Nach Corona-Vorfall in Frankfurt: Sind Gottesdienste im Norden sicher?

Sie sollen gesungen und dabei keinen Mundschutz getragen haben: Nach einem Baptisten-Gottesdienst in Frankfurt sind die Zahlen der Corona-Neuinfektionen in Frankfurt und drei hessischen Landkreisen sprunghaft angestiegen. Mindestens 107 Menschen haben sich bislang mit dem Virus angesteckt, Tendenz steigend. Gemeinden und Kirchengängern aus Schleswig-Holstein stellt sich eine drängende Frage: Wie hoch ist das Risiko einer Infektion beim Besuch eines Gottesdienstes? Das Restrisiko einer Infektion bei Veranstaltungen bleibt: „In dem Moment, wo die Veranstaltungen wieder hochgefahren werden, steigen vermutlich auch die Infektionszahlen wieder an“, sagt Helge Frey, Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in Kiel. „Egal, welche Maßnahmen man ergreift, ein Restrisiko wird wohl bleiben.“ Aus Sorge vor dem Coronavirus habe seine Gemeinde Gottesdienste bislang abgelehnt. Die Gemeinde in Bad Segeberg hat auf die Neuinfektionen in Frankfurt reagiert – und die für die kommenden Sonntage geplanten Gottesdienste abgesagt. Sie sollten ursprünglich am Pfingstsonntag, 31. Mai, wieder starten. In Kiel sei am kommenden Freitagabend eine erste Gebetsrunde im kleineren Kreis geplant: Mit Anmeldung und reichlich Abstand, Mundschutz und unter Beachtung vieler weiterer Vorsichtsmaßnahmen. Dass in Frankfurt so viele Menschen infiziert sind, sei dramatisch. „Man fragt sich natürlich gleich, ob das abfärbt auf andere Kirchen und die Menschen nicht mehr zu den Gottesdiensten kommen“, sagt Frey. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Baptisten-Gottesdienste sind engagierter: Der Landesverband Norddeutschland im Bund Evangelisch Freikirchlicher Gemeinden hat 6200 Mitglieder. Dass das Coronavirus sich ausgerechnet bei einem Baptisten-Gottesdienst übertragen hat, ist in den Augen Freys Zufall. „Unsere Gottesdienste unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von denen evangelischer Kirchen“, sagt er. „Vielleicht sind wir ein bisschen engagierter, emotionaler.“ Volkmar Glöckner, Pastor der Friedenskirche Lübeck, sieht das ähnlich. Am vergangenen Sonntag gab es erstmals wieder zwei aufeinanderfolgende Gottesdienste, der erste mit 42 Teilnehmern, der zweite mit gerade einmal 25 Teilnehmern. „Das ist schon ein bisschen befremdlich mit den wenigen Leuten. Aber bei all der Technik, für die wir auch sehr dankbar sind, kann der übertragene Gottesdienst doch nicht den richtigen ersetzen.“ Er habe jetzt das Vertrauen und die Hoffnung, dass es für seine Gemeinde gut ausgehe und niemand erkranke. „Wir haben ja glücklicherweise in Lübeck auch keine registrierten Fälle mehr.“ Erzbistum empfiehlt weiterhin die Übertragung von Gottesdiensten: „Der Vorfall in Frankfurt zeigt, wie wichtig es ist, die erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen einzuhalten“, betont Manfred Nielen, Sprecher des Erzbistums. Der Infektionsschutz werde in den katholischen Gemeinden auch dementsprechend ernst genommen. „Wir haben dazu ausführliche Regelungen erlassen. Aktuell sehen wir keinen Änderungsbedarf.“ Trotz der Schutzmaßnahmen empfiehlt das Erzbistum ausdrücklich die Übertragung der Gottesdienste, „auch weil wegen der Beschränkungen nur relativ wenige Menschen an den Gottesdiensten teilnehmen können“, sagt Nielen. Trotzdem könne die Übertragung nicht die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Feier ersetzen. „Deshalb sind wir froh, dass diese Möglichkeit wieder besteht.“ Die Gläubigen wünschen sich zwischenmenschlichen Kontakt: Peter Schulze, Sprecher der Nordkirche, zeigt sich bestürzt über die vielen mit dem Coronavirus infizierten Gottesdienstbesucher: „Wir denken an die Menschen in Quarantäne. Gleichzeitig verunsichern solche Vorkommnisse, weil deutlich wird, dass sich durch einen sogenannten ,Superspreader’ unzählige Menschen in einem sehr kurzen Zeitraum mit dem Coronavirus infizieren können.