Karstadt Lübeck: Mitarbeiter hoffen auf Rettung

Entsetzen und Betroffenheit herrschen bei den 156 Karstadt-Mitarbeitern in Lübeck und den 24 weiteren bei Karstadt Sports: Sie alle haben am Wochenende völlig überraschend erfahren, dass zum 31. Oktober in dem Lübecker Warenhaus die Lichter ausgehen. „Da gilt für uns nichts anderes als für das Warenhaus“, sagte Thomas Wieschendorff vom Karstadt-Sports-Betriebsrat. „Es ist unsere letzte Hoffnung, dass Politik, Stadt und Vermieter vielleicht doch noch eine Lösung finden.“ Gedrückte Stimmung bei Mitarbeitern: Die Stimmung bei den Mitarbeitern sei sehr gedrückt und emotional, bekräftigt Karin Kinnert, Betriebsratsvorsitzende des Warenhauses. „Keiner hat damit gerechnet.“ Viele der Kollegen seien seit Jahrzehnten im Betrieb, viele sind über 50, bei Karstadt-Sports arbeite auch ein Ehepaar, das nun möglicherweise gemeinsam vor der Arbeitslosigkeit stehe, sagt Wieschendorff.. „Es waren bei vielen dicke Klöße im Hals.“ Auch Tränen waren geflossen. Erst voriges Jahr war Karstadt Sports von seinem alten, separaten Standort in der Holstenstraße direkt neben das Haupthaus gezogen und hatte sein Sortiment erweitert. Die Mitarbeiter hätten das als positives Signal empfunden, sagt Wieschendorff, und auch bei den Kunden sei die Resonanz sehr gut gewesen. „Gerade im Sommer, wenn die Touristen kamen, haben wir immer guten Umsatz gemacht.“ Lesen Sie außerdem: Der Niedergang von Karstadt in Lübeck bietet auch eine Chance Mieten „Hauptfaktor“ für Schließung: Entsprechend groß ist die Verwunderung, dass ausgerechnet der vergleichsweise belebte Standort Lübeck nun offenbar dicht gemacht werden soll. „Die Mieten sind ein großes Thema dabei“, ist Karin Kinnert überzeugt. Wieschendorff beschreibt sie als „Hauptfaktor“. Vermieter der Immobilie ist nach Angaben des Betriebsrats die Highstreet Holding GbR, die allein zur Verwaltung der Karstadt-Warenhäuser gegründet wurde. Von der Financial Times Deutschland wurde sie vor zehn Jahren als „gespensterhaftes Investorenkonsortium“ tituliert. Schon seit längerem wurde über angeblich zu hohe Mieten als schwere Hypothek für die Filialen diskutiert. Am Montag war von Highstreet, deren Geschäftssitz in Amsterdam ist, keine Auskunft zu bekommen. Weitere Schließungen befürchtet: Mareike Petersen, Geschäftsführerin des Handelsverbandes (HV) Nord in Kiel, bezeichnete die Karstadt-Schließung als „Katastrophe“. Sollte keine Lösung gefunden werden, müsse schnellstmöglich ein Nachnutzer für die riesige Gewerbeimmobilie gefunden werden. „Vielleicht eine Mischung aus Handel und Gastronomie.“ Einen „Mix aus Einzelhandel, Dienstleistung, Gastronomie und weiterer Angeboten, auch aus den Bereichen Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“ befürwortet auch Lars Schöning, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck. Dass eine Einzelhandelskette dort einsteige, sei „unwahrscheinlich“, sagt Petersen. Es sei auch fraglich, ob das Gebäude überhaupt stehenbleiben könne. „Dem gesamten Handel geht es nicht gut, ausgenommen der Lebensmittelhandel.“ Durch die Corona-Pandemie fehle vielen Kunden die Lust zum Einkaufen. Laut einer Studie des Handelsverbandes sei davon auszugehen, dass ein Drittel der Handelsunternehmen im Herbst mit der Insolvenz kämpfe. Falle nun ein Innenstadt-Magnet wie Karstadt weg, könne die Schließung weiterer Geschäfte die Folge sein. Es sei übrigens durchaus möglich, dass die Schließung von Karstadt-Filialen zur Konsolidierung der übrig gebliebenen Standorte beitragen könne. „Aber das hilft den Städten, in denen Schluss ist, wenig.“ Lesen Sie auch: Lübecker Kunden erinnern sich an Karstadt-Käufe Insolvenzverfahren vor der Eröffnung: Auch Petersen bezweifelt indes, dass gerade Lübeck nicht profitabel gearbeitet habe. „Dass es ausgerechnet Lübeck treffen soll, hat mich überrascht. Lübeck bietet viele Standortvorteile, mit denen andere Städte längst nicht in dem Maß punkten können“, meint auch Olivia Kempke, Geschäftsführerin des Lübeck Management. „Corona trifft alle Karstadt-Standorte gleichermaßen. Ebenso der boomende Online-Handel. Es müssen also andere K.o.-Kriterien gewesen sein, die Karstadt Lübeck auf die Schließungs-Liste katapultierten.“ Neben der Miete sei die „völlig überdimensionierte und stets mit sehr viel Schwung beförderte Ausweitung dezentraler Handelsflächen“ immer wieder ein wunder Punkt in den Gesprächen mit der Filialgeschäftsführung gewesen. Dirk Gerdes, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Lübeck, hat derweil noch die Hoffnung, dass Bürgermeister Jan Lindenau mit seiner Kontaktaufnahme zur Karstadt-Konzernspitze Erfolg haben könnte. „Wie man hört, soll Lübeck ohnehin ein Wackelkandidat gewesen sein. Die Chance ist also da, dass er noch etwas bewegen kann.“ Lesen Sie dazu: Karstadt in Lübeck schließt: Das sagen die Kunden Lübeck auf der „grauen Liste“? Die mit der Sanierung des Kaufhausriesen beauftragten Experten Arndt Geiwitz und Frank Kebekus hatten zuvor erläutert, dass bei Galeria Karstadt Kaufhof die Filialen, die selbst ohne Mietbelastung unrentabel wären, auf der roten Liste standen, jene mit guten Umsatzzahlen auf einer schwarzen Liste – und über ein Dutzend Filialen dazwischen, auf einer grauen Liste. Darunter dürfte Lübeck gewesen sein. Ungeachtet aller Bemühungen auch an allen anderen bedrohten Filial-Standorten soll am 1. Juli das Insolvenzverfahren über Galeria Karstadt Kaufhof eröffnet werden, ließ Thorben Kurkutovic von Verdi-Nord wissen. Von Marcus Stöcklin und Christian Schlichting