Handwerker aus Lübeck: Leistung nur noch gegen Vorkasse

„Es wird regelrecht zum Volkssport, seine Handwerker-Rechnungen nicht zu bezahlen“; sagt der erfahrene Meister aus Lübeck, „das Phänomen zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten, vom Sozialhilfeempfänger über den Professor bis zum Millionär. Auch große Firmen sind darunter.“ Er leitet einen etablierten Meisterbetrieb mit mehr als 30 Mitarbeitern. Seinen Namen will er nicht nennen, aber er möchte auf das drängende Problem aufmerksam machen, das ihm und vielen seiner Kollegen zu schaffen macht – die schlechte Zahlungsmoral von Kunden. Er habe hochgerechnet mehr als 300 000 Euro verloren, weil Kunden nicht oder nicht pünktlich zahlen wollten oder konnten. Viele Male musste er deshalb vor Gericht ziehen, um an sein Geld zu kommen. „Es tut bei jeder Geschichte weh“, sagt er. Schutz der Mitarbeiter: Viele seiner Kollegen berichteten von vergleichbaren Fällen. Vor drei Jahren zog der Meister die Konsequenzen und verlangt seitdem Vorkasse für die Leistungen seines Betriebes. „Ich muss meine Mitarbeiter und mich schützen“, erklärt er. Bei Aufträgen von bis zu 2000 Euro fordert er seitdem den kompletten Betrag sofort, bei größeren Beträgen 50 Prozent sofort, 30 Prozent wenn er anfängt zu arbeiten und die restlichen 20 Prozent nach Fertigstellung. „So haben wir eine überschaubare Summe und eine überschaubare Problematik.“ Es bleibe dem Kunden natürlich völlig unbenommen, sein Recht einzuklagen oder Nachbesserungen zu fordern. „Der Punkt ist aber: Ich möchte nicht zwei Jahre lang auf mein Geld warten, für Leistungen, die längst erbracht worden sind.“ Ohnehin steuere man in Deutschland auf englische Verhältnisse zu: Dort würden 100 Prozent Vorkasse schon bei der Terminvergabe fällig. Positives Fazit: Und was sagen die Kunden dazu? Einige sagten gar nichts, andere fragten nach, sagt der Meister, und zeigten dann Verständnis für die Forderung. Und manche Kunden wollten das zunächst nicht akzeptieren, kämen dann aber nach einigen Wochen trotzdem zurück. „Der Kunde ist König, das ist immer noch unser Leitspruch, aber der Kunde soll nicht zum Tyrann werden.“ Bei großen Online-Händlern wie Amazon gingen alle Kunden ganz selbstverständlich in Vorkasse, warum also nicht auch bei Handwerkern? Sein Fazit der neuen Regelung sei positiv, sagt der Handwerksmeister: „Das ist gut für alle Beteiligten: Dem Betrieb geht’s gut, die Mitarbeiter bekommen ihr Gehalt, und der Kunde hat eine garantierte Leistung.“ „Legitim und nachvollziehbar“: „Vorkasse ist im Handwerk grundsätzlich nicht ungewöhnlich. Das gab es schon immer. In Zeiten hoher Nachfrage besitzt der Handwerksbetrieb mehr Druckmittel bezüglich der Zahlungsvereinbarungen als früher“, sagt Stefan Seestädt von der Handwerkskammer Lübeck. Da viele Betriebe schlechte Erfahrungen gesammelt hätten, sei das Mittel der Vorauskasse oder der Anzahlungen legitim. Seestädt hält das Vorgehen für „absolut nachvollziehbar“. Schließlich gehe der Betrieb ansonsten für das Gewerk in Vorleistung und müsse dem Kunden vertrauen, dass die vereinbarte Zahlung dann auch erfolge. Insbesondere die öffentliche Hand stand jahrelang in keinem guten Ruf als Auftraggeber, und das Zahlungsverhalten habe sich „zumindest in der Geschwindigkeit nicht merklich verbessert“, sagt Seestädt. Aber das sei allseits bekannt und die Betriebe könnten sich darauf einstellen. „Liquidität ist in der heutigen Zeit nicht das große Problem. Ansonsten ist zu beobachten, dass Privatkunden üblicherweise sehr schnell bezahlen. Bei gewerblichen Kunden ist die Situation allgemein im üblichen Rahmen.“ Persönliches Gespräch wichtig: Seestädt rät Handwerkern generell dazu, Kunden zum Beispiel bezüglich ihrer Bonität zu prüfen, Zahlungsvereinbarungen zu treffen sowie im Zweifel Bankbürgschaften oder andere Sicherungsinstrumente zu verlangen. „Ein häufiges Vorgehen sieht so aus: Der Kunde bezahlt bei Auftragserteilung das benötigte Material, bei Auftragsbeginn ist eine weitere Abschlagszahlung fällig, nach der Fertigstellung wird die Schlussrechnung gestellt“, erklärt Seestädt. Kunden rät er, wenn die vereinbarte Leistung erbracht worden sei, zügig auch die Rechnungen bezahlen. „Und wenn es offene Fragen gibt: immer das persönliche Gespräch mit dem Handwerker suchen. Schließlich ist eine gute Geschäftsbeziehung – von der Geschäftsanbahnung bis zum Abschluss – in beiderseitigem Interesse.“ Lesen Sie auch: Handwerker dringend gesucht Das lange Warten auf den Handwerker Von Christian Risch

Nur noch Vorkasse - Schlechte Zahlungsmoral: So wehrt sich ein Lübecker Handwerker