Hamburger Viermaster kehrt zurück: Peking ist bereit zur letzten Reise

Konstantin Jakobi (27) weiß verdammt gut, wie es ist, auf einem Windjammer zu segeln. Wenn die Takelage knarrt, die Segel sich blähen und der breite Bug durch die Wellen pflügt, begleitet vom Schreien der Möwen. Auf einem historischen Dreimaster ist er schon gefahren, der „Fridtjof Nansen“. Aber die „Peking“ ist größer, ein Viermaster. Damit einmal segeln – das wäre ein Traum. Nur ein Segel: „Wir kriegen ein Segel“, sagt Jakobi. Der Maschinenbauingenieur steht auf dem 115 Meter langen Deck der „Peking“, blickt durch ein Gewirr von Tauen und Rahen in den blauen Himmel über der Stör, einem Nebenfluss der Elbe. Hier liegt die „Peking“ auf dem Gelände der Peters-Werft. Drei Jahre lang ist sie schon restauriert worden. Das Segel werde aus dem finnischen Mariehamn kommen, wo das Museumsschiff „Pommern“, einer weiterer der legendären „Flying P-Liner“ der Hamburger Reederei F. Laeisz, vor Anker liegt. Und bald, am 7. September schon, werde die 109 Jahre alte „Peking“ auf dem großen Fluss nach Hamburg schwimmen, das sehnsüchtig auf seinen „Veermaster“ wartet. Dort soll sie im Museumshafen festmachen. „Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn“, so beginnt der sehnsüchtige Text eines bekannten Seemannsliedes. Und so wäre es dann wirklich wieder. Aber segeln können wird die „Peking“ nicht. Dazu bräuchte sie mehr als nur ein Segel. „Die Gesamtsegelfläche sind 3000 Quadratmeter“, stellt Jakobi fest. Und viel mehr Takelage bräuchte sie auch. Zwar hängen die Taue überall von den Masten, befestigt an der Reling, Stahlseile wickeln sich um die Winden. „Aber wenn man wirklich segeln wollte“, sagt Jakobi, „dann bräuchte man mindestens noch mal doppelt so viel Takelage.“ Jakobi lächelt. „Was nicht ist, kann ja noch werden.“ 35 Millionen Euro sind schon in die Rekonstruktion des Schiffes gesteckt worden. Und wer weiß, vielleicht komme das ja noch. Der Windjammer-Experte, der bei der „Stiftung Historische Museen Hamburg“ angestellt ist, weiß: Das Budget des Deutschen Hafenmuseums Hamburg, dessen Leitobjekt die „Peking“ sein wird, liegt bei insgesamt 120 Millionen Euro. Das Geld kommt vom Bund, es ist eines der bedeutendsten deutschen Museumsprojekte der Gegenwart. Doch nicht nur das Schiff, auch das zugehörige Museum muss davon finanziert werden. Und es soll die gesamte Hafenlandschaft Deutschlands thematisieren. Ein weites Feld. Die Zugänge sind auch für Rollstuhlfahrer geeignet: Die „Peking“ soll dabei weitgehend ohne Vitrinen auskommen. „Das Schiff selbst ist das Ausstellungsobjekt“, erklärt Jakobi. Dafür erhalte es moderne Besuchertoiletten, elektrische Anschlüsse, eine Belüftung und barrierefreie Zugänge. Zwei Aufzüge werden gerade eingebaut und breite Treppenhäuser, überdacht von weißen, verglasten Aufbauten, die sich deutlich vom Holz der Decks und den alten Schiffsaufbau abheben. „Das ist die Philosophie. Alt und Neu klar erkennbar gestalten.“ Mario Peschke (40) von der Reinbeker Firma Lutz arbeitet an der Verkabelung des Aufzugs im Mittelschiff. „Das ist eine Spezialanfertigung mit Sondermaßen“, erläutert er. Alles an diesem Aufzug sei besonders, nichts von der Stange. Zehn Meter tief führt vom Hauptdeck hinunter zum Ladeboden. Ebenso wie die neuen Stahltreppen. Am Achterdeck kniet Tischler Kai Schlatermund (53) auf einer der Stufen, von denen einige bereits mit schönen Paneelen aus Kambala-Holz belegt sind. „Die passe ich gerade ein.“ Kambala Holz sei ein tropisches Hartholz, mit ähnlichen Eigenschaften wie Teak, das zur Entstehungszeit der „Peking“ 1911 überwiegend Verwendung fand. Überzählige Bullaugen wurden entfernt: Werft-Mitarbeiter Kai Mahlstedt (50) ist damit beschäftigt, die sieben Zentimeter dicken Kiefernbohlen zu bohren, aus denen Luken gefertigt werden und mit denen die Unterdecks belegt werden. Im rund sechs Meter hohen und 85 Meter langen Laderaum, ganz unten im Schiff, war der Boden ursprünglich aus Stahl. Der riesige Raum wurde früher, als die „Peking“ noch ihrer ursprünglichen Funktion als Lastensegler diente, vollgestapelt mit den in Chile gebunkerten Salpetersäcken, erzählt Jakobi. 