Landtag: So begründet die Regierung ihre Corona-Strategie

Der Kieler Landtag hat am Freitag die ersten Lockerungen der Corona-Beschränkungen in Schleswig-Holstein abgesegnet. CDU-Ministerpräsident Daniel Günther hat sie zuvor in einer Regierungserklärung noch einmal erläutert. Günther: Zweiten Lockdown unbedingt vermeiden: Zugleich warb Günther um Verständnis, dass noch nicht alle Wirtschaftsbereiche, etwa der Tourismus, sofort wieder geöffnet werden können. Er verstehe den Wunsch vieler, die Betriebe möglichst schnell wieder hochzufahren. „Aber einschneidende Regelungen waren notwendig und sind es – zumindest teilweise – immer noch“, sagte Günther. „Wir dürfen es nicht riskieren, noch einmal zurückzumüssen zu einem Lockdown.“ Gleichzeitig schmerze es ihn zu sehen, wie sehr Unternehmerinnen und Unternehmer darunter leiden – und mit ihnen auch die Angestellten, aber auch Freiberufler und Selbstständige. Vor allem die Tourismusbranche, Hotels, Gastronomie und Gaststätten im Norden seien besonders stark betroffen. „Diese Branche hat Totalausfälle hinnehmen müssen, die auch in der vorsichtigsten Finanzplanung nicht einkalkuliert waren.“ Regierung kündigt erneut Lockerungen im Tourismus an: In dieser Situation stelle sich der Staat schützend hinter die Unternehmen, so Günther. „Natürlich können wir nicht die kompletten Einnahmen ersetzen. Doch Bund und Land hätten „richtig viel Geld in die Hand genommen, um so viele wirtschaftliche Existenzen zu sichern wie nur möglich“. Nach dem 3. Mai soll es zudem schrittweise Lockerungen auch im Tourismus geben. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Tatsächlich dürfen ab Montag schon alle Geschäfte wieder öffnen, die Verkaufsfläche darf aber 800 Quadratmeter nicht übersteigen, muss notfalls begrenzt werden. Unabhängig von der Verkaufsfläche dürfen Auto-, Fahrrad- und Buchhändler wieder öffnen. Die Abiturprüfungen starten am 21. April. Ab dem 22. April soll in den Gemeinschaftsschulen die Vorbereitung auf die Prüfungen zum ersten und mittleren Schulabschluss beginnen. Schulen und Kitas brauchen Vorlauf für eine Wiedereröffnung: Auch die Hochschulen prüfen ab Montag wieder. Für alle anderen Schüler wird der Unterricht ab dem 4. Mai etappenweise wieder beginnen. Es brauche vor der Öffnung von Kindergärten, Schulen und Hochschulen noch einen gewissen Vorlauf, betonte Günther. Vor Ort müssten die notwendigen hygienischen Vorbereitungsmaßnahmen getroffen und zum Beispiel die Schülerbeförderung organisiert werden. In den Kitas und Schulen bis Klasse 6 solle die Notbetreuung erweitert werden, um insbesondere Alleinerziehenden zu helfen. „Der Schutz von Senioren- und Pflegeheimen ist in dieser Situation besonders wichtig“, betont der Ministerpräsident. Das Sozialministerium arbeite daran, schrittweise auch hier soziale Kontakte wieder zu ermöglichen. Die Rückkehr in den Alltag werde für diese Einrichtungen jedoch erheblich länger dauern. Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen sowie religiöse Feierlichkeiten und Veranstaltungen blieben zunächst untersagt. Man werde im Norden aber Lockerungen schnell umsetzen, was Bund und Länder mit den großen Religionsgemeinschaften in Kürze vereinbaren wollen. SPD fordert Öffnung der Spielplätze: Auch SPD-Oppositionsführer Ralf Stegner drängte auf Besuchserleichterungen für Alten- und Pflegeheime. Dazu müssten die Heime schnell mit ausreichend Schutzmaterialien ausgestattet werden. Die SPD verlangt zudem die Öffnung der Spielplätze im Land. „Nicht alle Bürger leben