Nach Austritt: Frank Brodehl rechnet mit der AfD ab

Die AfD-Fraktion im Kieler Landtag zerfällt immer weiter. Am Freitag kündigte der Abgeordnete Frank Brodehl seinen Austritt an. Der 49-Jährige verlässt zugleich auch die Partei – und rechnet in einem Facebook-Beitrag schonungslos mit der Nord-AfD ab. Brodehl spricht von „Verrohung“ der AfD: Der AfD-Landesverband Schleswig-Holstein radikalisiere sich zunehmend und systematisch, schreibt Brodehl da. Verantwortlich dafür seien sowohl der Landesvorstand als auch „die deutliche Mehrheit der Kreisvorstände“. Von einer bürgerlich-wertkonservativen politischen Kraft könne keine Rede mehr sein. Im Gegenteil: Brodehl attestiert der AfD eine „Verrohung“. Nazi-Vokabular, Diffamierungen, Unterstützung der NPD: Und er führt Beispiele dafür an. „Die Verwendung von Nazi-Vokabular wie ,Endsieg’ oder ,Krieg des Systems gegen das eigene Volk’ in Mitglieder-Mails, die öffentliche Verächtlichmachung gewählter Bundes- und Landespolitiker durch ein Landesvorstandsmitglied als ,Renegaten, Verräter und Agenten’, die ,ausgeschwitzt’ werden müssten, die Bewerbung von NPD-Materialien durch einen AfD-Kreisverband und die namentliche Diffamierung einer Flensburger Lehrerin auf der Facebook-Seite des Landesverbandes verbunden mit der Aufforderung, gegen diese ,Druck aufzubauen’, sind lediglich vier der jüngsten Beispiele für das Auftreten der AfD Schleswig-Holstein“, schreibt Brodehl. Persönliche Erklärung zum ParteiaustrittIch habe heute dem AfD-Landesvorstand mitgeteilt, dass ich mit sofortiger... Posted by Dr. Frank Brodehl on Friday, September 25, 2020 Ein völkisch-nationaler Grundton: Kreisvorstände, die den Landesvorstand auf diese Dinge ansprechen würden, würden von diesem als „Nestbeschmutzer“ oder „Denunzianten“ gebrandmarkt, so Brodehl – „häufig unter dem hämischen Applaus der meisten anderen Kreisvorsitzenden“. Er selber sei auch schon Opfer parteiinterner Diffamierung geworden. Im Landesverband sei der „völkisch-nationalistische Grundton“ mittlerweile „deutlich lauter als die Stimmen derjenigen in der Partei, die für eine seriöse und wertkonservative AfD-Politik eintreten“. Und auch durch die Fraktion laufe eine Trennlinie zwischen moderaten AfD-Mitgliedern und dem sogenannten „Flügel“. Brodehl war auch AfD-Sprecher in Ostholstein: Das alles sei für ihn inakzeptabel, schreibt Brodehl. „Als Freiheitlich-Konservativer kann ich weder in der Fraktion noch im AfD-Landesverband Schleswig-Holstein weiterhin eine politische Heimat haben.“ Er trete daher aus der Partei aus und lege auch sein Amt als Sprecher des Kreisverbands Ostholstein nieder. Landtagsfraktion kalt erwischt: Die Landtagsfraktion wurde von Brodehls Entscheidung offenbar kalt erwischt – der Sonderschullehrer verkündete sie am Freitag im Plenum des Landtags am Ende seiner Rede zum Thema Ganztagsschulen. Die Ankündigung „hat uns völlig überrascht. Die Fraktion wird sich umgehend über das weitere Vorgehen beraten“, sagte AfD-Fraktionschef Jörg Nobis in einer ersten Reaktion nur. Partei weist alle Vorwürfe zurück: Der kommissarische AfD-Landesvorsitzende Joachim Schneider weist Brodehls Vorwürfe zurück. Das sei alles „Quark“. Die Wortwahl in sozialen Netzwerken sei manchmal „ungünstig“, aber da wolle man nicht gleich „die Zensurschere ansetzen“. Ein kooptiertes Vorstandsmitglied habe sich auf einem Privat-Account tatsächlich scharf geäußert, sei aber daraufhin sofort ent-kooptiert worden. Und Mitglieder-Mails mit Nazi-Vokabular habe es nie gegeben. „Was will Herr Brodehl also?“, fragt Schneider. Die AfD verliert den Fraktionsstatus: Zur AfD-Gruppe im Landtag gehören damit künftig nur noch drei Mitglieder, neben Nobis der Innenpolitiker Claus Schaffer und Volker Schnurrbusch. Damit verliert sie den Fraktionsstatus, der ihr unter anderem Gelder für Büros und Mitarbeiter und einen Sitz im Ältestenrat zusichert. Auch in den Ausschüssen droht die AfD weitere Sitze zu verlieren. Doris von Sayn-Wittgenstein wurde ausgeschlossen: Ursprünglich war die AfD nach der Landtagswahl im Mai 2017 mit fünf Abgeordneten gestartet. Im Dezember 2018 war Doris von Sayn-Wittgenstein allerdings aus der Fraktion ausgeschlossen worden. Sie soll Verbindungen zu einem von einer Holocaust-Leugnerin mitgegründeten, rechtsextremen Verein gepflegt haben. Sie hat im August 2019 auch ihre AfD-Mitgliedschaft verloren. Trotz des laufenden Parteiausschlussverfahrens war sie im Juni 2019 von einem Parteitag der Nord-AfD noch einmal zur Landesvorsitzenden gewählt worden. Sayn-Wittgenstein sitzt seither als parteilosen Abgeordnete im Landtag. Von Wolfram Hammer