Hans-Peter Bartels: „Kein Sieg in Kiel

„Ich bin Schleswig-Holsteiner und Sozialdemokrat, derzeit in Berlin lebend“, so charakterisierte sich Hans-Peter Bartels vor fünf Jahren in einem Gespräch mit den LN. Da hatte der heute 59-Jährige gerade das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages angetreten. Manche nennen diese Funktion auch den „Kummerkasten“ der Armee. SPD-Mann Bartels, der in den 80er Jahren selbst im Heer seinen Wehrdienst abgeleistet hatte, verstand die neue Aufgabe als Mittler zwischen Politik und Bundeswehr. Tausende Briefe und E-Mails mit Beschwerden, Hinweisen und Fragen gingen beim Wehrbeauftragten ein. Bartels war oft bei der Truppe und hat die Sorgen der Frauen und Männer in Uniform an den Bundestag, das Verteidigungsministerium und die interessierte Öffentlichkeit weitergegeben, hat den Finger immer wieder in die Wunde gelegt. Er hat für Veränderungen gekämpft, auch wenn er dabei nicht selten auf Widerstand stieß. Mangelnder Schutzausrüstung, fehlenden Hubschrauber: Höhepunkt war stets der jährliche Bericht des Wehrbeauftragten, der auflistete, wo in der Armee der Schuh drückt: von mangelnder Schutzausrüstung, fehlenden Hubschraubern und Transportflugzeugen bis zu den Nöten der Marine, die für die neuen Aufgaben auf den Weltmeeren einfach zu wenige Schiffe zur Verfügung hat. Bartels Berichte waren immer auch ein Seismograf für den Zustand der Armee und damit für die Verteidigungsfähigkeit des Landes. Von einfachen Soldaten wie von Offizieren bekam er jedenfalls viel Beifall für seine Mahnungen und Forderungen. Manche im Verteidigungsministerium sahen dies naturgemäß eher als lästig an. Verständnis für Werften-Ärger: Auf Bartels Tisch landeten die – vermeintlich – kleinen Anliegen, wenn sich Soldaten beim Afghanistan-Einsatz etwa Sonnenbrillen und Nachtsichtgeräte selbst besorgen mussten. Den Kieler bewegte allerdings auch, dass etwa der Milliarden-Auftrag für vier neue Mehrzweckkampfschiffe für die Marine ausgerechnet an die niederländische Damen-Werft ging, was bei Schiffbauern an der Förde für erheblichen Unmut sorgte. Während sich die German Naval Yards in den Großauftrag einklagen konnte, ging die ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) leer aus. Bartels hat Verständnis dafür, dass man dort verärgert ist. Dass man ein „ehrliches Angebot“ für den Großauftrag abgegeben habe, habe sich offenbar nicht ausgezahlt. Dagegen verweist das niederländische Unternehmen auf seine weitreichende Kooperation mit der deutschen Lürssen-Werft. 80 Prozent des Auftragsvolumens würden in Deutschland ausgegeben. Allerdings dürften die vier Kampfschiffe teurer werden, als die anfangs geplanten fünf Milliarden Euro. Bartels meint, dass für dieses rein nationale Fregattenprogramm eine rein deutsche Lösung möglich gewesen wäre. Anders sähe das bei europäischen Kooperationsprojekten aus. Streit um Posten: Noch bei der Vorstellung seines letzten Wehrberichtes im Januar erklärte Bartels, dass er das Amt des Wehrbeauftragten gern weiter ausüben würde. Dabei tobte hinter den Kulissen bereits ein heftiger Kampf um diesen Posten. Auch der einflussreiche SPD-Haushälter Johannes Kahrs, lange Chef des konservativen Seeheimer Kreises, wollte das Amt. Als schließlich weder Bartels noch Kahrs zum Zuge kamen, sondern die fachfremde Berlinerin Eva Högl, schmiss der Hamburger Kahrs vergnatzt alle politischen Ämter hin. Bartels jedoch knirschte innerlich, nahm die Entscheidung der SPD-Spitze