Schleswig-Holstein: Rätselraten um steigende Inzidenzen

Deutschlandweit sinkt die Corona-Inzidenz. In Schleswig-Holstein nicht. Experten vermuten, dass die Virus-Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen die Zahlen nach oben treiben. Warum es gerade jetzt so viele Heime im Norden trifft, darüber herrscht Rätselraten. Die Inzidenz im Norden stagniert auf hohem Niveau: Bei 93,91 lag der Wert für den Norden am Mittwoch.Am 18. Januar war noch eine Inzidenz von nur 87,17 gemeldet worden. Danach stieg der Wert bis auf 96,74 am 23. Januar an. Seither verharrt er mit leichten Schwankungen in etwa dieser Höhe. Im selben Zeitraum sank die Inzidenz deutschlandweit kontinuierlich von 138,21 auf 98,46. Eine einzige Ursache für diese gegenläufige Entwicklung sei derzeit nicht erkennbar, sagt Christian Kohl, Sprecher des Kieler Gesundheitsministeriums auf LN-Anfrage. In Flensburg etwa verbreite sich ja aber die ansteckendere Virus-Mutante. Und auch das „hohe Ausbruchsgeschehen in den Alten- und Pflegeheimen im Land macht sicher einen wesentlichen Teil dieser Zahlen aus“. Tatsächlich infizierten sich dort allein im Kreis Stormarn seit November 504 Bewohner. 90 von ihnen sind an dem Virus gestorben. Im Norden leben besonders viele Alte: Das sieht der Kieler Virologe Professor Helmut Fickenscher ganz ähnlich. Die Ausbrüche in den Heimen seien ein wichtiger Faktor bei diesen Inzidenzwerten. Erschwerend komme hinzu, dass es in Schleswig-Holstein eine besonders hohe Zahl solcher Heime gebe. Es ziehe im Ruhestand eben besonders viele Senioren in das Land, das viele schon früher im Urlaub schätzen gelernt hätten. Aber warum hat das Virus überhaupt die Heime erreicht, nachdem die Coronazahlen in Schleswig-Holstein insgesamt doch über Monate so niedrig waren? Das könnte mit der höheren Inzidenz in der Gesamtbevölkerung in bestimmten Kreisen zusammenhängen, sagt der Mediziner. Im Kreis Pinneberg etwa sei es so. Das Virus werde ja stets durch Mitarbeiter oder Besucher in die Heime getragen. Die Corona-Fallzahlen bei den Hochbetagten seien zudem schon im Dezember gestiegen. Ein Problem der Statistik? Hinzu würden „rechnerische Faktoren“ kommen, sagt Christian Kohl. Bei einer eher kleineren Bevölkerungsdichte machten sich Ausbrüche schneller bei der Inzidenz bemerkbar. „Schleswig-Holstein ist insgesamt eher konstant auf ähnlichem Niveau, während andere Bundesländer von sehr hohen Werten rückläufig waren auf ein ähnliches Niveau“, sagt Kohl. Lesen Sie auch Lübeck: Vier Corona-Tote, 106 Neuinfizierte - Zahlen vom 28.1.21 Schleswig-Holstein: 139 neue Corona-Fälle – deutlich mehr Menschen im Krankenhaus Corona: Hoher Inzidenzwert in Lübeck - sind Lockerungen in Gefahr? Wirksame Gegenmaßnahmen? In Kreisen mit besonders hoher Inzidenz hätten schon die Ankündigungen schärferer Maßnahmen zu einer Verhaltensänderung der Bevölkerung geführt, sagt Helmut Fickenscher. In Neumünster etwa, oder auch in Lübeck seien die Zahlen nach solchen Spitzen auch wieder gesunken. Ansonsten müsse man vor allem auf die Impfung setzen. Die Strategie des Landes sei richtig. Es hätten sich in den Heimen schon sehr viele Bewohner und auch Mitarbeiter impfen lassen. Man dürfe erwarten, dass jetzt auch bald eine Besserung spürbar werde. Von Wolfram Hammer