Interview zum Umgang mit dem Wolf mit Nabu-Landesgeschäftsführer Ingo Ludwichoski

Interview mit Ingo Ludwichowski (57), Biologe und Landesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Nabu Schleswig-Holstein. Schafhalter sagen, der Wolf gehört nicht in ihre Region . . . Ingo Ludwichowski: Der Wolf ist bei uns aus dem Osten eingewandert und war auch früher hier verbreitet. Damit hat er den Status eines heimischen Wildtiers, mit allen rechtlichen Konsequenzen. Wenn Schafhalter ihrer Sorgfaltsverpflichtung nachkommen und den staatlich geforderten und geförderten Herdenschutz anwenden, ist eine Koexistenz möglich. Die meisten Risse gehen dabei auf wildernde Hunde zurück, gegen die Schafhalter schon immer verpflichtet waren, Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Auch die wolfssicheren Zäune können von den Tieren leicht übersprungen werden, wie der Problemwolf gezeigt hat. Der weitaus größte Teil der Wölfe in Deutschland überspringt keine wolfsabweisenden Zäune. Nur für ein Tier ist dies belegt. Darauf hat das Land mit einer Ausnahmegenehmigung zum Abschuss reagiert. Wenn einzelne Wölfe durch unzureichende Sicherungsmaßnahmen darauf trainiert werden, an anderen Orten wolfsabweisende Schutzzäune zu überwinden, liegt das Problem bei diesen uneinsichtigen Schäfern, nicht beim Wolf. Wölfe versuchen generell, Zäune zu unterklettern, nicht zu überspringen. An korrekt aufgestellten, abweisenden Zäunen lernen sie dabei durch den Stromschlag, davon abzulassen. Für das Abweisen reicht es aus, wenn der Wolf in Kontakt mit einem stromführenden Draht kommt, die Höhe des Zauns ist sekundär. Sie behalten dieses durch Erfahrung erworbene Wissen und geben es auch an Nachkommen weiter. Die Forderung der Schafhalter, den Wolf zu bejagen und wolfsfreie Gebiete einzurichten, geht dagegen an der Rechtslage, der Praktikabilität und vor allem an der Notwendigkeit vorbei. Die Bauern sagen, es sei ein Riesenaufwand, die Grasnarbe am Zaun freizuhalten. Sonst leitet er nicht mehr. Der untere Teil des wolfsabweisenden Zauns ist bis zu einer Höhe von 20 Zentimetern nicht stromführend. Alle Zäune müssen grundsätzlich gewartet werden, unabhängig von der Bauart. Diese Arbeiten sind zumutbar, sie fanden auch bislang schon statt. Aber es stimmt, dass Wildtiere immer wieder an den Zäunen verenden? Das Problem existiert, seitdem es Weidezäune – auch aus Stacheldraht – gibt, hat aber im Vergleich etwa zu ungezählten Straßenverkehrsopfern keine wesentliche Bedeutung. Große Wildtiere wie Rehe und Hasen sterben im übrigen vor allem durch die Jagd. Wolfsabweisende Zäune spielen dagegen bisher und wohl auch in Zukunft keine größere Rolle. Anwohner lassen ihre Kinder aus Angst vor dem Wolf im Dunkeln nicht mehr aus dem Haus. Nur dort, wo unverantwortlich Panik verbreitet wird, gibt es derartige Reaktionen. Nirgendwo in Mitteleuropa sind Wölfe zu einer Gefahr für Menschen geworden. Am lebensbedrohlichsten sind im übrigen Wildschweine – junge führende Bachen etwa können sehr aggressiv reagieren. Es sind Todesfälle belegt. Der Wolf ist bei uns angekommen, um zu bleiben. Wir werden aber lernen, damit umzugehen. In zehn Jahren wird der Wolf kein großes Thema mehr sein, weil wir das Bewusstsein und unser Verhalten angepasst haben. Aber den Abschuss des Problemwolfs befürworten auch Sie als Naturschützer? Als absolute Ausnahme hat der NABU zugestimmt, weil der Pinneberger Wolf durch schlecht gesicherte Herden gelernt hat, auch Zäune zu überspringen. Dafür wird der NABU von Tierschützern angegriffen, die nicht einsehen, dass solche Einzeltiere die große Sympathie für den Wolf in der Öffentlichkeit gefährden. Es heißt immer wieder, die meisten hier lebenden Wölfe wären ohnehin Hybriden. Das ist eindeutig falsch. Wolfsnachweise werden – wenn irgend möglich – genetisch dokumentiert, um die Tiere individuell und bezüglich ihrer Herkunft zu identifizieren. Hybriden, die genetisch von Wölfen zu unterscheiden sind, treten nur in Ausnahmefällen auf und werden dem Bestand entnommen. Für weite Teile Deutschlands und in Schleswig-Holstein sind sie nicht belegt. Marcus Stöcklin

Nabu-Interview zum Wolf - „Wir werden lernen, damit umzugehen“