auch Christian Bode von Schuhhaus Bode mit insgesamt 18 Geschäften in Norddeutschland hat bisher „überhaupt keine Hilfen“ bekommen. „Die Krise hat uns mit voller Wucht getroffen. Wir hatten im vergangenen Jahr 30 Prozent weniger Umsatz. Auch unsere Mitarbeiter haben einen sehr hohen Preis bezahlt“, erzählt er, „noch so ein Jahr, dann gehen die Lichter aus“. Silke Aumann betreibt ein Schuhgeschäft an der Holtenauer Straße in Kiel, eine der Haupteinkaufsstraßen: „Unsere Rücklagen sind seit dem ersten Lockdown aufgebraucht. Ich habe viel investiert und weiß nicht, wie es weitergehen soll“, sagt sie. Sie spreche auch für die 80 Mitgliedsbetriebe der Interessengemeinschaft „Die Holtenauer“. „Die schönste Einkaufsstraße in Kiel darf nicht sterben“, sagt Aumann. Noch keine staatliche Hilfe bekommen: Tilo Eggemann von der Eggemann Concept GmbH, einem stationären Modeeinzelhändler mit 14 Läden, ist mit Street One und Tommy Hilfiger auch im Lübecker Citti-Park vertreten. „Wir müssen unsere Ware immer vorfinanzieren und haben bisher noch keine staatliche Hilfe bekommen“, erklärt er. „Wir sind in einer dramatischen Situation, und die verschärft sich von Tag zu Tag.“ Er befürchte, im März gehen bei vielen die Lichter aus, wenn die Frühjahrsware nicht bezahlt werden könne. „Wir brauchen dringend eine Perspektive“: Der Einzelhandel scheine mit seinen Problemen von der Politik „nicht richtig wahrgenommen“ zu werden, vermutet Cathrin Köster, Geschäftsführerin der Top Secret Hamburg GmbH. „Wir brauchen Perspektiven, damit wir wenigstens ein bisschen Umsatz machen können“, sagt Kerstin Horbach von Elbprinz und Alstergöre, einem Laden für Kinderschuhe und -bekleidung in Hamburg. Selbst wenn jetzt die Miete gestundet werde, schöben die Händler später „einen Riesenschuldenberg“ vor sich her. Wunsch nach Gleichbehandlung mit der Gastronomie: „Unsere Kunden sind vor allem Touristen, und der Tourismus war für fünf Monate komplett lahmgelegt. Unsere Umsätze sind komplett weggebrochen“, sagt Mareen Bittner, die zwei Modeläden in Zingst und Prerow an der mecklenburgischen Ostseeküste betreibt. „Es wäre fair, wenn wir eine Unterstützung wie die Hotel- und Gastronomiebranche bekommen würden. Händler in Bäder- und Tourismusorten sind besonders stark betroffen“, erklärt sie. Der Einzelhandel in allen Tourismusorten habe die gleiche Situation wie die Gastronomie, ergänzt Dierk Böckenholt, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nord. „Aber die Gastronomie bekommt 75 Prozent des Vorjahresumsatzes, der Einzelhandel geht leer aus.“ Lesen Sie auch Harter Lockdown in SH: Dramatische Folgen für Einzelhandel befürchtet Appell im Weihnachtsgeschäft: Unterstützt den lokalen Einzelhandel! Lübeck: Geschäftsleute setzen im Lockdown auf "Click & Collect" Click & Collect ist ein Tropfen auf den heißen Stein: „Der reine Online-Handel bezahlt keine Mieten, diese Fixkosten fallen da schon einmal weg“, sagt Knud Hansen von Intersport Knudsen. Und Click & Collect, das Angebot, online bei Einzelhändlern zu bestellen und dann die Ware abzuholen, sei im Grunde nur „ein Tropfen auf den heißen Stein, ein Signal nach innen und außen, dass wir noch da sind, mehr nicht.“ Es werde viele Unternehmen im Frühjahr erwischen, wenn jetzt nicht schnelle und einfache Hilfen kommen, sagt Böckenholt. Von Christian Risch