Lübecker Arzt Winfried Stöcker: Pandemie verlangt schnelles Handeln

Winfried Stöcker hat einen Corona-Impfstoff entwickelt und an mittlerweile 120 Personen getestet. Offenbar mit Erfolg. Wegen seiner ersten fünf Immunisierungsversuche verklagte das Paul-Ehrlich-Institut den Arzt und Gründer des Lübecker Medizin-Unternehmens Euroimmun sogar. Das Verfahren wurde eingestellt – mit der Auflage, dass Stöcker den Impfstoff ohne offizielle Genehmigung nicht weiter verwendet. Herr Stöcker, behindert die Zulassungs-Bürokratie in Deutschland eine schnellere Corona-Impfung der Bevölkerung? Ja, das tut sie. Und zwar in unglaublichem Ausmaß. Sogar in einem tödlichen Ausmaß. Weil sie die Zulassung des Antigen-Impfstoffs verzögert hat, den sie entwickelt haben? Ich habe im September beim Paul-Ehrlich-Institut, das für solche Zulassungen zuständig ist, beantragt, meine Studien ausweiten zu können. Vorher hatte ich meine Familie, mich und eine Kollegin geimpft. Man kümmere sich um meine Anfrage, hat es vom Institut geheißen. Das einzige was kam, war Anfang Dezember eine Vorladung zum Landeskriminalamt. Familie und 120 Patienten immunisiert: Das Paul-Ehrlich-Institut hatte das Kieler Landesamt für soziale Dienste alarmiert, das leitete wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ein Verwaltungsverfahren ein, die Staatsanwaltschaft Lübeck ein Strafverfahren. Gefährdet es aber nicht tatsächlich die Gesundheit von Menschen, wenn ein Mediziner außerhalb der Verordnungs-Bahnen Impfstoff an Patienten ausprobiert? Ich darf als Arzt meine Patienten behandeln, wie ich es für richtig halte. Da darf mir keiner reinreden. Ich habe ja gerade noch keine Studien gemacht. Die hätte man aber schnell starten müssen. Die generelle Wirksamkeit meines Impfstoffs war ja bereits erwiesen. Meine Familie und die Kollegin haben eine hohe Konzentration von Antikörpern entwickelt, die das Coronavirus unschädlich machen, nachgewiesenermaßen. Die Immunisierung wurde durch Tests in unabhängigen Laboren bestätigt. Es gab keine nennenswerten Nebenwirkungen. Mittlerweile sind sogar rund 120 Patienten von mir erfolgreich immunisiert worden. „Die Not rechtfertigt unkonventionelle Mittel“, haben Sie in Ihrem Blog dazu geschrieben. Was genau haben Sie denn dabei Unkonventionelles getan? Unkonventionell war die Austestung bei den ersten fünf Probanden ohne eine Genehmigung. Wie man sehen konnte, hätte diese Genehmigung durch unflexible Bürokraten Monate auf sich warten lassen. Viel zu lange in der so gefährlichen Situation der Corona-Pandemie. Meine Impfung beruht auf einem Totimpfstoff, der ungekühlt verschickt und im Kühlschrank aufbewahrt werden kann. Es müssen für die Immunisierung auch nicht wie bei anderen Impfstoffen Erbinformation des Virus in den Körper eingeschleust werden, auch keine abgeschwächten Viren. Und mein Impfstoff kann leicht in großen Mengen produziert werden – in einem einzigen 2000-Liter-Reaktor pro Tag 350 000 Impfdosen. Ich wollte, dass damit schnell begonnen wird, um die Menschen zu schützen und diese völlige Niederknüppelung der Gesellschaft und der Wirtschaft zu verhindern. Pandemie ist eine besondere Lage: Hätte eine Herstellung ohne lange Erprobungsverfahren nicht das Vertrauen der Bevölkerung in die Impfung gefährdet? Es ist grundsätzlich in Ordnung, wenn Medikamente gründlich getestet werden. Man darf dabei aber nicht die besondere Lage aus dem Blick verlieren. In einer Pandemie muss ich schnell zum Ziel kommen und muss weniger zimperlich vorgehen, zumal es sich hier um ein völlig banales Impfantigen handelt. Mein Impfstoff hat bei fünf Menschen ohne Nebenwirkungen bestens gewirkt. Dann probiere ich ihn schleunigst bei 1000 Menschen aus. Wenn es bei denen auch so klappt bei einer Million. Ich muss dann aber nicht monatelang jede