nach außen jedoch klaglos hin. Chancen auf SPD-Kanzler? Anders als seine Frau: Die Journalistin und einstige Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke verließ aus Protest über den Umgang mit ihrem Mann die SPD. Bartels hält loyal zu der Partei, in der er politisch Karriere machte. Bereits als 18-Jähriger trat der Abiturient der Kieler Max-Planck-Schule in die SPD ein. Nach Studium und Promotion an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) wechselte er bald in die Staatskanzlei, wo er unter anderem als Redenschreiber von Björn Engholm arbeitete. Von 1998 an holte er fünf Mal hintereinander das Direktmandat im Bundestagswahlkreis Kiel und machte sich als Verteidigungs- und Sicherheitspolitiker einen Namen. Dass eine Wiederholung des SPD-Erfolgs 2021 in der Landeshauptstadt für seinen Nachfolger sehr schwierig werden dürfte, weiß Bartels. Gleichwohl blickt er strategisch voraus: „Wenn Kiel nicht mehr gewonnen wird, dann wird es auch keinen SPD-Kanzler geben.“ Lob für Scholz-Nominierung: Anders als viele Kritiker hält Bartels die frühzeitige Ausrufung von Olaf Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten für einen gelungenen Schachzug. Der habe als Erster Bürgermeister von Hamburg und jetzt als Bundesfinanzminister bei der Bewältigung der Corona-Krise gezeigt, dass er in schwierigen Zeiten Kurs halten könne. Als erster auf dem Platz zu stehen, sehe er eher als Vorteil. Ein „ziemlich offenes Rennen“ sei jedenfalls möglich, wenn es im Herbst 2021 zur Auseinandersetzung zwischen Olaf Scholz und etwa CSU-Chef Markus Söder sowie dem Grünen-Chef Robert Habeck kommen sollte. Gedanken über Zukunft der Bundeswehr: Bartels, der auch Mitglied der Grundwertekommission seiner Partei ist, hat nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik mehrere Eisen im Feuer. Gemeinsam mit dem ehemaligen Heeres-General Rainer Glatz arbeitet er bei der renommierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) an einem Papier zur Zukunft der Bundeswehr und schreibt Kolumnen über Außen- und Sicherheitspolitik. Für Vorstöße aus der eigenen Partei, im Zuge der Corona-Krise den Wehretat zu kappen, oder die letzten US-Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen, hat er kein Verständnis. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland vor sechs Jahren seien die Aufgaben für die deutsche und europäische Verteidigungspolitik größer und nicht etwa kleiner geworden. Bedenken bei Koalition mit der Linken: Und Bartels erinnert an Willy Brandt. In dessen Kanzlerzeit wurde nicht nur die Entspannungspolitik mit Moskau vorangebracht, sondern gleichzeitig die Bundeswehr massiv aufgerüstet. Die Sicherheit und Verhandlungsfähigkeit Deutschlands habe auch mit eigener Stärke zu tun. Nicht jedem in der SPD gefällt diese Position. Und zu einem möglichen Linksbündnis nach der Bundestagswahl befragt, macht Bartels erhebliche sicherheitspolitische Risiken aus, wenn er an die Positionen der Linkspartei denke, die immer noch die Nato abschaffen und an keinerlei UN-Friedensmissionen teilnehmen wolle. Gedanken an Schleswig-Holstein: Seine Frau hat vor kurzem ein Zweierkajak gekauft, mit dem das Paar hin und wieder über Berliner Gewässer paddelt. Bartels, der auch mal zum Kieler Verein des Traditionsschiffes Thor Heyerdahl gehörte, bekennt etwas wehmütig mit dem Blick gen Norden: „Das Meer ist aber doch etwas anderes.“ Von Reinhard Zweigler

Hans-Peter Bartels: „Kein Sieg in Kiel – kein SPD-Kanzler“