Night of lights: Alarmstufe Rot bei Veranstaltern

Wie bundesweit in mehr als 200 Städten wurden in der „Night of Lights“ auch in den großen Städten im Norden Eventlocations und andere bedeutende Gebäude illuminiert. In Lübeck, wo Holstentor, Schuppen 6 und MuK von Branchenkollegen in Szene gesetzt wurden, hatte sich Sebastian Gartz für das Karstadt-Gebäude entschieden, „auch aus Solidarität mit den Mitarbeitern dort“. Der Chef der SG Medientechnik stellte das Licht, die Technik und das Know-how für das Rotlicht am Schrangen. Seit 2007 ist er mit seiner Firma im Geschäft, hat sich in der Event-Inszenierungen in Lübeck (Nordische Filmtage, Gollan-Gala, TraWo) und weit darüber hinaus einen Namen gemacht. Und macht sich aktuell große Sorgen um seine Branche. Lange Vorlaufzeiten bei Großveranstaltungen: „Wir sind seit Mitte Februar von den Einschränkungen betroffen und werden es vermutlich noch am längsten sein“, weiß er um die Vorlaufzeit von Großveranstaltungen und die Ungewissheit, wann sie unter welchen Bedingungen wieder möglich sein werden. „Mag sein, dass es im nächsten Jahr wieder eine Hannover-Messe gibt. Aber wer wird da kommen, wenn Flüge nur eingeschränkt möglich und viele Key-Account-Kunden aus dem Ausland vielleicht nicht dabei sind?“, fragt er. „Die Messestände fallen kleiner aus, es braucht keine großen Bühnen, keine LED-Wände und ähnliches...“. „Spaßgesellschaft“ mit Systemrelevanz: Das rote Licht an den „Mahnmalen einer bedrohte Branche“ sollte als „unübersehbarer, flammender Appell an die Politik zum längst überfälligen Einstieg in einen Dialog“ verstanden werden, betont der Kieler Christian Walsdorf, Sprecher der Initiative für die Veranstaltungswirtschaft Schleswig-Holstein (IVWSH), in der über 60 Unternehmen und Selbstständige zusammengeschlossen sind. Nach dem verlängerten Verbot von Großveranstaltungen müsse allen „bewusst gemacht werden, dass hier ein Wirtschaftszweig mit einer Million direkt und zwei Millionen indirekt Beschäftigten bewusst geopfert“ werde. Nicht nur die Veranstalter, auch Spielstätten, Zulieferer und Dienstleister seien betroffen. „Diese Branche gehört zu den sechs wirtschaftsstärksten in Deutschland mit normalerweise 130 Milliarden Euro Umsatz“, entgegnet Walsdorf auch Kritikern, die meinen, die „Spaßgesellschaft“ sei ja „nun wahrlich nicht systemrelevant“. Enttäuschende Signale aus der Politik: Auch der Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik (VPLT) kritisiert, dass im Konjunkturpaket der Bundesregierung kein Sonderhilfsfonds für Veranstaltungsunternehmen vorgesehen ist. Die beschlossenen Überbrückungshilfen seien nicht ausreichend, so der VPLT-Vorstandsvorsitzende Helge Leinemann, weil sie die Notlage gerade kleinerer Betriebe und vieler Solo-Selbstständiger nicht berücksichtige. Was für Gartz neben dem finanziellen auch einen wichtigen psychologischen Aspekt hat: „Für DJs oder beispielsweise freie Techniker gibt es aktuell keine Hilfsprogramme, keine Förderung, sondern als Perspektive nur Hartz IV.“ Walsdorf prangert an, dass eine Verlängerung der Überbrückungshilfen bis zum Jahresende wieder aus einem Entwurfspapier gestrichen sei, für das sich die Landeswirtschaftsminister bei Bundesminister Peter Altmaier stark gemacht hätten. Gleichzeitig wartet seine Branche auch auf Landesebene weiterhin auf einen Runden Tisch, für den sich Kiels Wirtschaftsminister Bernd Buchholz bereits im Mai und Ministerpräsident Daniel Günther erst vor knapp zwei Wochen erwärmen konnte. „Passiert ist aber noch nichts.“ MuK-Chefin Jarabek fordert einheitliche Regelungen: An der „Night of Lights“ in Lübeck hatte sich auch die Musik- und Kongresshalle (MuK) beteiligt, Geschäftsführerin Ilona Jarabek sprach von einem „imposanten Zeichen“ und unterstrich ihre Erwartung an die „Politik im Bund und den Ländern, dass der Vielfalt der Veranstaltungsbranche Rechnung getragen wird. Von einheitlichen Regelungen zum Umgang mit Veranstaltungen bis zu finanziellen Rettungsprogrammen.“ Nur so könne man mittelfristig das Kerngeschäft reaktivieren und Vertrauen aufbauen, betonte Jarabek, die auch Präsidentin des Europäischen Verbandes der Veranstaltungs-Centren (EVVC) ist. Die IVWSH fordert „echte Hilfe anstelle von Kreditprogrammen“, also keine rückzahlbaren Gelder, sondern Überbrückungshilfen, „weil es letztlich noch eine ganze Weile dauern wird, bis wieder Veranstaltungen möglich sein werden, bei denen man wirklich Überschüsse erwirtschaften kann“, prognostiziert Firmenchef Gartz. Für seinen Betrieb mit 14 Mitarbeitern hat er bereits die Genehmigung eingeholt, die Kurzarbeit bis Ende Februar auf insgesamt ein Jahr auszuweiten. Investitionen für die Zukunft fördern: „Der Zeitraum wird hoffentlich ausreichen, um sich neu zu erfinden“, sagt Gartz, der momentan immerhin Kleinaufträge hat, mal eine Gemeinderatsitzung in einer Sporthalle akustisch ausstattet, mal ein Autokino mit Bild und Ton versorgt. Zugleich versucht er, sich für die Zukunft aufzustellen, hat ein Studio eingerichtet, das er seinen Kunden anbietet, wenn die einen professionellen Rahmen brauchen, um ihre Produkte statt auf einer Messe per Videochat zu präsentieren. Den Blick in die Zukunft fordert Gartz auch von der Politik bei deren staatliche Hilfen: „Wenn aus den Geldtöpfen verteilt wird, sollte das nicht nach dem Gießkannenprinzip passieren, sondern daran geknüpft sein, dass die Betriebe die Mittel in ihre Weiterentwicklung investieren, es einsetzen für Zukunftstechniken.“ In den Gesprächen mit der Politik müsse es neben den Verteil-Kriterien aber auch darum gehen, „gemeinsam kreative Perspektiven für einen möglichst zeitnahen Neustart der Event- und Messe-Branche zu entwickeln“, fordert Walsdorf. „Wir wollen nämlich keineswegs nur die Hand aufhalten. Wir sind daran interessiert, konstruktiv an Lösungen mitzuarbeiten.“, betont er. 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