IHK zu Lübeck hofft auf schnelle Öffnung von Geschäften und Gastronomie

„Der Schutz der Gesundheit ist uns sehr wichtig. Aber Einzelhandel, Gastronomie und Tourismuswirtschaft inklusive des Veranstaltungsbereiches sind übermäßig stark von den Einschränkungen betroffen, obwohl sie offenbar nicht für die massenhafte Weiterverbreitung des Virus verantwortlich sind“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Lars Schöning. „Daher sollte das Land diesen Branchen ermöglichen zu öffnen, sofern sie die Hygienebedingungen erfüllen und die Inzidenzwerte dies wieder erlauben.“ Häufig hätten diese Unternehmen sehr viel Zeit und Geld in schlüssige Hygienekonzepte investiert und mussten schließen, obwohl nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kein erhöhtes Infektionspotenzial von ihnen ausgeht. Einzelhandel, Gastronomie und Kultur seien „das Herz der Städte“. „Schritte permanent hinterfragen“: „Klar ist: Ein Lockdown ist nur in den Wirtschaftsbereichen gerechtfertigt, in denen objektiv nachweisbar ist, dass sie eine Ausbreitung des Virus begünstigen“, sagt Schöning. „Von der Politik wünschen wir uns deshalb mehr Flexibilität und Rücksicht auf regionale Pandemieverläufe.“ Aus Sicht der Wirtschaft sei es jetzt unerlässlich, die bisher ergriffenen Schritte permanent zu hinterfragen, nachzuschärfen und zu beenden, sobald die Infektionsdynamik gebrochen ist.“ Nur so ließe sich dauerhafter Schaden von der schleswig-holsteinischen Wirtschaft abwenden. Dies sei die Position aller drei IHKs im Land. Stillstand eine „Katastrophe für das Tourismusland“: Die Auswirkungen der Lockdowns hätten die Stimmung in den Unternehmen stärker eingetrübt als die Finanzkrise 2009/10. „Auf so eine Situation über einen so langen Zeitraum waren wir nicht vorbereitet“, sagt Friederike C. Kühn, Präses der IHK zu Lübeck. Der Stillstand in vielen Branchen führte zu Angst und Unsicherheit über die Zukunft. „Das haben wir von tausenden Anrufern und in unseren fünf Corona-Blitzumfragen erfahren.“ Vor allem Einzelhändler, Reisebüros, Gastronomie und Hotellerie waren betroffen. „Eine Katastrophe für ein Tourismusland“, sagt Kühn. Viele Branchen würden lange brauchen, um wieder Fahrt aufzunehmen, sagt Kühn voraus. Kühn: Unternehmen haben sich weiterentwickelt: Es gebe aber auch Zeichen einer Entspannung, vor allem aus dem verarbeitenden Gewerbe. Einzelne Unternehmen hätten der Krise trotzen können, weil sie nicht von den Beschränkungen betroffen waren oder gerade jetzt benötigte Produkte herstellten oder Dienstleistungen anboten. „Erfreulich ist, dass die Unternehmer nicht aufgegeben, sondern sich weiterentwickelt haben und mit neuen Vertriebskanälen oder Geschäftsideen im Markt geblieben sind“, so Kühn. Sie erkannte ausdrücklich an, dass Bund und Land mit weitgehend schneller und unbürokratischer Hilfe einer Wirtschaftskrise vorgebeugt haben. „Hilfen anpassen und gerechter verteilen“: „Um diesen Schwung zu verstärken und andere mitzunehmen, ist die Wirtschaft mehr denn je auf optimale Rahmenbedingungen angewiesen“, sagt die IHK-Präses. Nach dem Überwinden der Krise sei eine weitere Kraftanstrengung erforderlich, um zügig wieder auf einen nachhaltigen Wachstumskurs einzuschwenken. Bei der Ankurbelung der Binnenwirtschaft komme es vor allem auf Bund, Länder und Kommunen an. „Die Politik hat in der Krise bewiesen, dass sie zügig handeln und helfen kann. Oberstes Gebot war es, die Unternehmen mit Überbrückungshilfen zu unterstützen“, so Kühn. „Es wird Zeit, darüber nachzudenken, diese Hilfe anzupassen und gerechter zu verteilen“, fügt sie hinzu. Sie verweist dazu auf Ideen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Eine Förderung, die an Betriebserträgen ausgerichtet sei, könne zu einer effizienteren Verteilung der Mittel führen. Vorrang für Wasserstofftechnologie: „Zudem benötigen wir gezielte Innovationsförderung und Programme, die helfen, den Strukturwandel erfolgreich zu managen, denn der Zeitpunkt ist gekommen, in innovative Technologien zu investieren und Anreize für Unternehmen zu schaffen, neue Wege zu gehen“, fordert Kühn. Vorrangig sei die Wasserstofftechnologie, von der Gewinnung der Energiequelle bis zu ihrem Einsatz in Fabriken und Fahrzeugen, etwa in Lastwagen, Bussen, Autos und vor allem auch in Schiffen, Lokomotiven und Flugzeugen.