klitzekleine Nebenwirkung ausforschen und warum sie bei dem einen Probanden etwas stärker und bei dem anderen etwas schwächer ausfällt. Solche Studien kann man nachholen, wenn man die Pandemie im Griff hat. Sie schreiben im Blog, die Zulassungsbehörden seien überfordert. Was muss sich ändern? Sie sind viel zu zögerlich und haben keinen Überblick. Im Paul-Ehrlich-Institut hätte man doch voraussehen müssen, dass sich die anderen komplexen Impfstoffe gar nicht schnell genug in großer Menge produzieren lassen. Da hätte man die schnellere Alternative unbedingt prüfen müssen. Stattdessen regiert an den entscheidenden Stellen die Angst. Die Angst, irgendeinen Fehler zu machen. Dieses Institut braucht dringend Konkurrenz. Wie meinen sie das? Sehen sie, es gibt bei Arzneimittel- oder Diagnostika-Herstellern regelmäßig Überprüfungen durch verschiedene Organisationen, etwa verschiedene miteinander konkurrierende Technische Überwachungsvereine oder ähnliche Organisationen, sogenannte Audits. Man bekommt dabei wichtige Hinweise zur Qualitätssicherung. Aber unsinnige Übertreibungen durch die Prüfer werden vermieden, weil man als Überprüfter ja auf einen anderen Anbieter wechseln kann. Gäbe es mehrere Institute, die über die Arzneimittelzulassung wachen, wäre das in diesem Bereich genauso. Wir wären diesen Bürokraten nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, und sie könnten nicht selbstherrlich schalten und walten. Was wir da im Moment erleben, ist Planwirtschaft. Wir dürfen die Bürokraten nicht mehr so dominieren lassen. Sie können mit ihren eingeschliffenen Verfahren auf eine Krise wie die Corona-Pandemie nicht angemessen reagieren. Was denken sie: Wie viel Zeit ist bei der Impfung der Bevölkerung denn durch die Verzögerung verloren worden? Vier bis fünf Monate sind es auf jeden Fall. Impfstoff-Formel steht im Netz: Wie geht es jetzt mit ihrem Impfstoff weiter? Ich habe dem Landesamt zugesagt, vorerst kein Antigen mehr zu produzieren und zu verimpfen. Im Gegenzug soll das Verfahren gegen mich eingestellt werden. Winfried Stöckers Corona-Impfstoff basiert auf einem Antigen-Konstrukt. Schon im März und April 2020 spritzte sich der Arzt und Unternehmer dieses Antigen selber. Das Virus binde sich im menschlichen Körper mithilfe eines sogenannten Spike-Proteins an Rezeptoren der Zielzelle, sagt Stöcker. Ähnlich wie bei der inzwischen gängigen Impfung gegen Hepatitis A und B habe er das Impfantigen rekombinant, gentechnisch hergestellt. Das Immunsystem des Geimpften produziere nun Antikörper gegen das Spike-Protein des Virus, sie schützen ihn vor einer Infektion. Im Gegensatz etwa zu mRNA-Impfstoffen müssten dazu keine Virus-Bausteine in den Körper gespritzt werden, auch keine abgetöteten Krankheitserreger, sagt Stöcker. Vor so etwas fürchte sich ein Teil der Bevölkerung. Das ist dann das Ende des Stöcker-Impfstoffs? Nein. Ganz und gar nicht. Ich habe die Formel dafür ins Internet gestellt. Ich werde sie wegen der neuen Virus-Mutationen noch etwas anpassen. Aber ein Patent habe ich dafür nicht angemeldet. Das war auch nie meine Absicht. Ich könnte die Produktion gar nicht alleine stemmen. Und Geld will ich damit auch nicht verdienen. Ich habe schon genug. Nein, jeder soll den Impfstoff produzieren können, Ärzte ihn dann verimpfen. Mich haben mittlerweile schon rund tausend Mails von Impfwilligen erreicht. Es gibt sehr ernsthafte Interessenten. Die Geschichte geht weiter. Ist denn die Impfstrategie im Land überhaupt die richtige? Die kommentiere ich nicht. Ich schalte Radio oder Fernseher aus, wenn es um Corona geht. Das entscheiden andere. Vielleicht nur so viel: Ich hätte mit meinem Impfstoff sofort und als erstes die Pflegekräfte in den Heimen und Krankenhäusern geimpft. Aber auch dazu fehlte wohl der Mut. Von Wolfram Hammer