In Psychiatrie mit Codein gedealt: Drogenabhängiger muss neun Jahre in Haft

Im April 2019 hatten Drogenfahnder den schwunghaften Codein-Handel aufgedeckt, den drei drogenabhängige Dealer aus der geschlossenen Psychiatrie der Schleswiger Helios-Kliniken heraus organisierten. Jetzt hat das Kieler Landgericht den ersten von drei Strafprozessen abgeschlossen und zwei Beteiligte zu hohen Freiheitsstrafen bis annähernd neun Jahre verhängt. In dem zweimonatigen Prozess ging es um die Herstellung und den Verkauf illegaler Codein-Säfte („Lean“, „Purple Drank“) und um Handel mit Amphetaminen („Speed“). Obwohl der drogenabhängige Hauptangeklagte (29) als Patient der geschlossenen Fachklinik eine stationäre Therapie absolvierte, organisierte er von Schleswig aus die Abläufe dank guter Außenkontakte weiter. Helfer mixte Codein-Säfte selbst zusammen: Sein damals in Freiheit lebender Freund und Geschäftspartner (23) mixte die Codein-Säfte nach eigenem Rezept eimerweise aus diversen Medikamenten zusammen. Ihn verurteilte das Landgericht zu vier Jahren Freiheitsstrafe. Beide Urteile entsprechen einem Deal, den die Anwälte der geständigen Angeklagten mit der 35. Strafkammer und der Staatsanwaltschaft ausgehandelt hatten. Die Zutaten für die Codein-Säfte bezogen die Dealer nach eigener Aussage aus einer Apotheke in Norderstedt (Kreis Segeberg). Gegen eine Mitarbeiterin der Apotheke wird wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt. Die Frau soll mit einem weiteren Insassen der Schleswiger Fachklinik befreundet gewesen sein, der sich ab Februar 2020 wegen ähnlicher Vorwürfe vor Gericht verantworten muss. Elektroschocker und Schreckschusspistole sichergestellt: Die beiden jetzt in Kiel verurteilten Angeklagten sind einschlägig vorbestraft. Der Ältere war bereits im April 2018 zu vier Jahren Haft und zur Therapie in der forensischen Psychiatrie verurteilt worden. Das jüngste Urteil mit einer Gesamtstrafe von acht Jahren und zehn Monaten bezieht diese Vorstrafe mit ein. Demnach soll der 29-Jährige zunächst in Strafhaft und später erneut zur Therapie in die Schleswiger Fachklinik. In der gemeinsamen Kieler Wohnung der beiden Angeklagten am Ostring hatte die Polizei neben Drogen auch einen Elektroschocker, eine Schreckschusspistole und ein Springmesser sichergestellt. Laut Anklage nahm das Duo durch den Verkauf von vier Kilogramm „Speed“ und 30 Liter Codein-Saft rund 65 000 Euro ein. Im Urteil ging die Strafkammer „im Zweifel für die Angeklagten“ von deutlich geringeren Mengen aus. Experten warnen: Codein-Säfte keine harmlose Partydroge: Drogenexperten des Landeskriminalamts wenden sich gegen eine Verharmlosung der neuen Partydroge als „Hustensaft“. Konsumenten mixten die häufig lila eingefärbte Flüssigkeit gerne mit alkoholischen Getränken, Limonaden oder Fruchtsäften. Ermittler warnen vor nicht nachvollziehbaren Inhaltsstoffen. Unkontrollierbare Dosierungen führten zu einem unberechenbaren Drogenmix. Von Thomas Geyer

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