“ Einzelhandel muss Internetpräsenz ausbauen: Für die Innenstädte müssten „umfassende und innovative Konzepte“ ausgearbeitet werden, damit der stationäre Einzelhandel auch nach der Krise eine Chance gegen den Wettbewerb im Internet hat und die Städte auch weiterhin vitale und lebenswerte Orte bleiben. Dazu gehöre auch, dass der stationäre Einzelhandel seine eigene Internetpräsenz verstärke. Die Seminare zu diesem Thema seien sehr beliebt, man habe bereits 5000 Teilnehmer bei 70 Veranstaltungen gezählt, erklärt der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Rüdiger Schacht. Betriebe brauchen Steuererleichterungen: Für die Phase des Wiederaufbaus bräuchten die Unternehmen vor allem Planungssicherheit und keine Hemmnisse, sagt Lars Schöning. „Erhöhungen von Steuern und Abgaben wären kontraproduktiv. Auch von Bürokratie müssen wir die Betriebe entbinden.“ Der Staat sollte jetzt Reformen einleiten, die die Qualität und die Attraktivität unseres Standorts erhöhen.“ Auch die Liquidität der Unternehmen müsse der Staat durch unterstützende Rahmenbedingungen stärken. Denn: „Vielen Betrieben geht das Geld aus oder sie gehen an die Reserven, die sie für Investitionen in der Phase der wirtschaftlichen Erholung benötigen“, betont er. Deshalb brauche man steuerliche Erleichterungen. Zahl der Auszubildenden stark gesunken: Nachdem der Bewerbermarkt bis 2019 wie leergefegt war, habe die Pandemie auch hier deutliche Spuren hinterlassen. Der Rückgang der Ausbildungsverträge liegt im Vergleich zu 2019 bei zehn Prozent. „Die Verunsicherung bei Unternehmen und Schulabgängern war groß. Im Frühjahr wusste niemand, ob und wann die jungen Leute ihre Schulabschlüsse machen können. Aufgrund der Beschränkungen kamen viele Vorstellungsgespräche nicht zustande und auch Praktika sowie Jobmessen waren unmöglich, daher fanden Angebot und Nachfrage nicht immer zusammen.“ Damit die Zahl der Verträge nicht noch weiter sinkt, wird die IHK ihre Anstrengungen im Bereich der Ausbildung noch einmal verstärken. „Es gibt genügend freie Plätze, mit Werbung und Aktionen werden die Unternehmen diese auch besetzen können“, sagt Schöning. Lesen Sie auch Die IHK zu Lübeck begrüßt die Wirtschaft beim Neujahrsempfang 2020 IHK kritisiert: Keine Soforthilfe für Unternehmen ab elf Mitarbeiter Corona: Auch Schleswig-Holstein will Verlängerung des Lockdowns Fehmarnbelt-Days Ende Mai: Bei den Fehmarnbelt Days am Montag, 31. Mai 2021, in Weissenhäuser Strand will die IHK gemeinsam mit ihren Partnern, dem Land Schleswig-Holstein, dem Kreis Ostholstein, dem Fehmarnbelt Business Council (FBBC) und dem HanseBelt-Verein sowie den Dänen und Schweden darüber beraten, welche Impulse die Region braucht, um von den Effekten der neuen Verkehrsader zu profitieren. Weil die sechsjährige Wahlperiode der IHK-Vollversammlung endet, wählen die etwa 65 000 IHK-Mitglieder vom 8. November bis 7. Dezember 2021 ihr höchstes Gremium neu. Im Dezember hat die Vollversammlung entschieden, den IHK-Beitrag für das Jahr 2021 um zehn Prozent zu mindern – es ist die vierte Beitragssenkung in Folge. Größtes virtuelles Labskausessen der Welt: Der IHK-Neujahrsempfang am Mittwoch, 13. Januar 2021, ist in diesem Jahr ein rein digitales Format und steht unter dem Thema „Postcoronomics – Wege aus der Krise“. Bisher hätten sich 700 Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und öffentlichem Leben angemeldet. „Viele unterstützen die regionale Gastronomie, indem sie Labskaus bestellen und ihn vor dem Bildschirm essen“, sagt Kühn. „So setzen wir unsere Tradition fort und schaffen gemeinsam das größte virtuelle Labskausessen der Welt.“ Von Christian Risch