Schleswig-Holstein: Das sind die offenen Fragen zur Grote-Entlassung

Für Ministerpräsident Daniel Günther wird es in der Affäre um den Rauswurf von Innenministers Grote immer enger. Hat der Regierungschef die Staatsanwaltschaft Kiel missbraucht, um Grote aus dem Weg zu räumen? Die SPD-Opposition wirft ihm das vor – und hat ihm nun, wie angedroht, einen ausführlichen Fragenkatalog vorgelegt. Auch Günthers grüner Koalitionspartner erwartet von ihm Antworten. Bekam die Staatsanwaltschaft Kiel einen Auftrag von ganz oben? Der Verdacht von SPD-Oppositionsführer Ralf Stegner: Günther könnte bei zwei Treffen mit Staatsanwaltschefin Birgit Heß im Vorfeld der Entlassung bewusst dafür gesorgt haben, dass die Ermittler vermeintlich belastende Informationen über Grote zusammensuchten. Gab es von der Regierung „einen Auftrag oder irgendwelche Kommunikation an die beziehungsweise mit der Staatsanwaltschaft Kiel zur Recherche, Überprüfung von Informationen oder Beschaffung von Material?“, will Stegner daher jetzt ganz konkret wissen. Die zeitlichen Zusammenhänge sind tatsächlich auffällig. Heß hatte Anfang März zunächst nur einige Chats mit Aussagen eines Polizeireporters und eines Polizeigewerkschafters über Grote zusammengestellt und Günther in Form eines sogenannten Bestra-Berichts zugeschickt. Die Chats waren ihr bei Ermittlungen gegen den Gewerkschafter in die Hände gefallen. Hatte der Minister etwa allzu vertrauliche Kontakte mit den beiden gepflegt? Warum reichte Birgit Heß einen zweiten Bestra-Bericht nach? Günther hielt Grote die Chats vor, der räumte den Vorwurf mit einer persönlichen Erklärung aus. Kurz nach einem weiteren Treffen mit Günther einige Tage später präsentierte Heß dem Ministerpräsidenten dann aber noch einen zweiten Bericht – angeblich „aus eigener Veranlassung“ und weil im ersten Bericht noch Chats gefehlt hätten. Ein weiterer Chat in diesem zweiten Bericht sollte nun offenkundig belegen, dass Grote mit dem Reporter sogar über einen hohen Polizeibeamten gelästert habe – eine Fehlinterpretation, wie mittlerweile feststeht. Dennoch wurde Grote gefeuert – und selbst die Presseerklärung dazu wurde von Regierungssprecher Peter Höver und mit Wissen von Staatskanzleichef Dirk Schrödter noch schnell der Staatsanwaltschefin zur Überprüfung vorgelegt, wie Höver selber mittlerweile einräumen musste. Dabei stand Grote selber niemals im Verdacht, sich irgendwie strafbar gemacht zu haben. Scharfe Kritik von FDP und Grünen – und Juristen: Scharfe Kritik an dieser Einbindung kommt daher mittlerweile auch von hohen Juristen. „Es ist nicht die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Munition für einen politischen Prozess zu sammeln“, sagt etwa der ehemalige Lübecker BGH-Richter Wolfgang Neskovic. Die FDP- und Grünen-Innenpolitiker Jan Marcus Rossa und Burkhard Peters halten die Erstellung des zweiten Bestra-Berichts durch Heß ebenfalls für unzulässig. Dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage. Gegenüber den Kieler Nachrichten wurde Peters noch deutlicher. „Stegner hat den Punkt getroffen“, erklärt der Grüne dort. In der Zeitung meldete sich auch Grote selber zu Wort. Das werde noch ein sehr interessantes Thema werden, sagt der Ex-Minister. Für gezielte Untersuchungen der Staatsanwaltschaft müsse es ja eigentlich einen gezielten Anlass geben. „Das macht mich durchaus stutzig und wirft die Frage auf, wer den zweiten Bestra-Bericht mit welcher Intention in Auftrag gegeben hat“, sagt Grote. Stegner spricht von Verfassungsbruch: Stegner spricht bereits von Verfassungsbruch durch Günther. Der soll nun zum Beispiel auch beantworten, wann und aufgrund welchen Umstands Birgit Heß denn bewusst geworden ist, dass der erste Bestra-Bericht unvollständig gewesen sei – und ob sie dabei schon von den Vorwürfen Günthers oder seiner Justizministerin Sütterlin-Waack gegen Grote gewusst habe. Wann es Antworten gibt, steht noch nicht fest: Außerdem will Stegner wissen, warum der Entwurf der Presseerklärung des Ministerpräsidenten zum Grote-Rücktritt mit Heß abgestimmt werden musste. Und er fordert Aufklärung über offensichtliche Widersprüche. So hatte Günther nach der Entlassung öffentlich erklärt, Grote habe die Vorwürfe gegen ihn zugegeben. Grote weist das zurück. Die Fragen sind bereits in Günthers Staatskanzlei eingegangen. Bis wann sie beantwortet werden, konnte man dort am Mittwoch noch nicht sagen. Stegner hat dem Ministerpräsidenten keine Frist gesetzt. Schnelle Antworten seien aber durchaus auch in Günthers Interesse, hatte Stegner erklärt. Von Wolfram Hammer