Hamburger sauer: Weiter keine Einreise für Tagestouristen

Schleswig-Holsteins Einreiseverbot für Tagestouristen aus Hamburg und anderen Bundesländern im Zusammenhang mit der Corona-Krise stößt weiter auf Kritik. „Kiel und Schwerin überspannen den föderalistischen Bogen gewaltig. Diese Kontrollposse ist willkürlich, unverhältnismäßig und sehr wahrscheinlich nicht verfassungskonform“, erklärte jetzt der Hamburger Landesvorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats, Henneke Lütgerath. Die CDU-Vereinigung befürchte, „dass dieses Vorgehen das eigentlich so gute Verhältnis, insbesondere zwischen Hamburgern und Schleswig-Holsteinern, nachhaltig vergiftet“. „Rückfall in die Zeit vor 1834“: Der Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates Schleswig-Holstein, Christian von Boetticher, beklagte einen Rückfall in eine Zeit vor 1834, als es das letzte Mal Zollgrenzkontrollen zwischen den Ländern gegeben habe. Er könne nicht erkennen, wie das einen Virus an der Ausbreitung hindern solle. „Ob ein Wedeler zum Spaziergang an der Elbe nach Rissen geht, was erlaubt ist, oder ein Bergedorfer in den Sachsenwald fährt, was verboten ist, macht virologisch keinen Unterschied.“ Kiel steht zu Stufenplan: Tatsächlich will die Landesregierung in Kiel den Tourismus nur stufenweise wieder erlauben. Tagestouristen sollen dabei erst im letzten Schritt wieder ins Land gelassen werden. „Das Thema Tagestourismus steht in dieser Abfolge weiter hinten, weil der am schwersten steuerbar ist“, begründet Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP). Darüber sei er sich mit Vertretern der Tourismusbranche „total einig“. „Man könnte für bestimmte Regionen aber Anmeldeverfahren über das Internet schaffen oder Ticketkonzepte, sodass man die Identität der Gäste auch hier kennt.“ Ein Sprecher des Ministers bezeichnete diesen Vorschlag aber nur als Beispiel für ein mögliches Modell. Tagestouristen bedeuteten ein höheres Infektionsrisiko, weil sie etwa durch Tanken, Autopannen und Einkaufen mehr Sozialkontakte hätten. Fraktionen stützen Regierung: Die meisten Politikern der Kieler Landtagsfraktionen unterstützen Buchholz’ Position. „Wenn die Zahl der positiv Getesteten wieder zunimmt, haben wir ein Problem“, meint Hans-Jörn Arp, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion und Gastronom aus Wacken (Kreis Steinburg). „Jetzt zu schnell alles wieder zu erlauben, ist genauso schlimm, wie es anfangs eine zu späte Reaktion auf die Epidemie gewesen wäre.“ Immerhin seien in normalen Zeiten bis zu 20 000 Tagestouristen in der Lübecker Bucht unterwegs gewesen. „Es sind zu viele Menschen. Das ist wie eine Großveranstaltung.“ Bitte um Verständnis: Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Ralf Stegner, sieht das genauso. Er bitte die Hamburger um Verständnis, „dass es nicht so schnell gehen kann“. Volle Strandpromenaden müssten ebenso wie volle Innenstädte zurzeit vermieden werden. „Auch verkaufsoffene Sonntage sind eigentlich großer Leichtsinn.“ Andererseits dürfe nicht der Eindruck von Kleinstaaterei erweckt werden, Hamburg und Schleswig-Holstein müssten sich bei ihren Maßnahmen um mehr Gemeinsamkeit bemühen. Unterschiedliche Regelungen, wie etwa beim Tragen des Mundschutzes, seien nicht gut. Auch Christopher Vogt von der FDP hält das Vorgehen der Landesregierung für den richtigen Weg. „Der Tagestourismus stellt uns deshalb vor große Herausforderungen, weil dieser nur sehr schwer zu steuern ist. Einzelne Hamburger Radfahrer, Spaziergänger oder Jogger stellen epidemiologisch kein Problem dar und sollten deshalb auch nicht kontrolliert werden. Die Landespolizei ist angehalten, besonnen und mit Augenmaß vorzugehen.“ ADFC: Tagestouren erlauben: Thomas Möller, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), hält es für richtig, wenn an der Hamburger Stadtgrenze Fußgänger und Radfahrer nicht kontrolliert werden. „Wo sollen die Hamburger denn sonst fahren? In den Parks drängeln sie sich.“ Er sei der Ansicht, dass einzelnen Radfahrern auch Tagestouren nach Schleswig-Holstein erlaubt sein müssten. „Gerade auf ländlichen Straßen und Wegen.“ Die Radler müssten von der Pflicht zur Nutzung der Radwege befreit werden. „Die Radwege sind zu schmal, um einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu gewährleisten.“ Von der Landesregierung fordert er gleichzeitig einen Erlass, der Autofahrer zu einer Höchstgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometern auf Landstraßen und 30 in Ortschaften verpflichtet. Wunsch nach Hamburg-Besuchen: „Auch wir Schleswig-Holsteiner wünschen uns nichts sehnlicher, als ohne Einschränkungen alle Mitmenschen in der Metropolregion Hamburg uneingeschränkt besuchen zu können“, gibt Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) zu bedenken. „In diesen Zeiten müssen wir alle mit Einschränkungen umgehen.“ Unterdessen teilte ein Golfclub in Tangstedt (Kreis Segeberg) nach einem Bericht des „Hamburger Abendblatts“ seinen Mitgliedern in der benachbarten Hansestadt mit, auch nach der Wiedereröffnung am 4. Mai dürften sie die Anlage nicht nutzen. Es sei mit verstärkten Kontrollen der Behörden zu rechnen, wobei hohe Bußgelder drohten. 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