“ Dass im aktuellen Vorfall in Frankfurt der lokale Infektionsherd eine Gottesdienstfeier sein soll, „macht uns als Nordkirche sehr betroffen“. Abgesagt werden sollen die Gottesdienste im Norden bislang aber nicht. Zwar würden auch alternative Möglichkeiten zur Teilnahme am Gottesdienst rege genutzt, „gleichzeitig zeigen eine Reihe Rückmeldungen: Die Menschen möchten sich wieder frei bewegen können, den zwischenmenschlichen und auch geistlichen Austausch haben“, sagt Schulze. Die Hygienevorschriften würden aber zu jeder Zeit eingehalten. „Im Gebiet der Nordkirche ist das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes in kirchlichen Innenräumen Pflicht. Zudem empfehlen wir, auf das Singen zu verzichten. Eine Alternative ist, die Lieder mitzusummen.“ Abstand ist das oberste Gebot: „Ganz wichtig ist das Abstandsgebot“, sagt Christian Kohl, Sprecher des Gesundheitsministeriums. Ansonsten seien die in der Verordnung genannten Regelungen für Gottesdienste zu beachten. Neben der Einhaltung der Husten- und Niesetikette müsse es beispielsweise auch eine Möglichkeit zur Desinfektion der Hände geben, gut ausgeschilderte Ein- und Ausgänge seien zudem ein Muss. Außerdem müsse jeder Teilnehmer sich registrieren, damit im Falle einer Virusinfektion die Kontaktpersonen nachverfolgt werden könnten. „Wesentlich und vorrangig für die Umsetzung von Gottesdiensten ist die Eigenverantwortung der Bürger“, betont Kohl. Nach einem Virusausbruch wird die Lübecker Moschee geschlossen: Strikte Regelungen zur Vermeidung weiterer Virusinfektionen gibt es auch für die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde in Lübeck. „Alle mit Vorerkrankungen, Erkältungssymptomen und jünger als 15 und älter als 60 Jahre dürfen zurzeit nicht zum Beten in die Moschee kommen“, sagt Farid Ahmed, Sprecher der Lübecker Moschee. In Whatsapp-Gruppen würden die Mitglieder kommunizieren, wer wann zum Beten komme, außerdem seien sie dazu angehalten, alle freiwilligen Gebete zu Hause zu sprechen und nur für die Pflichtgebete in die Moschee zu kommen. „Intern haben wir uns auch erst einmal darauf geeinigt, dass die Frauen nicht zum Beten in die Moschee kommen.“ Was die Hygiene angeht, so würden sie keine Ausnahme machen. „Wer seinen Mundschutz oder den eigenen Gebetsteppich vergisst, kommt nicht rein. Je vorsichtiger, umso besser – weil, wenn doch etwas passieren sollte, dann wird die Moschee erst einmal bis auf Weiteres geschlossen.“ Die Achtung vor dem Leben steht im Judentum an erster Stelle: „Im Moment feiern wir noch keine Gottesdienste“, sagt Solveig Steinkamp, Vorstandsmitglied der Liberalen Jüdischen Gemeinde Lübeck. Zum einen würde das Singen und das Ausschenken von Wein fest zum Gottesdienst gehören – und sei nicht gestattet. Zum anderen „ist unser oberstes Gesetz die Lebensrettung. Das steht vor allem anderen“, so Steinkamp. Zur Kehrseite der Medaille gehöre eben auch, dass der Ausfall der Gottesdienste „unsere Achtung vor dem Leben zeigt, denn viele unserer Mitglieder gehören zur Risikogruppe“. Trotz dieser Gefahr Gottesdienste zu feiern, hält Steinkamp für unverantwortlich. „Wir machen das nicht, wir schützen das Leben.“ Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Schutzmasken richtig tragen: So geht’s! Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Beschränkungen in Schleswig-Holstein: Das ist alles noch verboten Sylt wieder per Fähre erreichbar Dänemark: Urlauber mit Ferienhaus sollen einreisen dürfen Kommentar: Die Kinder brauchen ihren Alltag zurück Weiße Kreise, um im Park Abstand zu halten: Eine Idee auch für Lübeck Tierheime im Norden haben wieder geöffnet Schleswig-Holsteins Eltern fordern: Macht die Kitas wieder auf! Klamme Kassen wegen Corona: Parkplätze an der Küste bald gebührenpflichtig? Kontaktverbot gelockert: Was jetzt erlaubt ist So stehen die Chancen auf Sommerurlaub in Dänemark Das sind die neuen Regeln für Restaurants und Gaststätten in Schleswig-Holstein Virologe Drosten fordert mehr Außengastronomie – so reagiert der Norden Einheimische befürchten zweite Corona-Welle durch Tagestouristen Zum Nachfahren: Schöne Fahrradtouren rund um Lübeck Diese Maskentypen gibt es – und so werden sie richtig genutzt Maskenpflicht in Schleswig-Holstein – das müssen Sie wissen Hier bekommen Betriebe im Norden Hilfe Keine Neuinfektionen in SH: Coronavirus zirkuliert kaum noch im Norden Von Josephine Andreoli

Corona - Sind Gottesdienste in Schleswig-Holstein sicher?