Mobilitätsstudie des ADAC: Schlechte Noten für Lübeck

Münster ist unangefochtener Sieger des neuesten Mobilitätsmonitors des ADAC. Darin wurde die Zufriedenheit aller Verkehrsteilnehmer – Pkw-Fahrer, Radfahrer, ÖPNV-Nutzer, Fußgänger – in 29 mittelgroßen deutschen Städten untersucht. Lübeck liegt weit abgeschlagen auf Platz 26. Dabei steht Norddeutschland insgesamt nicht schlecht da. Nachbar Rostock holt Silber, Oldenburg Bronze, auch Kiel erreicht das vordere Mittelfeld. Schlusslicht ist Mönchengladbach. Befragt wurden rund 12 000 Einwohner, Pendler und Besucher. Berücksichtigung aller Verkehrsbereiche wichtig: Auffällig ist, dass die Spitzenreiter in allen Verkehrsarten eine hohe Zufriedenheit erreichen. Der schleswig-holsteinische ADAC-Vorsitzende Gerhard Hillebrand sagte dazu am Freitag bei der Vorstellung der Studie: „Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig eine integrierte Verkehrsplanung ist, die die Belange aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigt.“ Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe bestätigt das: „Man darf kein Verkehrsmittel bevorzugen und muss die Menschen einbeziehen.“ Autofahrer am unzufriedensten in Lübeck: Vor allem Autofahrer und Fahrradfahrer lassen die Hansestadt fast zum Tabellenletzten werden. Erstere bemängeln das Baustellenmanagement sowie das Parkraumangebot, letztere Zustand und Breite der Radwege. Vor allem die erheblich bessere Situation des Radverkehrs lässt Kiel deutlich besser aussehen (Platz 11). Radfahrer und Autofahrer kritisieren sich gegenseitig: Interessant ist, dass Radfahrer über alle Städte hinweg von Autofahrern und Fußgängern in ihrem Verhalten negativ beurteilt werden. Optimierungsbedarf gibt es allerdings genauso bei der Bewertung des Verhaltens von Pkw-Fahrern durch Radfahrer sowie durch andere Autofahrer. Diese Nutzer des „motorisierten Individualverkehrs“ sind im übrigen in allen berücksichtigten Städten am unzufriedensten mit ihrer Mobilitätssituation. Lübecks Fußgängern fehlt es vor allem an Sitzgelegenheiten, dafür überzeugen die direkten Wege. ÖPNV-Nutzer kritisieren das Preis-Leistungsverhältnis, immerhin die Hälfte von ihnen lobt die Pünktlichkeit. ÖPNV wird seit Corona als weniger zuverlässig empfunden: Die Daten wurden zwischen Anfang Oktober und Anfang November erhoben, also mitten in der Corona-Pandemie. Das ist einer der Gründe, warum beispielsweise der ÖPNV und die Bahn – in Lübeck von mehr als einem Drittel – seltener oder gar nicht mehr benutzt wurden. Das liegt offenbar nur zum Teil an der Ansteckungsgefahr, sondern geht bei einem Viertel der Befragten auf den Eindruck zurück, dass sich die Zuverlässigkeit, das Ziel zu erreichen, seither verschlechtert hat. Im Bereich des ÖPNV setzte sich Rostock gegen alle anderen Städte durch. ADAC-Chef: Pandemiezeit nicht als Grundlage nutzen: Auch der deutlich bessere Verkehrsfluss in den Städten geht auf das Konto von Covid-19. Hillebrandt betonte in dem Zusammenhang, wie wichtig es sei, Verbesserungen auf Grundlage einer realistischen Verkehrslage zu machen und nicht in der Pandemiezeit. Lesen Sie auch Schleswig-Holstein fördert das Radfahren mit zehn Millionen Euro Neue Hafenstraße: Fußgänger und Radfahrer müssen ausweichen Baustellen in Lübeck - Verkehrsinformationen Durch Corona sind außerdem mehr Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs als zuvor. Das werde sich nach der Pandemie stabilisieren, glaubt Professor Jürgen Gerlach von der Bergischen Universität Wuppertal, dessen Stadt auf dem drittletzten Rang landete. Und doch seien noch immer zwei Drittel aller mit dem Pkw zurückgelegten Wege weniger als fünf Kilometer lang. Ziel: Mobilitätsplanung optimieren: Ziel des vorgelegten Monitors ist laut ADAC eine Optimierung der Mobilitätsplanung. Eine Planung, die laut Hillebrandt idealerweise „über Angebote statt über Verbote“ ausgearbeitet wird und „individuelle statt abstrakte Lösungen“ sucht. „Es sollten mehr Experimente erlaubt werden“, findet Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe. ÖPNV: Konzepte noch mehr an Nachfrage orientieren: Konzepte wie „Park&Ride“, die Herausforderungen der E-Mobilität sowie das Problem des Flächenkonfliktes waren weitere Themen bei der Ergebnispräsentation. Es könne nicht allein darum gehen, Autofahrern Raum wegzunehmen, um ihn dann Radfahrern zur Verfügung stellen zu können, merkte Hillebrandt an. Und: Im Bereich ÖPNV brauche es mehr digitale Tarife für eine flexiblere Nutzung. Jürgen Gerlach berichtete von positiven Erfahrungen mit „Traffic on demand“: „Wir müssen weg von angebotsbezogenem und hin zu nachfragebezogenem Nahverkehr.“ Jeder ist gefragt: Fehler auch mal verzeihen: ADAC-Verkehrspräsident Hillebrandt plädierte für ein ausgewogenes Miteinander von allen Verkehrsteilnehmern sowie einen respektvollen Umgang. „Dazu sollte jeder seinen Beitrag leisten, indem er die Regeln einhält, nicht immer auf seinem Recht besteht und Fehler anderer auch mal verzeiht“, sagte er. Von Nina Gottschalk