„Kühe, Schweine, Eichede“ – Buch von Alexander Schäfer über 100 Sportplätze in Schleswig-Holstein

Fußballplätze können zur heiligen Erde werden. Etwa wenn Schürrle in der 113. Minute links durchgeht, in die Mitte flankt, wo Götze den Ball mit der Brust annimmt und dann mit links. . . Sie kennen das, Deutschland wurde jedenfalls Weltmeister. Heilige Erde kann aber auch entstehen, wenn, sagen wir, in der Partie zwischen Büttenwarder II und Bullerbü III ein völlig unerwartetes 8:8 zustande kommt. Man erzählt sich noch ein, zwei Ewigkeiten später davon. Es ist das gleiche, nur auf einer anderen Ebene. Eine Reihe vom Verlag: Alexander Schäfer hat 100 dieser Plätze besucht. Genau 100, weil eine Buchreihe des Hildesheimer Arete-Verlages das so vorsieht. Es gab schon einige Bände über andere Bundesländer, also hat er beim Verlag gefragt, ob er einen über Schleswig-Holstein machen könne, und der liegt inzwischen vor. Alexander Schäfer: „Fußballheimat Schleswig-Holstein. 100 Orte der Erinnerung“, Arete Verlag, 216 Seiten, 18 Euro Er ist dafür quer durchs Land gefahren, von Sylt bis Geesthacht, von Glücksburg bis Helgoland, und hat die Geschichten der Plätze aufgeschrieben: eine Seite Text, daneben ein Foto und jeweils „vier harte Fakten“. Das ist ebenso locker wie lehrreich, und Spaß macht es obendrein. Freibier von Felix Magath: Er erklärt, warum der Schlachtruf „Kühe, Schweine, Eichede“ so ähnlich auch im britischen Leamington zu hören ist, nur dass er da „Chicken, sheep, Leamington“ heißt. In Kropp im Stadion an der Nordstraße sind „Trommeln an der Bande und lärmende Instrumente“ verboten, so steht es auf einem Schild der Gemeinde. Und Felix Magath hat sich in Eckernförde in die Geschichte eingeschrieben, weil er 2011 als Trainer des VfL Wolfsburg zum Freundschaftsspiel schon vorgefahren war, seine Mannschaft aber Verspätung hatte und er dann allen auf dem Martin-Kruse-Platz erst mal was zu trinken spendierte. Im Hotel Seegarten in Quickborn haben bei der Weltmeisterschaft 1974 die Spieler der DDR übernachtet und nach ihrem Sieg über die Bundesrepublik ein paar Bundesgrenzschützer überredet, mit ihnen nach Hamburg auf die Reeperbahn zu fahren. In Rendsburg beim Sportplatz am Nobiskrug hat sich die Schiedsrichterlegende Walter Eschweiler in einem Brett der Holztribüne verewigt. Und auf Deutschlands einziger Hochseeinsel gibt es den VfL Fosite Helgoland, wobei Fosite für einen Rechts- und Gesetzesgott aus der nordfriesischen Mythologie steht – rätselhaftes Helgoland. Ein Ball, sagt ein Verantwortlicher, sei aber noch nie ins Meer gefallen. Mit Günter Grass Fußball geguckt: Alexander Schäfer ist 43 Jahre alt und Lehrer von Beruf. Er unterrichtet Deutsch und Wirtschaft/Politik am Johann-Rist-Gymnasium in Wedel. Er wohnt in Hamburg nahe beim Millerntorstadion, mag jedoch ganz besonders Altona 93. Geboren ist er in Berlin und war schon immer fußballbegeistert, sagt er. Selbst aktiv war er aber vor allem als Judoka in der 2. Bundesliga. Und 2004 hat er mit Günter Grass Fußball geguckt. In Berlin war das, im Literarischen Colloquium. Grass hatte zuvor mit dem Schriftstellerkollegen – und Fußballkenner – Robert Menasse gelesen, anschließend wurde ein Spiel der Europameisterschaft angeschaut. „Er hat das toll kommentiert“, sagt er. Warum sammelt man Fußballplätze, Heiko Lükemann? Podcast über den VfB: Diese drei Fans analysieren die Spiele der Lübecker So taucht denn im Buch auch das Lübecker Günter-Grass-Haus auf, wo im vergangenen Jahr die Fußballausstellung zu sehen war. Natürlich fehlt die Lohmühle nicht, ein Stadion mit zwei Haupttribünen. Oder der Buniamshof, Schleswig-Holsteins größtes Leichtathletikstadion, wo Oberplatzwart Thomas Küchenmeister mit dem Flutlicht eine La-Ola-Welle veranstalten kann. Sehr am Herzen liegt dem Autor auch die Anlage von Phönix Lübeck, wo früher Zeppeline gelandet sind und 1967 zum Derby gegen den VfB mehr als 14 000 Zuschauer kamen. So geht das weiter: Dassendorf blieb 69 Spiele unbesiegt, der SV Friedrichsort in Kiel hat eine Sparte Wasserski, das Maskottchen des Husumer SV ist ein Seepuma, Willi Holdorf, nach dem in Glückstadt ein Sportplatz benannt ist, war nicht nur Zehnkampf-Olympiasieger, sondern auch Vize-Europameister im Zweierbob, im Uwe-Seeler-Fußball-Park in Malente kann man ein Uwenir kaufen, und im Torneum in Tornesch fanden 2019 die Deutschen Quidditch-Meisterschaften statt. „Einer geht noch“: Es gebe Hunderte Sportplätze in Schleswig-Holstein, sagt Schäfer. Er hätte leicht noch viel mehr in dem Buch unterbringen können. Aber bei 100 sei nun mal Schluss. Deshalb sei die Auswahl auch so schwierig gewesen. Aber hinten im Band sind noch zwei Seiten frei, da kann man seinen Favoriten nachtragen. Und zwar unter der Überschrift: „Einer geht noch, einer geht noch rein.“ Von Peter Intelmann