Friseure im Lockdown: Kunden fragen nach illegalen Hausbesuchen

Dass die Friseure coronabedingt nicht arbeiten dürfen, wird vielen bei jedem Blick in den Spiegel schmerzlich bewusst. Niemand weiß derzeit, wann der Lockdown endet, und einige trauen sich schon jetzt nur noch mit Mütze aus dem Haus. Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen und so greifen einige Mutige selbst zur Schere und zum Haarfärbemittel. Andere versuchen, den Friseur ihres Vertrauens zu Hausbesuchen zu überreden, denn die wenigsten haben das Glück, mit einem verheiratet zu sein. Innung Lübeck appelliert: „Wir alle müssen jetzt Geduld haben“: Friseurmeisterin Elisabeth Würz aus Bayern berichtet, dass ihr dreistellige Summen für einen Hausbesuch geboten wurden – sie hat abgelehnt. „Alles andere wäre auch fahrlässig“, sagt Manfred Kley, Geschäftsführer der Lübecker Friseur-Innung. Auch er hatte bereits „eine Handvoll Anrufer in der Leitung“, die gefragt haben, ob nicht vielleicht doch ein Hausbesuch möglich wäre. „Darauf konnte ich nur mit einem klaren Nein antworten“, sagt Kley. Er rät allen Friseuren, sich keinesfalls zu einem heimlichen Haareschneiden überreden zu lassen, denn das kann empfindliche Strafen nach sich ziehen und die ganze Branche in Verruf bringen. Kley hat zwar Verständnis für den Leidensdruck einiger Kunden, „doch es hilft nichts. Wir müssen jetzt alle gemeinsam da durch und Geduld haben.“ Verzweifelte Friseurin wollte trotz Lockdowns öffnen: Schlagzeilen machte in dieser Woche die Friseurin Bianca Opel aus Zinnowitz (Mecklenburg-Vorpommern), die wegen des Lockdowns das Aus ihres Geschäftes fürchtet und ihren Salon trotz des Verbots am Montag, 11. Januar, öffnen wollte. Letztlich blieb ihr Salon doch geschlossen, weil der Bürgermeister von Zinnowtz eine Hilfsaktion für die Friseurin initiiert hat. Lübecker Friseur: „Langsam wird es eng für uns“: „Ich gehöre nicht zu den Menschen, die jammern, aber langsam wird es wirklich eng für die Friseure“, sagt auch Constantin Schwenen, der sich Ende 2019 mit „Nice“ in Lübeck selbstständig gemacht hat. Er steht auch während des Lockdowns in engem Kontakt mit seinen Kunden. „Klar fragen viele, ob ich zum Haareschneiden vorbei kommen kann, aber das kommt für mich aus mehreren Gründen nicht in Frage“, erklärt der Lübecker. „Es ist ganz klar verboten und verstößt gegen sämtliche Corona-Maßnahmen“, erklärt der Friseur, der sich strikt an die Kontaktbeschränkungen hält und derzeit außer seiner Familie nur einen Freund trifft. Schwarze Schafe schneiden heimlich: Schwenen ist sich jedoch sicher, dass viele Friseure derzeit privat Haare schneiden. „Ich sehe in Lübeck einige Menschen mit frisch geschnittenen Kurzhaarfrisuren, die nur ein Profi gemacht haben kann“, sagt der Lübecker. Friseure kritisieren Fußballprofis: Für Unmut sorgen derzeit auch die akkuraten Frisuren einiger Fußballprofis, die dem „Zentralverband Friseurhandwerk“ aufgefallen sind. In einem Offenen Brief an DFB-Präsident Fritz Keller kritisieren die Friseure, dass „frischfrisierte Fußball-Stars eine gesamte Branche unter Druck setzen“. Viele Friseurbetriebe seien durch den erneuten Lockdown in ihrer Existenz bedroht und der Unmut gegenüber topgestylten Fußballern, und in der Folge Kundenanrufen, die zu Schwarzarbeit und Regelverstößen wie Hausbesuchen überreden wollen, wachse. Kritik an fehlender Staatshilfe: Vergrößert wird der Frust der Friseure durch die in ihren Augen unzureichende Hilfe für ihren Berufsstand. „Zum einen werden beim Überbrückungsgeld III nur die Fixkosten erstattet – und die auch nur zu 90 Prozent – und zum anderen kann die Hilfe für Januar derzeit noch nicht einmal beantragt werden“, kritisiert der Lübecker Friseur Schwenen. Er versucht trotzdem, optimistisch zu bleiben: „Aufgeben ist keine Option!“ Stattdessen plant Schwenen, für seinen Salon „Nice“ eine Spenden- und Gutscheinaktion zu starten. Er ist überzeugt: „Wir meistern diese Krise nur, wenn wir uns alle gegenseitig helfen und unterstützen.“ Handwerkskammer: „Das ist eine wahnsinnig lange Durststrecke“: Nach Angaben der Handwerkskammer Lübeck stellte schon der Lockdown im Frühjahr für die Friseure eine große Belastung dar. „Wir wissen aus unserer jüngsten Konjunkturumfrage, dass die Stimmung im Personenbezogenen Dienstleistungshandwerk – darunter fallen auch die Friseure – besonders schlecht ist: 39 Prozent der Betriebe bezeichneten ihre Geschäftslage als schlecht – so viele wie in keiner anderen Gewerkegruppe“, erklärt Handwerkskammer-Sprecherin Anja Schomakers. Der zweite Lockdown erhöhte nochmals den wirtschaftlichen Druck auf die Betriebe. Umso wichtiger sei deshalb die zügige Auszahlung von finanziellen Hilfen, um Betriebe vor unverschuldeten Liquiditätsengpässen und existenzbedrohenden Wirtschaftslagen zu bewahren. „Nach unserer Kenntnis soll die Antragstellung für die Überbrückungshilfe III erst ab Mitte Februar möglich sein. Das ist eine wahnsinnig lange Durststrecke für die betroffenen Betriebe und führt nochmals zu Verunsicherung und Ärger“, kritisiert Schomakers. Auch nach dem Lockdown ist Warten angesagt: Constantin Schwenen fürchtet, dass ein Ende des Lockdowns nicht das Ende des Kunden-Frusts bedeutet wird. „Wir werden dann erstmal alle Kunden abarbeiten, die bereits einen Termin hatten, der abgesagt werden musste. Allen anderen werde ich erst Wochen später einen Termin anbieten können“, erklärt der Friseur. Lesen Sie auch Gericht: Hundefriseure dürfen auch im Lockdown weiter öffnen Finanzhilfe für Firmen in SH: Bisher kam viel zu wenig an Lockdown in SH bis 31. Januar: Schule, Kita, Treffen, Homeoffice - die Regeln in der Übersicht Tipp vom Profi: Hände weg von der Haarschneideschere! Sein Rat an alle, die sich selbst die Haare schneiden wollen: „Lasst es bleiben!“ Sogar Friseure würden sich nicht selbst die Haare schneiden, „weil das insbesondere hinten meistens schief geht“. Wer sich die Haare dunkler tönt oder färbt, könne das bei großem Leidensdruck auch zu Hause versuchen. Schwenen hat auch schon für Kunden die Wunschhaarfarbe angemischt und an der Tür verkauft. Von selbst gemachten Blondierungen und Strähnchen rät der Profi dagegen ab und hat auch einen Trost parat: „Dunkle Ansätze sind gerade unabhängig vom Lockdown angesagt.“ Von Grit Petersen

SH: Friseure im Lockdown - zum illegalen Haareschneiden gezwungen?