4500 Tonnen fasste der Schiffsbauch. „Damit die Säcke nicht mit der feuchten Schiffswand in Berührung kamen, war diese mit dicken Holzbrettern verkleidet, den sogenannten Schweißblatten. Auch sie wurden rekonstruiert. Das Zwischendeck, ursprünglich ebenfalls nur ein dunkler Laderaum, war nach 1932 mit Bullaugen ausgestattet worden, um mehr Licht zu bekommen. Damals diente die „Peking“ im englischen Kent unter dem Namen „Arethusa“ als Heim für Internatszöglinge. „Insgesamt waren 200 Bullaugen nachträglich eingebaut worden“, berichtet Jakobi. „Die haben wir alle wieder entfernt, um das Schiff so ursprünglich wie möglich aussehen zu lassen.“ Der Salon der Lübecker „Passat“ diente als Vorbild: Das Leben spielte sich zu der Zeit, als die „Peking“ noch mit Windkraft den Atlantik befuhr, auf dem Oberdeck ab. An der Back befanden sich die Unterkünfte der Mannschaft. 24 Matrosen lebten dort in zwei Logis, je zwölf Mann, verteilt auf sechs Doppelstockkojen, in der Mitte ein großer Tisch. Auch die Kombüse befand sich in diesem Bereich, ebenso wie die Offiziersmesse und der Kapitäns-Salon. Einer alten Bauvorschrift ist zu entnehmen, wie diese ausgestattet war: mit Sofa, Weinschrank, Möbelfronten aus poliertem Hartholz und mit Brüsseler Teppich. Jakobi deutet auf das mit Jugendstil-Ornamenten verzierte Salon-Skylight, das original erhalten ist. „Vom Salon ist sonst leider nichts mehr übrig, außer einem gusseisernen Tischfuß, der bei Stemmarbeiten für den Aufzugsschacht gefunden wurde.“ Der Beton war 1932 nach der letzten Fahrt der „Peking“ als Salpeterfrachter eingebracht worden, damit das Schiff auch ohne Ladungsgewicht segeln konnte. Trotzdem wird auch der Kapitänssalon wohl zumindest teilweise wieder hergestellt. Zwar gebe es kein Foto, doch in der Lübecker „Passat“, dem in Travemünde liegendem Schwesterschiff der „Peking“, ist der Salon noch vorhanden. „Vermutlich waren die Möbel mit echtem Leder bezogen“, erzählt Hartmut Haase (71) vom Lübecker Verein „Rettet die Passat“. Die Reederei F. Laeisz, die die Schiffe in Auftrag gab, habe Wert darauf gelegt, ein repräsentatives Ambiente zu schaffen. Heute seien die Bezüge aus der „Passat“ aus Kunstleder, sagt Haase. „Das ist irgendwann so ersetzt worden.“ Die „Peking“ wird ab Frühjahr 2021 zugänglich sein: Auch bei der Einrichtung des Kartenhauses konnten die Lübecker wertvolle Hilfe leisten. „Das ist bei uns nämlich auch original erhalten“, so Haase. Auf der „Peking“ existierte das Haus selbst zwar ebenfalls noch, aber nicht die Einrichtung. Die Winden auf der „Peking“ mussten ebenso neu gebaut werden – auch nach dem Vorbild der „Passat“, sagt Haase. „Der ,Peking-Freunde-Verein’ hat von uns ganz viele Sachen bekommen.“ Vor allem Fotos und Zeichnungen seien ausgetauscht worden. „Wir haben viele Male zusammengesessen.“ Den Peking-Freunden sei dafür aufgefallen, dass der Fockmast der „Passat“ nicht genau mittig saß, sondern leicht versetzt. „Das muss mit einem Unfall Anfang der Zwanziger Jahre zusammenhängen.“ Auf der „Peking“ sitzen die Masten perfekt. Jakobi macht auf ein Detail aufmerksam: „Sie sind mit einer leichten Schräge nach hinten eingebaut.“ Deshalb müsse die Öffnung mit handgefertigten Holzkeilen verschlossen werden. „Jeder Keil ist anders.“ Der „Mastkragen“ schützt die Holzteile gegen wind und Wetter. Es ist einen handgenähte Ummantelung aus Segeltuch, die auf dem Oberdeck geteert ist und in den tieferen Decks mit Leinöl behandelt wurde. Wenn das Schiff Anfang September an seinem endgültigen Liegeplatz am Bremer Kai des Hafenmuseums in Hamburg angekommen ist, werden die Arbeiten weitergehen, kündigt Jakobi an. „Für Besucher wird es im Frühjahr 2021 zugänglich sein.“ Lesen Sie auch Nach zweijähriger Restaurierung ist der Viermaster "Peking", das Schwesterschiff der Lübecker „Passat“, fast fertig. 2020 soll er als Museumsschiff in Hamburg liegen. Takelage für die „Peking“ Die „Peking“ und ihre sieben Schwestern – LN - Lübecker Nachrichten Lübeck - Die „Peking“ kommt später – LN - Lübecker Nachrichten Traditionssegler Peking soll wieder schwimmen Von Marcus Stöcklin