LKA im technischen Wandel: DNA-Analyse vor 25 Jahren

Sabine Grein und René Augustin stehen vor einem großen Kasten voller Hightech. 80 Proben kann der Pipettierroboter gleichzeitig untersuchen. In Schleswig-Holsteins Landeskriminalamt sind die beiden Biochemiker Tag für Tag auf Verbrecherjagd. Sie analysieren Blut und Speichel, Textilfasern, Zigarettenreste. „Wir sind im Großen und Ganzen auf dem aktuellen Stand der Technik“, sagt Grein. Die 65-Jährige hat seit ihrem Diensteintritt einen rasanten Technik-Wandel miterlebt: „Ich wurde 1994 eingestellt, als Schleswig-Holstein beschlossen hatte, die DNA-Analyse als Methode einzuführen“. Schüttelgeräte zur DNA-Untersuchung: Damals habe der Innenminister Hans-Peter Bull (SPD) bei einem Besuch dafür plädiert, dass die LKA-Spezialisten einen Computer bekommen, erzählt die Sachverständige für forensische DNA-Analysen. „Wir hatten seinerzeit Papier, kleine Schüttelgeräte und einfache Leuchtgeräte.“ Damals brauchte die Diplom-Biochemikerin DNA-Material mindestens von der Größe eines Fünf-Mark-Stücks, drei Zentimeter Durchmesser. Vor knapp 20 Jahren reichte ein 1-Cent-Stück, heute ein Blutströpfchen. Mit Hautschuppen und Kratzspuren können die Spezialisten heute auch eine Menge anfangen, vor 25 Jahren noch gar nichts. Präzisere Analyse-Ergebnisse: Vor den Möglichkeiten der DNA-Analyse habe jede dritte Person zu dem gepasst, was sie und ihre Kollegen untersucht haben. „Heute gibt es nach einer Analyse keine begründeten Zweifel mehr, von wem eine Spur stammt.“ Diese Spuren sind von ganz unterschiedlicher Qualität. „Eine frisch gerauchte Zigarette ist kein Problem“, erzählt Grein. „Bei der Innenseite eines Handschuhs, der dem Winterwetter ausgesetzt war, kann es schon schwieriger werden.“ Grein und ihr Team untersuchen nicht losgelöst von den Fällen eine Speichel- oder Blutprobe. Mit dem Untersuchungsauftrag werden ihnen auch die Tat benannt und ein grober Ablauf geschildert, wie er sich nach aktuellem Stand der Ermittler darstellen könnte. „Ich bin fasziniert davon Puzzleteile zu finden, die letztlich zur Aufdeckung der Wahrheit führen. Das ist meine Antriebsfeder“, sagt Grein. Die Schattenseiten der Laborarbeit: Die Laborarbeit kann auch Routiniers mal an die Nieren gehen. „Zu meiner Anfangszeit ging es um ein Tötungsdelikt: Fünf Männer haben einen weiteren faktisch zu Tode geprügelt“, erzählt Grein. „Wir mussten Hirnmasse analysieren, die an einem Bügeleisen klebte. Das hat mich mitgenommen.“ Dann habe sie sich klargemacht, dass die Gewalt nicht zu ihrem persönlichen Leben gehört. „Ich konnte eine professionelle Distanz aufbauen.“ Die Experten hätten mit Gegenständen zu tun, nicht mit den Menschen selbst, sagt LKA-Vize Stephan Nietz. Im Übrigen gehe es nicht nur darum, Schuld von Tätern zu beweisen, sondern auch Unschuld von Verdächtigen. Dennoch bleiben Grein manche Fälle besonders im Gedächtnis, etwa der eines Vergewaltigers aus dem Lübecker Raum, den Speichelproben überführten. Oder ein Mord-Altfall, bei dem männliche DNA an Kleidung einer Toten den Täter verriet. „Normalerweise bekomme ich aber keine Rückmeldung“, sagt Grein. 40.000 Analyse-Objekte: Ihre Untersuchungsergebnisse arbeitet sie ganz überwiegend mit ihren Gutachten ab. „Jährlich bekomme ich nur drei bis fünf Ladungen vor Gericht, wenn es um die Interpretation der Spurenlage geht“, sagt Grein. „Die Ergebnisse werden in der Regel nicht mehr hinterfragt.“ Die Zahl der Untersuchungen hat sich im Laufe der Jahre vervielfacht. LKA-Sprecher Uwe Keller hat Zahlen: Im Jahresdurchschnitt haben die DNA-Experten demnach 5000 Vorgänge zu bewältigen. Dabei könne ein Vorgang 100 Analysen umfassen. Insgesamt haben die 110 Mitarbeiter des Kriminaltechnischen Instituts jährlich 14.000 Aufträge zu erledigen. Dabei sind 40.000 Objekte zu analysieren. „Eine Spurenanalyse kann heute in 24 Stunden fertig sein“, sagt Grein. „In der Regel dauert sie aber länger.“ Aufstockung dank technischem Fortschritt: Mit den Technik-Fortschritten ging eine personelle Aufstockung einher. 20 Mitarbeiter hat Greins Dezernat heute, vor 25 Jahren waren es 5. Mehr als 750 Beschäftigte zählt das LKA, zu seinem 50-jährigen Bestehen 1996 war es etwa die Hälfte, 2010 um 500. Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der Wirtschaftskriminalität, von Korruption, Falschgeld- und Computerkriminalität, aber auch politisch und religiös motivierter Kriminalität erfordern großen Aufwand. Bei den Zahlen ist aber zu berücksichtigen, dass Spezialeinsatzkräfte und Kampfmittelräumer vor 25 Jahren noch nicht zum LKA gehörten. Dort arbeiten außer Polizisten auch Wissenschaftler, Laborkräfte, Juristen, Kriminologen, Psychologen und Informatiker. Mittlerweile bildet das LKA auch aus: In Kooperation mit der Fachhochschule Kiel lernen derzeit 14 junge Leute im dualen Studium. Nach ihrem Abschluss als Informatiker wird das LKA sie fest anstellen. 4200 Quadratmeter Neubau: Neben dessen altem Gebäude „wächst“ seit einiger Zeit die Zukunft. Für rund 30 Millionen Euro bekommt das Kriminaltechnische Institut einen Neubau mit 4200 Quadratmetern Nutzfläche. Rund 160 Labor-, Funktions- und Büroräume wird es dort geben. Der Neubau sei zwingend notwendig, sagt LKA-Sprecher Keller. Die verfeinerten Analysemethoden seien langfristig mit der Lüftungstechnik im Altbau nicht umsetzbar. Hintergrund: Für eine eindeutige Identifizierung müssen Kreuzkontaminationen vermieden werden, um Täter- und Opferspuren sicher trennen zu können. Dafür müssen das Raumklima konstant und Lichtverhältnisse optimal sein, die Luft darf keine störenden Partikel enthalten. „Qualitätssicherung ist ein ganz großes Thema“, sagt Biochemikerin Grein. 25 Jahre Wandel: Vom nächsten Jahr an sollen die Experten unter den neuen Bedingungen arbeiten können. Grein erwartet eine neue Welt mit modernsten Geräten und fortgeschrittener Software. Wie war das noch vor 25 Jahren? „Da hatten wir daktyloskopische Spuren noch in Papierform - die wurden dann "zu Fuß" mit einer Lupe bewertet“, sagt LKA-Vize Nietz. „Und wir führten dicke Bücher mit handschriftlichen Einträgen“, erinnert sich Grein. Dann kam der Minister mit seinem Computer-Angebot. Von RND/dpa