Schleswig-Holstein: Scharfe Lehrer-Kritik am Kieler Corona-Kurs

Der Unmut vieler Lehrer über den Corona-Kurs von CDU-Bildungsministerin Karin Prien wächst. Jetzt beschweren sich zwei Pädagogen in einem offenen Brief über die Pandemiepolitik der Ministerin. Keine Laptops für die Lehrer: Michael Clausen und Sabine Landmesser unterrichten an Gymnasien im Kreis Stormarn und in Lübeck. Und sie sind sauer. „Nach acht Monaten Pandemiepolitik Ihres Ministeriums hat sich bei uns zunehmend der Gedanke verfestigt, unseren Unmut über Ihr bisheriges Vorgehen öffentlich zu äußern“, schreiben die beiden jetzt. So seien ihnen im August, wie vielen anderen Lehrern auch, fürs notwendige Distanzlernen bis Ende dieses Jahres Dienstlaptops in Aussicht gestellt worden. Angekommen seien die bislang aber noch nicht. „Bis heute warten wir darauf und müssen stattdessen mit unseren privaten Endgeräten Distanzlernen umsetzen – ohne Anwender-Schulung versteht sich“, heißt es in dem Brief. Plastikvisiere statt FFP-2-Masken: Dazu komme, dass die Schulen ohnehin nur mangelhaft digital ausgestattet seien. Es gebe „schlechte WLan-Verbindungen, die Telefon- und Videokonferenzen zum Glücksspiel machen“, überlastete Server und fehlende Endgeräte bei Schülern. Ebenso unzureichend sei die Ausstattung der Schulen mit FFP-2-Masken. Selbsttests gebe es auch zu wenige. Stattdessen seien noch kurz vor deren Verbot Plastik-Gesichtsvisiere „billigster Machart“ in den Fächern der Kollegen gelandet. Noch empörender empfinde man die Art und Weise, wie Prien mit ihrer Fürsorgepflicht hinsichtlich der Lehrer-Gesundheit umgegangen sei. Obwohl das Robert-Koch-Institut (RKI) seit Monaten Wechselunterricht an den Schulen gefordert habe, habe man in Schleswig-Holstein von den Lehrern Präsenzunterricht im Regelbetrieb vor vollen Klassen verlangt. Drangvolle Enge im Behelfs-Klassenraum: Dabei sei es in einem Baucontainer-Übergangsklassenraum in Klasse 8 mit 31 Schülern gar nicht möglich, die Hygieneabstände einzuhalten, schreiben die beiden Lehrer. Und: Der Wechselunterricht in kleinen Gruppen tue gerade den schwächeren Schüler besonders gut. Zwei Wochen vor Weihnachten sei dann doch plötzlich das Distanzlernen von zu Hause aus angeordnet worden. Bis dahin habe Prien offenbar aus wahltaktischen Gründen vor allem die Interessen der Eltern und der Wirtschaft vertreten, werfen Clausen und Landmesser der Ministerin vor. Ein vorausschauendes Krisenmanagement und ein transparentes Konzept seien nicht zu erkennen. Viele Lehrerinnen und Lehrer seien verunsichert, Angst, Enttäuschung und Wut mache sich breit, zuweilen sei davon die Rede, dass man nur noch „Kanonenfutter“ sei. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Bildungsministerium weist die Vorwürfe zurück: Im Bildungsministerium ist man verwundert. „Wir nehmen mit Befremden diese Vorwürfe und die Art der Vorgehensweise zur Kenntnis“, sagt Priens Sprecher David Ermes. Als Bildungsministerium habe man immer das Wohlergehen aller in der Schule im Blick. „Wie Eltern, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler erwarten dürfen, treffen wir unsere Entscheidungen stets nach eingehender wissenschaftlicher Beratung.“ Selbstverständlich erhielten die Autoren des Briefes „auf dem Dienstweg nach den Weihnachtsferien eine Antwort, die hoffentlich die diesem Schreiben zugrunde liegenden falschen Annahmen und Unterstellungen richtigstellen werden“, sagt Ermes. GEW fordert Wechselunterricht ab Inzidenz 50: Die Lehrer-Gewerkschaft GEW sieht das ganz anders. „Die beiden Lehrkräfte sprechen mit ihrem Frust sicherlich vielen Lehrkräften aus dem Herzen“, sagt Landesgeschäftsführer Bernd Schauer. Wie ihre Kultusministerkollegen „irrt auch die schleswig-holsteinische Bildungsministerin weiterhin planlos durch die Pandemie“. Die Schulen sollten um jeden Preis offen gehalten werden, Räumlichkeiten und technische Ausstattung fehlten ihnen aber dafür. Die Forderung der Gewerkschaft: Künftig müsse es ab einem Inzidenzwert von 50 zwingend Wechsel- oder Hybridunterricht geben, wie es das RKI empfohlen habe, sagt Bernd Schauer. Von Wolfram Hammer