Hamburg: Tschentscher zieht Corona-Notbremse und kritisiert Öffnungen in SH

Nach drei Tagen mit Sieben-Tages-Inzidenzen über 100 hat Hamburg am Freitag die Corona-Notbremse gezogen. Damit werden schon von Sonnabend an die erst Anfang vergangener Woche vollzogenen Öffnungsschritte wieder rückgängig gemacht, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) – und kritisierte dabei die Öffnungen im schleswig-holsteinischen Einzelhandel. Seitenhieb auf Daniel Günther: „Verfrühte Öffnungen verlängern die Krise“: „Vor allem die Situation im Einzelhandel hat zu viel Shoppingtourismus geführt“, sagte Tschentscher. „Wir wissen aus den Analysen der letzten Monate, dass Mobilität ein wesentlicher Pandemiefaktor ist. Verfrühte Öffnungen bringen keine Entlastung, sondern verlängern die Krise und machen die Sache schwerer.“ Das lässt sich als deutlicher Seitenhieb auf Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) und den Öffnungskurs seiner Jamaika-Koalition verstehen. „Hamburger können sich beim Einkaufen in Schleswig-Holstein infizieren“: Tschentscher kritisierte, dass „man in einem Bundesland sich einzelne Landkreise nimmt und dort die Läden öffnet“. Das führe sofort zu einer Mobilität, die schon innerhalb dieses Landes zu einem Problem wird. „Mein Wunsch wäre, dass die Landkreise, die an Hamburg angrenzen, sich wie Hamburg betroffen fühlen“, appelierte Tschentscher an die Adresse von Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Pandemie lasse sich nicht kleinräumlich eingrenzen. „Die Viren kennen keine Ländergrenzen, sie überschreiten auch die Kreisgrenzen“, führte Tschentscher aus und machte in einem Beispiel deutlich, für wie gefährlich er den unterschiedlichen Kurs von Hamburg und seinem nördlichen Nachbarn sieht: „Zwei Hamburgerinnen und Hamburger können sich beim Einkaufen in Schleswig-Holstein infizieren.“ Tschentscher warnt: „Wir sind in einer starken dritten Welle“: Bei der Bund-Länder-Runde am Montag will Tschentscher für seinen Kurs der Vorsicht werben. „Ich befürchte, dass sich die Lage weiter verschlechtert. Wir sind in einer starken dritten Welle. Ich werde dafür aussprechen, dass wir keine weiteren Lockerungsschritte vornehmen – und dass alle Länder die beschlossenen Schritte zur Notbremse konsequent umsetzen.“ Anhebung der Inzidenzgrenze von 35 auf 50 war ein Fehler: Es sei ein Fehler gewesen, „die 35-Grenze bei den Inzidenzen in der Perspektivplanung von Bund und Ländern auf 50 anzuheben. Das habe dazu geführt, dass sofort große Öffnungsschritte in vielen Ländern und Landkreisen vorgenommen wurden.“ Tschentscher, selbst Arzt, habe davon abgeraten, „weil wir bereits in einer steigenden Infektionsdynamik waren und uns bewusst war, dass wir den Beginn einer dritten Welle haben, die von den Virusmutationen bestimmt wird“. Lesen Sie auch So will Lübeck den Einkaufstourismus regeln Hohe Inzidenz: Segebergs Handel stellt auf Termin-Shopping um Impf-Stopp aufgehoben: Schleswig-Holstein verimpft wieder Astrazeneca Hamburg führt ab Sonnabend die Regeln von Anfang März wieder ein: Am Freitag war die Inzidenz in Hamburg auf 108,6 Fälle pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche gestiegen. Bereits am Mittwoch und Donnerstag lag die Inzidenz über 100. Ab Sonnabend sollen nun wieder die Regeln von vor dem 8. März gelten. Im Einzelhandel wäre dann statt „Click & Meet“ nur noch „Click & Collect“ möglich. Treffen nur noch von einem Hausstand und einer weiteren Person: Private Kontakte müssten sich wieder auf eine Person außerhalb des eigenen Hausstandes beschränken, allerdings würden Kinder bis 14 Jahre diesmal nicht mitgezählt. Auch Sport im Freien wäre für Erwachsene nur noch unter diesen Kontaktbeschränkungen möglich. Die erst Anfang der Woche nach Ende der Ferien teilweise wieder geöffneten Schulen und Kindertagesstätten wären von der Notbremse nicht betroffen. Auch der Sport unter freiem Himmel soll für Kinder bis 14 Jahre in Gruppen von bis zu zehn möglich bleiben. Von Lars Fetköter