Schleswig-Holstein: Der Wald ist so krank wie noch nie

Dem Patienten Wald geht es so schlecht wie noch nie. Und große Teile sind kaum oder gar nicht mehr zu retten. Bundesweit summieren sich die sogenannten Schadflächen, auf denen die Bäume durch Dürren, Stürme und Insektenbefall zum großen Teil abgestorben sind, auf 277 000 Hektar, was etwa der Größe des Saarlands entspricht. Der am Mittwoch von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) vorgestellte Waldzustandsbericht 2020 ist der dramatischste, seit die Berichte im Jahr 1984 erstmals erstellt wurden. Lesen Sie auch So geht es dem Wald im Herzogtum Lauenburg Labor im Fredeburger Wald: Forscher aus Göttingen wollen Bäume verstehen Wald in Schleswig-Holstein: Die Folgen von Trockenheit und Borkenkäfer Norden steht noch verhältnismäßig gut da: „Wir sind verdammt dankbar, dass es im Norden nach dem dritten Dürrejahr in Folge nicht so gravierende Schäden gab wie in einigen anderen Regionen“, sagte der Chef des Waldbesitzerverbandes, Caspar Graf zu Rantzau. Aber auch dem Wald in Schleswig-Holstein gehe es nicht gut. Starke Schäden weisen landesweit 4,7 Prozent der Bäume auf. Vor allem südliche Landesteile von Trockenheit betroffen: Und vor allem bei älteren Buchen, Eichen, Fichten, Kiefern sind zudem die Kronen lichter geworden. Diese „Kronenverlichtung“, also weniger Blätter und Nadeln infolge der Trockenheit, beeinträchtigt die lebenswichtige Photosynthese und damit die Nährstoffversorgung der Bäume. Dabei nehmen die Schäden zu, je weiter die Waldflächen von den Küsten entfernt sind. In südlichen Landesteilen, etwa Segeberg, Stormarn, Lauenburg, Lübeck bis in Teile Ostholsteins, fielen die Niederschläge in den vergangenen drei Jahren dürftig aus. Klimaveränderungen machen Umbau nötig: Von einem „Alarmsignal“ sprach zu Rantzau und plädierte für Gegenmaßnahmen, um die Wälder so umzubauen, dass sie für die Klimaveränderungen gewappnet sind. In das gleiche Horn blies der Kieler Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht. „Maßnahmen des Waldumbaus und der Wiederbewaldung müssen in den kommenden Jahren zentraler Kern der forstlichen Förderung bleiben“, erklärte der Grünen-Minister. Finanzierungsproblem für Eigentümer: Holzpreise im Keller: Das Problem für die kommunalen und privaten Waldeigentümer ist allerdings, dass die Holzpreise dermaßen in den Keller gerutscht sind, dass aus den Erlösen der Umbau nicht finanziert werden kann. Um einen Hektar Wald wieder aufzuforsten und zu pflegen, seien bis zu 5000 Euro notwendig. Wenn die Flächen zum Schutz vor Wildverbiss auch noch umzäumt werden müssten, komme man leicht auf 10 000 Euro. Wer heute einen Wald besitze und den für die nächsten Generationen fit machen wolle, zahle kräftig drauf. „Der Wald muss für seine ökosozialen Leistungen, die Speicherung von CO2, honoriert werden“, forderte in diesem Zusammenhang Graf zu Rantzau. Da ein Hektar Wald jährlich rund vier Tonnen des Treibhausgases binde, wären 100 Euro pro Hektar und Jahr angemessen, rechnete er vor. Hilfsprogramme des Landwirtschaftsministeriums: Ministerin Klöckner hat bundesweite Wald-Hilfsprogramme aufgelegt, die zusammen 1,5 Milliarden Euro betragen. Im Vorjahr wurden im Norden Umbaumaßnahmen mit neun Millionen Euro bezuschusst. Staatliche Prämien aus der sogenannten Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) sowie dem Konjunkturprogramm (Bundeswaldprämie) gibt es allerdings nur, wenn die aufgeforsteten Flächen strengen Umweltauflagen entsprechen, etwa nach dem FSC-Siegel zertifiziert sind. Zugleich brauche es vernünftige, wissenschaftlich basierte Konzepte, welche Baumarten an welchen Standorten für den Waldumbau eingesetzt werden sollten, und eine enge Zusammenarbeit mit den Baumschulen, meinte Graf zu Rantzau. Von Reinhard Zweigler