Neues Semesterticket: Studenten in SH fordern Geld zurück

Zum Start im Wintersemester 2019/20 lag der Preis für das Ticket, mit dem fast der gesamte Nahverkehr in Schleswig-Holstein genutzt werden kann, bei 124 Euro – zusätzlich zum regionalen Semesterticket (54,60 Euro für den Stadtverkehr Lübeck beispielsweise). Im aktuellen Wintersemester sind es bereits 136 Euro, im Sommer steigt der Preis auf 142 Euro. Auf diese Verteuerungsrate hatten sich die Verkehrsbetriebe im Land mit den Allgemeinen Studierenausschüssen (Asten) geeinigt. Womit damals allerdings keiner gerechnet hat: die Corona-Pandemie. Keine Veranstaltungen an Hochschulen: Präsenzveranstaltungen an Hochschulen in Schleswig-Holstein sind wegen des Lockdowns aktuell untersagt, genau wie bereits im Frühjahr vergangenen Jahres. Die Studenten lernen größtenteils im Homeoffice. Auch wenn sie den ÖPNV nicht nutzen, werden ihnen die Beiträge aber mit dem Semesterbeitrag abgebucht. Dagegen regt sich Widerstand. „Je länger die Pandemie andauert, desto höher wird der Unmut darüber, das Semesterticket zu bezahlen, obwohl Bus- und Bahnverkehr soweit wie möglich vermieden werden soll. Die Studierenden fordern eine Rückerstattung“, sagt Lena Möller, Vorstand vom Asta der TH Lübeck. Die Richtlinien würden dabei sogar vorsehen, dass immatrikulierte Online-Studierende ein Anrecht auf Rückerstattung hätten. „Da Präsenzlehre weitestgehend nicht stattfinden darf, sind alle Studierenden zwangsläufig Online-Studierende. Aus diesem Grund besteht seitens der Studierenden kein Verständnis dafür, das Semesterticket zu bezahlen, und wir als Asta sind zum Handeln aufgefordert.“ Gespräche mit Verkehrsbetrieben ohne Erfolg: Die Studierendenvertreter hätten bereits im ersten Lockdown den Kontakt zu den Verkehrsbetrieben gesucht, um eine Rückerstattung zu ermöglichen. „Auch wenn die Gespräche anfangs in eine positive Richtung verliefen, wurden unsere Forderungen letztendlich zurückgewiesen, da die Verkehrsbetriebe vom Bund keine Gelder zur Verfügung gestellt bekommen haben“, sagt Möller. Trotz der Zurückweisung und der sich verschärften und andauernden aktuellen Lage würde sie sich wünschen, zusammen mit den Verkehrsbetrieben eine Lösung zu finden, um den Studierenden eine Last von den Schultern zu nehmen. Studenten stellen Zukunft des Tickets infrage: Das sehen auch Ole Gildemeister und Rafaela Rawinski vom Asta der Uni Lübeck so. „Für die von der Pandemie finanziell hart getroffenen Studierenden bedeutet das Semesterticket zurzeit eine erhebliche Mehrbelastung, ohne dass dieses groß verwendet werden kann“, sagen sie. Aufgrund der Vertragslage bestehe allerdings keine Möglichkeit, aus den Verträgen vor 2022 auszusteigen; somit seien die Studierenden für die vergangenen und kommenden Semester weiterhin zum Erwerb des landesweiten Semestertickets verpflichtet. „Eine Fortführung des Tickets darüber hinaus scheint in der aktuellen Situation angesichts der Stimmung in den Studierendenschaften allerdings fraglich, auch wenn die Pandemie bis dahin überwunden wurde“, sagen die Asta-Sprecher. „Am Ende bleibt leider das Gefühl, dass die Studierenden für die pandemiebedingten Verluste der Verkehrsunternehmen herhalten müssen, die alternativ von Bund und Land beglichen worden wären“. Aus unternehmerischer Sicht sei das Handeln der finanziell angeschlagenen Verkehrsunternehmen nachvollziehbar, als Vertragspartner hätten die Studenten sich allerdings ein sehr viel größeres Interesse an einer für beide Seiten tragbaren Lösung gewünscht und erwartet. Defizit im zweistelligen Millionenbereich: Tatsächlich steht eine Erstattung des Semestertickets derzeit nicht zur Debatte. Das teilte der zuständige Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (Nah.SH) mit. „Das Bahn- und Busangebot besteht auch während der Pandemie weitgehend unverändert. Es gibt auch deshalb bisher keine Überlegungen, das sehr stark rabattierte Semesterticket teilweise oder ganz zu erstatten“, begründet Sprecher Dennis Fiedel. Generell würden durch das pandemiebedingte veränderte Nutzungsverhalten bereits monatlich Verluste im zweistelligen Millionenbereich entstehen, wodurch die Finanzierung des Nahverkehrs insgesamt gefährdet sei. „Wir sehen deshalb auch rein finanziell wenig Spielraum für mögliche Erstattungen – unabhängig davon, dass das Angebot fortbesteht“, so Fiedel weiter. SPD fordert Entgegenkommen: Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Kai Vogel, ist damit nicht einverstanden. „Wir erwarten ein Entgegenkommen beim Preis des Semestertickets für die kommenden Semester. Andere Bundesländer zeigen sich hier sehr kooperativ, wenn es absolut keine Präsenzveranstaltungen gibt oder die Studierenden seit Wochen nicht im Land waren, erhalten Studierende Rückerstattungen.“ Lesen Sie auch So funktioniert das neue Semesterticket Grüne wollen günstiges Semesterticket auch für Freiwillige Handwerkskammer fordert Semesterticket für Auszubildende Ausnahmen bei Erstattung: Laut Nah.SH basiert das Semesterticket Schleswig-Holstein auf dem Solidarprinzip: Es muss von allen Vollzeitstudierenden der teilnehmenden Hochschulen abgenommen werden. Eine Erstattung sei daher grundsätzlich nicht möglich. Allerdings gibt es Ausnahmen: zum Beispiel bei einer Schwerbehinderung, Beurlaubung oder Auslandssemester. Hierfür gelten die Regelungen der regionalen Semestertickets, die an jeder Hochschule anders sind. Erstattungsanträge können daher ausschließlich beim Asta der Hochschule gestellt werden. Grüne: Semesterbeitrag überdenken: Die Grünen im Landtag sind der Meinung, dass das Thema größer gefasst werden müsse. Der verkehrspolitische Sprecher, Andreas Tietze, sagt: „Der Semesterbeitrag muss aufgrund der Coronakrise als Ganzes diskutiert werden. Das ist eine hochschulpolitische Aufgabe. Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass das Semesterticket unter großer Beteiligung der Studierendenparlamente stattgefunden hat. Daher werden wir uns auch in dieser Frage nicht explizit einmischen.“ Die Grünen hätten vollstes Verständnis für die schwierige wirtschaftliche Lage von Studierenden in dieser Krise. „Das Semesterticket ist jedoch Teil verschiedener Abgaben, die Studierende entrichten. Auch Mensen haben geschlossen und werden durch Semesterbeiträge subventioniert.“ Der ÖPNV in Schleswig-Holstein laufe in der Krise ohne Einschränkungen. Bereits heute würden sich die fehlenden Fahrgasteinnahmen auf mehr als 100 Millionen Euro summieren. Tietze: „Wir wollen einen leistungsfähigen ÖPNV erhalten, gerade vor den Herausforderungen der Klimakrise. Aus diesem Grund gibt es auch Menschen, die ihre Monatskarten nicht kündigen, das beeindruckt uns sehr.“ Von Jan Wulf