Scharfe Kritik im Landtag am Coronakurs von Karin Prien

Harter Schlagabtausch über die Bildungspolitik im Kieler Landtag. Während CDU-Ministerin Karin Prien die Erleichterungen für Prüflinge während der Coronakrise ankündigte, übte vor allem die SPD-Opposition erneut scharfe Kritik an der Ministerin und ihrer Jamaika-Koalition. Präsenz- oder Distanzunterricht? Im Fokus dabei: Priens jüngstes Hin und Her in Sachen Präsenzunterricht für die Abschlussjahrgänge. „Es ist nicht hinnehmbar, dass vormittags im Landtag das eine verkündet und nachmittags den Schulen gegenüber das andere angeordnet wird“, sagt der bildungspolitische Sprecher der SPD, Martin Habersaat. Aus „kleinen Lern- und Vorbereitungsgruppen für Abschlussjahrgänge“ sei binnen Stunden „Präsenzunterricht gemäß Stundentafel im Rahmen der vor Ort üblichen Zeitstruktur“ geworden. Das Wichtigste, was die Schulen derzeit bräuchten, seien nun einmal Klarheit und Rechtssicherheit. „Und die haben sie derzeit nicht“, sagt Habersaat. Die Schulen bräuchten von Prien weniger, aber dafür belastbarere öffentliche Erklärungen und Dienstanweisungen. Habersaat: Bittere Bilanz beim Digitalpakt: Bitter sei auch die Bilanz beim Digitalpakt. Obwohl der Bund Millionen für die bessere Ausstattung der Schulen bereitstelle, habe das Land die rote Laterne beim Abruf der Mittel. Das sei „peinlich“. „Erschreckend“ sei es, dass die Landesregierung trotz Coronapandemie nicht die Kraft gefunden habe, die Abläufe zu beschleunigen und die Kreise vom Eigenanteil zu befreien. Im Ergebnis funktioniere auch das Distanzlernen nicht so, wie es erforderlich sei. Die Ausrüstung der insgesamt 792 Schulen im Norden mit Lernmanagementsystemen verlaufe ebenfalls zu schleppend, klagt der Sozialdemokrat. Noch immer sei etwa völlig unklar, auf welches System von welchem Anbieter die Schulen am Ende verpflichtet werden sollen. Es gebe auch noch viel zu wenig Videokonferenzen. Derweil verzögere das Ministerium selber den Einsatz der Zoom-Software dafür. Erst Mitte November sei etwa eine Abfrage bei den Eltern gestartet worden, ob sie deren Einsatz erlauben würden. „Ministerium hat Bedarf an Luftfiltern nicht abgefragt“: Der Jamaika-Öffnungsfahrplan sei jetzt immerhin ein erster Schritt. „Wir brauchen endlich Leitplanken, an denen Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen sich orientieren können“, sagt Habersaat. Das Bildungsministerium habe derweil noch nicht einmal in den Schulen abgefragt, welcher Bedarf an Luftfiltern und CO2-Messgeräten dort besteht. Ganz Corona-unabhängig steige unterdessen die Zahl der nicht mehr inklusiv beschulten Förderschüler. Die Unterrichtsversorgung liege trotz sinkender Schülerzahlen unter 100 Prozent. Die SPD fordere Förderangebote für alle Schüler, die es alleine mit Distanzunterricht nicht schaffen, die Verschiebung von Prüfungen nach hinten, um Lernzeit zu gewinnen, und eine Konzentration auf die Hauptfächer, Kernkompetenzen und Prüfungen und mehr Pädagogik, sagt Habersaat. Schon die vielen Lüftungsunterbrechungen hätten ja die Unterrichtszeit verringert. Die Ministerin sei offenbar überfordert. SPD-Chefin Serpil Midyatli hatte vor wenigen Tagen sogar schon ihren Rücktritt gefordert. Flexiblere Prüfungen für Pandemie-Schüler: Auch sie und ihre Mitarbeiter seien nicht frei von Fehlern, gestand Prien in ihrer Rede im Landtag nun zu. Es werde in diesen schwierigen Zeiten aber den Leistungen der Mitarbeiter nicht gerecht, nur das Haar in der Suppe zu suchen. Prien kündigte zudem an, dass durch die nun beschlossene Schulgesetzänderung die Prüfungsregeln flexibler werden würden. Für die Abschlüsse nach Klasse 9 und 10 werde etwa die Zahl der schriftlichen Prüfungen reduziert, die Bearbeitungszeit verlängert und auf Wunsch eine weitere mündliche Prüfung ermöglicht, bei der sich die Schüler nur verbessern können. CDU nimmt Prien in Schutz – SPD-Kritik „verantwortungslos“: Bei den Abiturienten sehe man eine größere Auswahlmöglichkeit der Aufgaben und eine Zeitverlängerung während der Prüfungen vor, sagt Prien. Sollten die Prüfungsergebnisse aller Schüler in einem Fach deutlich unter dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor der Pandemie liegen, könne die Schulaufsicht die Noten anpassen. Der CDU-Bildungspolitiker Tobias von der Heide nahm Prien in Schutz. Ihr Haus handle in schwerer Lage besonnen und entschlossen, während die SPD nur Verunsicherung schüre, ohne Lösungen oder Alternativen aufzuzeigen. „Es gibt keinen Grund, ein Schulchaos herbeizureden“, sagte von der Heide. Er halte gerade aus der SPD einige Beiträge der vergangenen Tage für verantwortungslos. Abi-Zeugnisse, aber keine Abi-Bälle: Man könne den Absolventen zwar keine Abschlussfeiern und Abi-Bälle versprechen – aber sehr wohl, dass jeder Abschlussjahrgang mit einem regulären Schulabschluss für den weiteren Lebensweg ausgestattet werde, sagte der Christdemokrat. In Rekordzeit sei im Norden zudem mit „itslearning“ ein einheitliches Lernmanagementsystem für alle Schulen zur Verfügung gestellt worden. Die Mittel aus dem Digitalpakt seien hingegen für längerfristige Projekte vorgesehen. Von Wolfram Hammer