in Einfamilienhaus mit Garten“, so Stegner. Günther lehnt das ab. „Die Spielplätze können wir noch nicht wieder freigeben“, erklärte der Ministerpräsident. Dafür sei das Infektionsrisiko zu groß. Die Tier- und Wildparks dürften jedoch unter Hygieneauflagen ab Montag wieder öffnen. Ab dem 4. Mai soll zudem Individualsport im Freien wieder möglich sein, Reiten, Angeln, Leichtathletik oder Wassersport zum Beispiel. Frisöre dürfen dann ebenfalls wieder öffnen. FDP: Einschränkungen dürfen kein Normalzustand werden: FDP-Fraktionschef Christopher Vogt mahnte, die gegenwärtigen Corona-Beschränkungen dürften kein Normalzustand werden. Es müsse in den kommenden Wochen darum gehen, Kontakte zu vermeiden, nicht die Bewegungsfreiheit einzuschränken. „Wir werden als Liberale immer nur das tun, was wirklich notwendig ist.“ Nicht die Wiederherstellung von Grundrechten bedürfe der Begründung, sondern deren womöglich weitere Einschränkung. So müsste zum Beispiel auch das Verbot der Zweitwohnungsnutzung etwa durch Bürger aus Hamburg schnell wieder ein Ende haben. Günther betont Bedeutung der Grundrechte: „Coronafrühling ist kein Sommermärchen. Menschen haben Angst“, sagte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. AfD-Fraktionschef Jörg Nobis mahnte schnelle Konzepte an, wie die Schulen denn den Unterricht wieder aufnehmen sollen. Auch Daniel Günther befasste sich in seiner Rede mit dem Zwiespalt zwischen Grundrechten und Sicherheit. „Einerseits wollen wir so schnell wie möglich individuelle und unternehmerische Freiheiten wiederherstellen“, sagte Günther. Die Schutzmaßnahmen dürften nicht so lang anhaltend sein, dass Betreuung, Beruf und Bildung nachhaltig darunter leiden, dass psychische Leiden entstünden oder sich verschlimmerten. „Grundrechte dürfen keinesfalls über die Maße eingeschränkt bleiben“, sagte Günther. Auf der anderen Seite „müssen wir die Menschen in unserem Land schützen und medizinische Versorgung für jeden Menschen sicherstellen“. Dazwischen bewege sich die Landesregierung. Er setze darauf, dass Politik und Bürger „in Schleswig-Holstein weiterhin umsichtig und pragmatisch handeln“. In der Kieler Jamaika-Koalition ist die Debatte über die Wiederzulassung von Gottesdiensten entbrannt. Der FDP-Rechtspolitiker Jan Marcus Rossa macht sich jetzt besonders dafür stark. „Ich bewerte es als außerordentlich kritisch, dass Gottesdienste auch über den 19. April verboten sein sollen“, sagt Rossa. Das lasse sich vor dem Hintergrund der Lockerungen für Läden nicht mehr rechtfertigen. Auch das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Karfreitagsentscheidung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die verfassungsrechtlichen Hürden für eine Aufrechterhaltung des generellen Verbots hoch sind. „Dass die Landesregierungen bundesweit den Menschen gerade in Krisenzeiten den Zugang zu Gottesdiensten verweigern, ist ein falsches Signal und wir sollten uns an die Schutzpflichten erinnern, die der Staat gegenüber den Religionsgemeinschaften und ihren Gläubigen ohne Frage hat“, sagt Rossa. Bund, Länder und Religionsgemeinschaften einigten sich derweil am Freitag auf Bundesebene darauf, dass die Kirchen, Synagogen und Moscheen jetzt zunächst Konzepte vorlegen, wie Abstandsgebote und Hygieneregeln in den Gottesdiensten eingehalten werden können. CDU-Ministerpräsident Daniel Günther hat bereits angekündigt, dass das Land im Bund vereinbarte Lockerungen der Gottesdienstverbote sofort umsetzen werde. 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