SH: Sollten Lehrer früher bei der Corona-Impfung drankommen?

Schleswig-Holstein öffnet die Schulen wieder. Am 22. Februar geht es mit den Klassen 1 bis 4 los. Aber ist der Unterricht wirklich coronasicher? Lehrerverbände fordern eine schnelle Impfung für die Pädagogen. Politiker können nur vage Versprechen machen. Lehrer und Erzieher sollen schneller geimpft werden: Die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin haben es nach ihrer Videoschalte am Mittwoch verkündet: Lehrkräfte und Kita-Erzieherinnen und Erzieher sollen in der Impf-„Priorisierung“ aufrücken – in Stufe zwei, gleich hinter Betagten, Risikopatienten und Ärzten und Pflegern. Wann der Impfstoff dafür bereitstehen soll, haben sie nicht gesagt. „Beim Impfen sollten Lehrkräfte – insbesondere Lehrkräfte an Grundschulen – ebenso wie Erzieherinnen und Erziehern eine höhere Priorität als bisher erhalten“, sagt daher auch Kiels CDU-Bildungsministerin Karin Prien vorläufig nur. Deshalb befürworte auch sie „eine Anpassung der Impfverordnung“. Bis dahin werde es „eine Test-Strategie geben“. Lehrkräfte und Schulbeschäftigte sollen erst einmal Gutscheine für Tests bekommen, später auch Selbsttests. Ohne Lehrer-Impfung kein Präsenzunterricht für alle? Ohne eine solche Impfung spätestens um die Osterzeit herum dürfte es kaum möglich sein, in diesem Schuljahr noch alle Jahrgänge wieder in den Präsenzunterricht zu bekommen, sagt Jens Finger, der Vorsitzende des Philologenverbandes im Norden. Die Zeit dränge also. Tatsächlich sehen die Öffnungspläne der Landesregierung bislang ein stufenweises Wiedereinrücken der Jahrgänge in die Schulen vor. Frühestens ab Mitte März wären demnach die Klassen 5 und 6 dran. „Zieht man die Osterferien ab, sieht man schnell, dass die höheren Klassen dann erst kurz vor den Sommerferien dran wären – und dann wird es wieder heißen, das Risiko lohne sich für die paar Tage nicht“, sagt Jens Finger. Wenn alle Lehrer ein Impfangebot bekommen haben, könne hingegen der Präsenzunterricht für alle Schüler wieder starten. GEW: Ministerin soll „den Leuten nichts vormachen“: Die Ministerin solle „den Leuten nichts vormachen“, mahnt derweil Bernd Schauer von der Lehrergewerkschaft GEW. Die Impfung werde „nicht übermorgen stattfinden“. Wenn die Schulen und Kitas trotzdem öffnen sollen, dürfe es Unterricht daher nur in Kleingruppen geben. Und es müsse zum Beispiel die Ausstattung mit Masken verbessert werden. „Die ist bislang vielerorts völlig unzureichend“, sagt Schauer. Lesen Sie auch Schul- und Kitaöffnung: Eltern in SH verunsichert Trotz Mutationen Schulen und Gartencenter öffnen: SH geht ein hohes Risiko Schüler im Lockdown: Sollten Abschlussprüfungen in SH abgesagt werden? Dass das Land die Grundschulen mit 25 Schülern pro Klasse und Kitas mit 20 Kindern pro Gruppe in den Regelbetrieb schickt, sei verantwortungslos, heißt es bei der GEW. Für die Testungen müssten die Schulen zudem schnell Tests bekommen, die auch von Laien anwendbar sind, fordert Schauer. Noch besser wäre es, wenn auch Schüler regelmäßig getestet werden würden. Lehrer fordern FFP-2-Masken für vorerkrankte Kollegen: Das läge dann ja allerdings im Entscheidungsbereich der Eltern, sagt Christian Schmarbeck, Vorsitzender des „Verbandes Bildung und Erziehung“. Auch Tests bei Lehrern würden schon viel bringen. So könnten Corona-Ausbrüche schnell erkannt und eingegrenzt werden. Ein Aufrücken in der Impf-Priorisierung sei richtig. Jeder Lehrer sollte schnell ein Impfangebot bekommen. Würde man darauf warten, wäre aber wohl vor Mai kein Unterricht möglich. Für Lehrer mit Vorerkrankungen müsse es bis dahin aber vom Land FFP-2-Masken geben. Der Kieler Virologe Helmut Fickenscher dämpft derweil die Erwartungen, die sich an die Schnelltests für Lehrer knüpfen. Sie seien bislang zu unzuverlässig. Es gebe viele falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse. Da drohe schnell eine halbe Schule nach Hause geschickt zu werden, obwohl gar keine Infektion vorliege. Das sorge nur für Unruhe. Kieler Virologe setzt auf Einhaltung der AHA-Regeln: Dass die Schulen und Kitas dennoch öffnen und auch noch vor einer Impfung der Lehrer, sei richtig, sagt Fickenscher. „Der öffentliche Bedarf danach ist extrem hoch.“ Wichtig sei, dort jetzt die altbekannten Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten. Das würde schon sehr viel bringen. Die Vize-GEW-Landeschefin Katja Coordes mag das nicht glauben. „Die bisher ergriffenen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz reichen bei Weitem nicht aus“, sagt die Lehrerin. Abstände ließen sich bei der Arbeit mit Kindern nicht einhalten. Man werfe in Kitas und Grundschulen alle Vorsicht über Bord, obwohl Virologen schon vor der dritten Welle warnen würden. Auch die Kleinsten tragen heute Maske: Fickenscher sieht das nicht so schwarz. Gar so klein seien die Klassenzimmer ja nicht. Zuversichtlich stimme ihn zudem, dass etwa das Maskentragen heute viel selbstverständlicher sei als noch im letzten Frühjahr. „Wir werden viele, auch sehr junge Schüler mit Maske im Unterricht sehen.“ Selbst die Kleinsten hätten sich dann doch recht problemlos daran gewöhnt – und viele Kinder seien bei der Einhaltung der Coronaregeln ohnehin viel sorgsamer als manch älterer Erwachsene. In Schleswig-Holstein haben sich allein nach den Sommerferien ab dem 10. August 215 der rund 25 600 Lehrerinnen und Lehrer nachweislich mit dem Coronavirus infiziert und sind auch an Covid-19 erkrankt. Außerdem erkrankte auch 22 Schulassistenzen und 84 weitere an Schulen tätige Personen. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der SPD an die Kieler Landesregierung hervor. Somit erkrankten seither 321 Schulbedienstete im Norden an Covid-19. Die Landespolizei meldete bei insgesamt rund 8000 Bediensteten 82 Erkrankte. Zudem erkrankten im Land sechs Richter, zehn Justizvollzugsbeamte sowie 19 Staatsanwälte und tarifliche Mitarbeiter der Justiz. Aus den Finanzämtern wurden 18 Erkrankte gemeldet. Aus den Hochschulen 13. Der Landesbetrieb Verkehr meldete bislang acht Erkrankte. Die Ministerien selber meldeten zusammen 21 an Covid-19 erkrankte Mitarbeiter. Scharfe SPD-Kritik: Ministerin schon wieder überrascht: Von der SPD-Opposition kommt derweil erneut scharfe Kritik an der Bildungsministerin. Was den Schulen zur Test-Strategie bisher mitgeteilt worden sei, „ist bestenfalls vage“, moniert deren Bildungspolitiker Martin Habersaat. Prien scheine wieder einmal überrascht zu sein, dass und wie es weitergeht. Im Januar habe sie Tests an Schulen jedenfalls noch abgelehnt, „jetzt müssen sie im Eiltempo organisiert werden“. Die schnelle Impfung müsse im Bund gemeinsam mit der Ständigen Impfkommission auf den Weg gebracht werden. Bei den Grünen hält man das durchaus im Eiltempo für möglich. „Dadurch, dass der Impfstoff von AstraZeneca in der EU nicht für Ältere zugelassen ist, sehen wir hierfür Luft“, sagt deren Landtagsabgeordnete Ines Strehlau. Die Impfung solle es dann auch gleich für die schulischen Assistenzen, Schulbegleiter und Sozialarbeiter geben. FDP bemängelt Fehler bei der Impfstoff-Beschaffung: Am Land werde es nicht liegen, wenn sich diese Impfungen verzögert, sagt die FDP-Bildungspolitikerin Anita Klahn. „Schleswig-Holstein ist mit seiner Impfinfrastruktur bestens aufgestellt – allerdings fehlt es nach wie vor an ausreichend Impfstoff.“ Die Liberale macht der CDU/CSU-SPD-Bundesregierung schwere Vorwürfe. Sie habe bei der in Aussicht gestellten höheren Priorisierung von Erziehern und Grundschullehrkräften „leider vergessen zu erklären, mit welchem Impfstoff die größere Gruppe an Anspruchsberechtigten geimpft werden soll“. Schließlich würde diese Gruppe dann allein im Norden um deutlich mehr als 30 000 Personen wachsen. Von Wolfram Hammer